BLACK SWAN | Ź²į¶¤įµįµ’įµ’įµ

By spaceseokie

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āI'm in love with a fairytale, even though it hurts.āž Jeongguk hat es sich schon jung zur Aufgabe gemacht, ei... More

VORWORT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

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By spaceseokie


JEONGGUK WAR NICHT überrascht, als er am nächsten Morgen erneut alleine in seinem Bett aufwachte. Und auch wenn er nicht davon überrascht war, so spürte er dennoch Enttäuschung in seinem Inneren aufkeimen. Es machte keinen Unterschied—Jeongguk musste nun sowieso aufstehen, auch wenn sich die Sonne noch hinter dem Horizont versteckte und es noch dunkel war. Dennoch hätte er sich gerne von dem Jungen verabschiedet—von Jimin. Denn auch wenn er Hoffnung hatte, Vertrauen in sein Können, so war er nicht gänzlich sicher, ob er den heutigen Auftrag erfolgreich abschließen konnte und somit überlebte. Einen letzten, abschließenden Kuss, den er in Erinnerung halten könnte—den hätte er gerne bekommen. 

Doch so sollte es nicht sein und im Vergleich zum Vortag, trauerte Jeongguk dem Verschwinden von Jimin nicht länger nach. Er hatte einen Auftrag, auf den er sich konzentrieren musste, denn das entschied über sein Leben. Die Hexe fangen und erlegen, das war das einzige, über was er sich nun Gedanken machen sollte; da hatte Jimin einfach keinen Platz, ganz egal wie stark er sich abermals nach ihm sehnte. Was er dafür geben würde, den Jungen erneut zu sehen. 

Als Jeongguk von dem Bett aufstand und nach seinem Wams griff, welches er in der vergangenen Nacht achtlos hatte auf den Boden fallen lassen, fiel ihm etwas im Bett auf. Er knöpfte das Wams zu, während er mit gerunzelter Stirn um das Bett herum ging, auf die Seite, auf welcher Jimin geschlafen hatte. Er erstarrte und griff dann nach dem Objekt, welches auf dem Kissen lag. 

Es war eine einzelne, schwarze Feder.

Jeongguk war sich sicher, dass Jimin am gestrigen Abend keine Feder bei sich gehabt oder getragen hatte; das wäre ihm doch aufgefallen! Doch nun starrte er die Feder an, die er zwischen seinem Daumen und Zeigefinger hielt. 

Eine Schwanenfeder, Jeongguk war sich dessen absolut sicher. Doch wie sollte eine solche Feder in dieses Zimmer, auf dieses Bett gelangen? Der Händler hatte selber gesagt, dass sich im Umkreis des Dorfes keine Schwäne aufhielten.

Bis auf den Schwan, den Jeongguk auf dem See in dem Wald gesehen hatte. Diesen einen, sonderbaren Schwan, aus dem er nicht ganz schlau geworden war. Dieser eine Schwan, der so zutraulich gewesen war, dass er ihn hatte streicheln können. Dieser eine Schwan, dessen Verhalten Jeongguk unglaublich abstrus vorgekommen war. 

Es musste eine Feder von ihm sein. 

Aber wie sollte es möglich sein, dass sie hier hin gelangt war? Jeongguk hatte keine mitgenommen—er hatte es nicht gewagt, dem Tier eine Feder zu stehlen. Doch nun hielt er sie zwischen seinen Fingern und strich vorsichtig die Konturen entlang. 

Dabei kam Jeongguk ein absurder Gedanke. 

Er hatte bereits am gestrigen Tag mit dem Gedanken gespielt, dass möglicherweise der Schwan die Hexe sei, weil er sich dessen Gegenwart nicht hatte erklären können, als einziges Tier inmitten dieses verlassenen Waldes. 

Jeongguk wusste nicht, ob Jimin schon von Geburt an stumm war, oder ob er verflucht wurde—es war lediglich eine Überlegung seinerseits gewesen, auch wenn er sie als unwahrscheinlich abgestempelt hatte. Doch was war, wenn Jimin wirklich verflucht wurde, und dass nicht nur, indem er seiner Stimme beraubt wurde, sondern plötzlich als Schwan vor sich hin vegetieren musste?

Jedoch gab es da noch eine zweite Überlegung und wenn Jeongguk ehrlich war, machte ihm diese Angst. Er hatte darüber nachgedacht, dass die Hexe der Schwan sei—sie sich in ihn verwandelte, wenn es ihr beliebte. Doch diese Theorie lief darauf hinaus, dass Jimin die Hexe war und das kam Jeongguk erschreckend plausibel vor. Jimins unsterbliche Schönheit, diese Perfektion, die man sonst nur Elben zusprach, auch wenn er sich sicher war, dass Jimin die anderen Aspekte fehlten—beispielsweise die Ohren, welche sich nach oben hin zuspitzten—um als einer zu gelten. Vielleicht war er wirklich kein Elb, sondern die Hexe. 

Jimin besaß jede Eigenschaft, die Jeongguk als anziehend empfand: die vollen, rosigen Lippen. Die hübschen Gesichtszüge mit den hohen Wangenknochen und der unversehrten, makellosen Haut, die er in der Nacht geliebkost hatte. Das weiche, duftende Haar, mit dem er mit seinen Fingern hindurch gefahren war, immer und immer wieder. 

Und wenn es das war, was ihn die Sündenhexe hatte sehen lassen wollen? Sollte der Schwan die Hexe sein, dann war er ihr bereits auf dem Hinweg durch den Wald begegnet. Hatte sie ihn bereits dort unter ihren Zauber gezwungen? 

Jeongguk strich erneut über die Feder. Existierte Jimin überhaupt? War er eine Illusion der Sündenhexe, oder verkörperte sie ihn? 

Er wusste nicht, was er bei diesem Gedanken empfinden sollte, was überhaupt der Wahrheit entsprach. Könnte er die Sündenhexe töten, wenn sie sich als Jimin offenbaren würde? 

Jeongguk riss sich aus seiner Starre fort und ließ die Feder zurück auf das Kopfkissen segeln, wobei er ihr nachstarrte. Er hatte es dem Händler versprochen, es war sein Auftrag, er konnte nun nicht einfach ein Rückzieher machen, nur weil die Möglichkeit bestand, dass die Hexe Jimin war—vielleicht war es ja auch ein Irrtum.  

Doch diese Sorge, dieser Gedanke, der sich nun in Jeongguks Kopf festgesetzt hatte und an ihm zerrte, verließ ihn nicht, auch nicht als er schließlich angezogen war und hinab in den Schankraum stiefelte. Es war noch zu früh, als dass der Schankwirkt bereits etwas zu Essen servierte, aber Jeongguk hatte dementsprechend vorgesorgt und etwas Brot auf seine gestrige Liste gesetzt, die er dem Händler ausgehändigt hatte. Er konnte im Sattel essen, das störte ihn nicht. 

Er überprüfte ein letztes Mal den Sitz seines Degens, die Platzierungen seiner Dolche und stieß dann die Tür der Taverne nach draußen auf. Ihm stieß kalte Luft und der unangenehme Geruch nach Pisse entgegen, als er hinaus in die Gasse trat und den Kragen seines Mantels, den er über seinem Wams trug, nach oben klappte. Es war noch dunkel, die Sonne immer noch verborgen, doch vereinzelte Laternen brannten um das Gebäude und die Straße herum und so fand Jeongguk den kurzen Weg zu der Stallung, in der er Tarqeq am vergangenen Abend untergebracht hatte, ohne Probleme. 

Das Tier begrüßte ihm mit einem Schnauben und Jeongguk strich  ihm abgelenkt über die Nüster, bevor er sich den Satteltaschen zuwandte, die vor der Box auf dem Boden lehnten. Er kontrollierte den Inhalt und begann dann damit, Tarqeq zu satteln und aufzuzäumen. Das Tier blieb dabei geduldig und machte es ihm leicht, sodass es nicht lange dauerte, bis Jeongguk auch schon die beiden Satteltaschen hinter dem Sattel des Tieres befestigen konnte.  Während er das tat, zerbrach er sich weiter den Kopf darüber, was sich ihm kurz zuvor offenbart hatte. War das der richtige Ausdruck dafür? Konnte er den lediglichen Fund der schwarzen Schwanenfeder als Offenbarung betiteln, obwohl er nicht einmal sicher sein konnte, was sie nun bedeutete? Jeongguk knirschte mit den Zähnen und führte Tarqeq aus der Box hinaus. 

Die Dunkelheit war nun dem Morgengrauen gewichen, doch es war immer noch still in dem Dorf, als Jeongguk aufstieg und aus dem Dorf hinaus ritt, wobei das Geräusch von Tarqeqs beschlagenen Hufen das einzige war, welches durch die Stille hallte. 

Würde er das Dorf am Abend wiedersehen? Würde er die Hexe erjagen, zurückkehren, eine weitere Nacht in der Taverne nächtigen, wo er alle Erinnerungen mit Jimin geteilt hatte, und am nächsten Morgen einfach seinen Weg fortsetzen? Es gab bereits einen weiteren Auftrag an der Südküste, der ihm zugetragen worden war und falls er den heutigen Tag überlebte und die Hexe erjagte, würde er sich auf den Weg dorthin machen. 

Doch das stand noch in den Sternen. Stattdessen musste er sich um die Bedrohung kümmern, die er immer näher kam, als er mit Tarqeq die ersten Bäume passierte und in den Wald hinein ritt. Er hatte sich am Abend noch einen Plan überlegt, wie er das ganze angehen wollte, doch nun, mit dem Auftauchen der Schwanenfeder, war er verunsichert. Sollte er zuerst zu dem See reiten und schauen, ob der schwarze Schwan dort seine Runden zog? Oder direkt zu der Hütte reisen, die er am vergangenen Tag ausgekundschaftet hatte? 

Jeongguk biss sich auf die Unterlippe und trieb Tarqeq energisch weiter, als das Pferd aus unerklärlichem Grund vor einigen Büschen scheute und zunächst bockte, blieb dabei jedoch angespannt. Es kam vor, dass Pferde scheuten, auch grundlos. Jeder Baum konnte manchmal für sie als Gefahr wahrgenommen werden, doch Tarqeq hatte sich am gestrigen Tag als außerordentlich unerschrocken erwiesen und das Pferd nahm möglicherweise mehr von seiner Umgebung wahr, als er selber. Seine rechte Hand ruhte auf dem Griff seines Degens, während er mit der linken Hand weiter die Richtung vorgab. Jeongguks Blick huschte von Gebüsch zu Gebüsch, schweifte über die Bäume und das Unterholz und suchte den Waldboden nach Spuren ab, welche jedoch ausblieben—die einzigen die er fand, waren die von ihnen, die sie gestern bereits hinterlassen hatten. 

Er entschied sich dagegen, zunächst den See aufzusuchen. Die irrationale Angst, dass der Schwan aus irgendeinem Grund Jimin sein könnte, ob als Hexe oder nicht, hatte von ihm Besitz ergriffen und er konnte immer noch nach dem Schwan schauen, falls er die Hexe nicht aufspüren konnte. 

Das Morgengrauen war der Sonne gewichen, als Jeongguk schließlich an der Lichtung ankam, auf der die Hütte stand, in dem die Hexe residierte. Er stieg von Tarqeq ab, band ihn an und machte sich dann an den Satteltaschen zu schaffen. Jeongguk biss ein letztes Mal von dem Brot ab, welches der Händler ihm mitgegeben hatte, trank einen Schluck Wasser aus dem Wasserschlauch und wischte sich über den Mund, bevor er das alles zurück in der Satteltasche verstaute. Dann klopfte er seinen Körper ab; er trug immer mehrere Dolche und Messer bei sich. Sowohl in seinen Stiefeln, an einem Riemen an seiner Brust und seinem Oberarm und zwei an dem Gürtel, zusammen mit seinem Degen, den er um seine Hüfte geschlungen trug. Jeongguk hatte sich gegen einen Bogen entschlossen und verließ sich somit auf die Waffen, mit denen er normalerweise jagte und auch erfolgreich war, was aber auch bedeutete, dass er nah an die Hexe heran musste—und das ohne zu wissen, wie genau ihr Zauber wirkte.   

Er klopfte Tarqeqs Hals, murmelte ein Wort des Abschiedes zu dem Pferd und wandte sich dann zu der Lichtung. Wie zu erwarten war es totenstill um ihn herum und er vernahm lediglich das Rascheln, welches er selber mit seinen Stiefeln auf dem Laub und dem Unterholz verursachte. Hatten Hexen ein verbessertes Gehör? Möglich war es. Angespannt schlich er bis an den Rand der Lichtung und fokussierte dann die Hütte auf der Lichtung. 

Es stieg Rauch aus dem Schornstein auf und Jeongguk ging davon aus, dass die Hexe somit Zuhause war. Nervosität breitete sich in seinem Inneren aus. Er würde nicht Jimin erblicken, wenn er durch das Fenster hinein schielte, nicht wahr? Das war ein Hirngespinst seinerseits—Jimin konnte nicht die Hexe sein! Doch ein kleiner Teil seiner Gedanken sagten ihm, dass es nicht unmöglich war; gar naheliegend. Und dieser Gedanke beunruhigte ihn. 

Er konnte Jimin keinen Dolch ins Herz rammen und seine Leiche anschließend auf einem Feuer verbrennen. So sehr sich Jeongguk auch versuchte einzureden, dass er kein Mitleid mit einer Hexe haben durfte, würde er es nicht schaffen, sollte es wirklich Jimin sein. Er konnte nicht. Nicht nach den beiden Nächten, die er mit dem Jungen verbracht hatte. 

Jeongguk presste sich an die Wand der Hütte und warf dann einen Blick durch das Fenster ins Innere. Er spürte sein Herz hinauf bis in seinen Hals klopfen und hielt angespannt seinen Atem an, während er durch das Glas hinein spähte und erneut auf das selbe Bild wie gestern schaute. Die kleine Küche—es stand erneut etwas auf dem Ofen. Doch eine Sache unterschied sich zu dem, was er am gestrigen Tag erblickt hatte; denn diesmal war der Tisch gedeckt. Jeongguk erkannte einen Braten, übergossen mit dicker, brauner Sauce und allerlei buntes Gemüse. Ein Weidenkorb mit Brot, welches goldbraun gebacken war. Und ein Teller mit feinen Gebäck, welchen Jeongguk ungläubig anstarrte. 

Erwartete die Hexe Besuch?

War so etwas überhaupt möglich? Laut dem Händler betrat niemand diesen Wald—wen sollte die Hexe empfangen?  

Es war nicht möglich, dass sie von seinem Kommen wusste—nicht wahr?

Bei dem Gedanken stellten sich Jeongguks Nackenhaare auf. Selbst mit dem Überraschungsmoment auf seiner Seite, hatte er sich das Ganze schon mehr als schwer genug vorgestellt, aber wenn er erwartet wurde...

Er war sich sicher, dass seine Chancen gen Null standen, wenn das wirklich der Fall sein sollte. 

Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, sich zurückzuziehen, allerdings verwarf er das so schnell wieder, wie der Gedanke gekommen war. Er hatte einen Auftrag—und er war in den vergangenen zehn Jahren noch nie an einem gescheitert, geschweige denn hatte er einen Auftrag aufgegeben. Wenn er es nicht bewältigte, starb er dabei—aber aufgeben, das kam für Jeongguk nicht in Frage. Es war gegen seine Prinzipien.

Mit klopfendem Herzen versuchte er mehr von dem Inneren zu erspähen. War die ganze Hütte ein großer Raum? Und wo war die Hexe? Er kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt ins Innere, dabei auf der Hut im Fall der Fälle blitzschnell von dem Fenster weg zutreten, sollte er die Hexe auf der anderen Seite des Fensters erblicken. 

»Ich muss gestehen, dass ich nicht mit einem so hübschen Jungen wie dir gerechnet habe. Vielleicht hätte ich mehr auf Jimins Worte vertrauen sollen.«

Jeongguk wirbelte herum und schmeckte den metallischen Geschmack von Blut in seinem Mund, als er sich aus Schreck auf seine Zunge biss. 

Er stand einer jungen Frau gegenüber, die ihm ein umwerfendes Lächeln schenkte. Lange, schwarze Haare fielen ihr in sanften Wellen über die Schultern, hinab bis zur Brust und erweckten einen starken Kontrast zu ihrer blassen Haut. Obwohl der Schock noch tief in Jeongguk festsaß, konnte er seinen Blick nicht von der Frau losreißen und bewegungslos ruhte seine Hand auf dem Griff seines Degen. 

Es geschah nicht oft, dass es eine Frau schaffte Jeongguk die Worte zu rauben, doch dies war nun der Fall. Sie trug ein helles Kleid mit einem ausgefallenes Dekolletee, welches nicht mehr viel Raum für Spekulationen gab und ihre kirschroten Lippen verzogen sich zu einer wissenden Miene, als sie Jeongguks Blick bemerkte. 

Sollte diese junge Frau die Hexe sein? Oder befand sie sich einfach zur falschen Zeit am falschen Ort? War sie der womöglich Besuch der Hexe? 

»Ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass mich dein Blick auf meine Brüste stört, aber ein wenig unhöflich ist es schon, findest du nicht, junger Jäger?«

Jeongguk riss sich aus seiner Starre los, wobei er unsicher darüber war, wie er sich verhalten sollte. War sie nun die Hexe? Sollte er sie augenblicklich attackieren? Oder lag er falsch, irrte er sich und sie war unschuldig? 

»Wer bist du?«, entkam es ihm rau, während der Blick der jungen Frau seinem Körper hinab wanderte. 

»Hm«, kam es ihr über ihre kirschroten Lippen und sie trat ein Schritt näher an Jeongguk heran, der sich anspannte und erstarrte. »Das kommt drauf an. Wer soll ich denn für dich sein?« Sie legte eine ihrer Hände an Jeongguks Wange und fing seinen Blick auf. »Lieber männlicher Natur? Lieber Jimin? Würde dich das mehr überzeugen? Erregen?«

Jeongguk blinzelte. 

Sie war die Sündenhexe. 

»Jimin?«, echote er. 

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. »Keine Sorge, junger Jäger. Jimin existiert wirklich, er ist keine Illusion.«

Konnte sie Gedanken lesen? Tatsächlich war das der erste Gedanke gewesen, der ihm dabei durch seinen Kopf geschossen war. 

»Wieso kommst du nicht herein und leistest mir beim Speisen Gesellschaft? Ich bin mir sicher, dass ich dich mit meinem Essen verführen kann. Dem konnte bisher niemand widerstehen, nicht einmal dein kleiner Liebhaber.«

Jeongguk fühlte sich wie in einer Trance gefangen, als er es zuließ, dass die Hexe nach seiner Hand griff und ihn hinter sich in die Hütte hinein geleitete. Im Inneren begrüßte ihn der Duft all der leckeren Speisen, die er bereits durch das Fenster hindurch gesehen hatte. Ein Feuer knisterte am Ende des Raumes und verbreitete eine angenehme Wärme und ohne dass er es wollte, fühlte er sich geborgen und wohl. 

Irgendwas machte die Hexe mit ihm; seine Gedanken fühlten sich träger an als sonst, seine normalerweise geschärften Sinne schienen sich von ihm verabschiedet zu haben und sein ausgeprägtes Misstrauen, welches er jedem Fremden entgegen brachte, löste sich einfach in Luft auf. 

Er spürte die schlanken Finger der Hexe über seinen Nacken fahren, als sie ihn wortlos auf einen der Stühle dirigierte und er sich dort niederließ. Er sollte nach einem Dolch greifen, die Möglichkeit nutzen, der Hexe die Waffe in den Bauch rammen—doch stattdessen erschauderte er unter ihrer Berührung und blieb regungslos. Gar Willenlos. 

»Sag, Jeongguk«, sprach sie und er wunderte sich nicht einmal darüber, dass sie seinen Namen wusste, »wer soll ich für dich sein?« Sie legte ihre Arme um seinen Hals und beugte sich von hinten über ihn. »Ein unschuldiger Junge wie Jimin? Mit plumpen Lippen und makelloser Haut? Oder lieber jemand älteres? Jemand erfahreneres?« Ihre Hände strichen federleicht über seine Brust, wobei ihm ein zittriger Atem entkam. »Wonach steht dir der Sinn, Jeongguk? Wonach verzehrt es dich, nach was begierst du tief in deinem Inneren?« Er spürte ihre Lippen an seinem Ohr, als sie die letzten Worte leise hauchte und ihm ein Schauer über den Rücken lief. 

Er fühlte sich gefangen in seinem Körper; nicht mehr Herr über seine eigenen Gliedmaßen, denn während sein Kopf schrie, dass er aufspringen und die Hexe töten sollte, kämpfte sein Körper dagegen an und fesselte ihn auf den Stuhl, während die Hexe über ihm lauerte.  

Wer sie für ihn sein sollte? Jeongguk blieb stumm, während die Lippen der Hexe sanft über sein Ohr fuhren. »Trau dich, Jeongguk. Wer soll ich für dich sein?«, wiederholte sie und ohne dass Jeongguk es wollte, dachte er an Jimin. Der Junge war es, den er begehrte, niemand anderen. Sein seidiges Haar, seine sündhaften Lippen. Er dachte an das Lächeln, welches Jimins atemberaubenden Gesichtszüge erhellt hatten. 

»Jimin also? Hm, der Junge hat dir wirklich deinen Kopf verdreht, nicht wahr? Erstaunlich, wie schnell er es geschafft hat, dich um seinen Finger zu wickeln. Aber er ist auch eine Schönheit, ich kann es dir nicht verdenken. Ich konnte ihm nichts antun, als er eines Tages in der Tür zu meinem Zuhause stand, obwohl ich Menschen normalerweise nichts abgewinnen kann. Ihr seid ein Haufen unzivilisierter Wilder, aber Jimin bildet wahrlich eine Ausnahme.« Die Hexe hielt für einen Augenblick inne und Jeongguk spürte ihre Finger an den Knöpfen seines Wams. »Aber du bist auch eine Ausnahme, nicht wahr?« Ihre Lippen huschten über seinen Hals und hinterließen dort federleichte Berührungen. »Dich kann ich genauso wenig einfach gehen lassen, Jeongguk. Es wäre eine Verschwendung, findest du nicht auch? Du und Jimin haben es nicht verdient, einen unbedeutsamen Tod zu sterben wie all diese Männer, die versuchten mich erfolglos von hier zu vertreiben.« 

Jeongguk schluckte schwer. Er versuchte seine Gedanken zu sortieren, doch so ganz gelang es ihm nicht. Jimin war hier in den Wald gekommen, zu der Hütte der Hexe? Warum sollte er das getan haben, was hätte ihn in diesen verfluchten Wald führen sollen, so ganz alleine? Doch weiter konnte Jeongguk seine Gedanken nicht spinnen. Sie waren träge und zäh und Jeongguk konnte einfach nur stumm dabei zusehen, wie ihm die Hexe seinen Mantel von den Schultern strich und die Knöpfe seines Wamses öffnete. 

»Trink etwas und iss, Jeongguk«, hauchte ihm die Hexe in sein Ohr und trat zu seiner eigenen Überraschung dann einen Schritt von ihm hinfort. »Füll' deinen Magen mit all diesen Speisen, labe dich an dem reichen Essen.« Jeongguk hatte nicht einmal das Verlangen etwas zu essen, doch sobald die Hexe dies zu ihm sagte, griff er automatisch nach dem Weidenkorb mit dem goldgebackenen Brot. Er fühlte sich wie in Trance, während er sich von allen Speisen etwas auftat und das Essen verschlang, sodass er nicht einmal bemerkte, wie die Hexe aus seinem Sichtfeld verschwand. 

Der Braten war das zarteste Fleisch, welches er jemals gekostet hatte, das in Butter geschwenkte Gemüse war aromatisch und er probierte sich immer weiter durch, ohne Hunger oder ein Völlegefühl zu verspüren. In seinem Hinterkopf hatte er immer noch seinen Plan—die Hexe töten. Doch umso mehr er aß, umso mehr er von dem süßen Wein trank, der ihm perlend die Kehle hinab rann, umso mehr verdrängte er diesen Gedanken, ohne das überhaupt zu wollen. Die verschiedenen Aromen verwöhnten seine Sinne, förderten das Gefühl der Trance und mit der Zeit vergaß er völlig, warum er überhaupt ursprünglich in diesen Wald gereist war. 

Erst die Rückkehr der Hexe an den Tisch lenkte seine Gedanken von dem reichen Essen ab und Jeongguk erstarrte, als er nicht mehr die junge Frau vor sich sah, sondern Jimin. 

Den Jungen mit den plumpen Lippen, dem seidigen Haar und dem schönen Lächeln. Und obwohl Jeongguk tief in seinem Inneren wusste, dass es nicht Jimin selber war, sondern die Hexe, stieg Verlangen in ihm auf. 

»Hat dir das Essen gemundet, Jeongguk?«, fragte Jimin—nein, die Hexe—und legte dabei ihren Kopf leicht schief, als sie ihn durch Jimins dunkle Augen hindurch beobachtete. Jeongguk verspürte Verwirrung, ein Chaos in seinem Inneren, nickte jedoch. Die Stimme der Hexe war nun tiefer, samtiger, handelte es sich dabei etwa um Jimins echte Stimme?

»Du sagtest, dass Jimin wirklich existiere«, brachte Jeongguk hervor, wobei er sich darauf konzentrieren musste, mit seiner schweren Zunge die Wörter zu bilden, »warst du es in der Taverne, oder er?«

Die Hexe hielt sich eine Hand vor den Mund, als sie melodisch lachte. Jeongguk musste gestehen, dass ihm das Lachen gefiel. Lachte Jimin auch so? »Dummerchen, denk nach. Der Zauber belastet dich mehr, als ich angenommen habe, du bist ja wirklich ganz verwirrt.« 

Jeongguk blinzelte. »Du redest, er tat es nicht. Also war er es selber in der Taverne.« Seine Stimme war lahm, merkwürdig verzerrt und klang in seinen eigenen Ohren sonderbar. War das der Zauber, von dem die Hexe sprach? 

»Hm«, summte die Hexe und Jeongguk erwischte sich selber dabei, wie sein Blick auf den Mund der Hexe huschte—auf Jimins sündhafte Lippen. Bei dem Anblick bildete sich Jeongguk ein, den Geschmack der Lippen des Jungen erneut auf seinen zu schmecken. »Du hast ganz Recht, junger Jäger. Der Junge in der Taverne, den du so leidenschaftlich geliebt hast, war wirklich Jimin.«

Bei den Worten durchströmte Jeongguk Erleichterung. »Wo ist er?«, hörte er sich selber fragen—seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren begierig.

Erneut erfüllte das melodische Lachen die Hütte. »Du weißt die Antwort selber, nicht wahr? Du bist kein dummer Junge, Jeongguk. Ich weiß, dass du die Fäden schon lange miteinander verbunden hast.«

Sie hatte Recht. Jeongguk schluckte. Er wusste, wo Jimin war, auch wenn es zuerst nur eine Vermutung gewesen war, aber nun war er sich sicher. Der schwarze Schwan auf dem See; Jeongguk konnte sich den Zauber nicht erklären, aber es musste Jimin sein. 

»Ich konnte es nicht über mein Herz bringen, Jimin ebenso umzubringen wie die anderen törichten Männer, die mich erjagen wollten. So ein hübsches Gesicht wie seines findet man kein zweites Mal, das konnte ich nicht einfach vergeuden. Und dennoch war Jimin dumm genug, um mich in diesem Wald aufzusuchen.« Die Hexe strich sich Jimins samtige Haare aus der Stirn, während sie sich ein Stück zurücklehnte und ihren Blick dabei über Jeongguk gleiten ließ. »Der Junge bat mich tatsächlich um Hilfe. Ich sollte seinen kleinen Bruder heilen, jedoch schien er nicht gewusst zu haben, dass ich keine Heilerin bin. Du weißt, was ich bin, nicht wahr, Jeongguk? Sünde ist es, was meine Schwestern und mich erfüllt, dass wir uns an dem Verlangen unserer Opfer laben und nähren. Die Gabe zu heilen haben wir nicht und so gerne ich diesem hübschen Jungen geholfen hätte, so konnte ich es nicht.«

»Wieso hast du ihn nicht einfach gehen lassen, wenn du ihm nicht helfen konntest? Er war keine Bedrohung für dich, er wollte dich nicht erjagen«, erwiderte Jeongguk und er merkte, wie ihm die Worte ein wenig leichter über die Lippen kamen. 

Mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen schüttelte die Hexe ihren Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Ich war gütig ihm gegenüber, ich habe ihm am Leben gelassen. Er ist als Schwan fast genauso bezaubernd wie als Mensch, findest du nicht auch? So ein hübsches und elegantes Tier. Und in der Nacht gewähre ich ihm sogar seine ursprüngliche Gestalt, lediglich seiner Stimme musste ich ihm berauben, damit er niemanden von seinem Schicksal erzählen kann. Und dennoch«, die Hexe machte eine Pause und fing Jeongguks Blick auf, »hat er es geschafft, dir zu vermitteln, wer er ist. So ein cleverer Junge.«

Jeongguk konnte sein Blick nicht von dem Gesicht der Hexe—Jimins Gesicht—losreißen, während sie sprach. Er starrte sie weiterhin an, als sie sich erhob und in langsamen Schritten um den Tisch herum schritt, ehe sie sich erneut zu ihm hinunter beugte und mit ihren Fingerspitzen über sein Schlüsselbein fuhr. »Meinst du nicht, dass du eine hervorragende Gesellschaft für Jimin wärst? Ich bin mir sicher, dass du ein ebenso umwerfender Schwan wärst, wie du auch als Mensch bist. So ein schöner junger Mann, nicht wahr?« Ihre Finger strichen seine entblößte Brust hinab. Auch wenn sich Jeongguks Gedanken nicht mehr so träge anfühlten wie am Anfang, so gehorchte ihm sein Körper immer noch nicht. Und er wollte es nicht zugeben, doch die Berührungen der Hexe gefielen ihm, so waren es Jimins zarte Finger, die langsam seinen Oberkörper hinab strichen. Es waren bekannte Berührungen und Bilder der vergangenen zwei Nächte spielten sich dabei vor Jeongguks Innerem Auge ab, als er seine Lider schloss und sich der Hexe hingab. 

Er wusste, dass es falsch war. Durch irgendeinen Zauber hatte sich die Hexe den Körper des Jungen angeeignet, vielleicht war es auch nur eine Illusion und lediglich er nahm sie als Jimin wahr—und dennoch konnte Jeongguk sich nicht dagegen wehren. Die Drohung, dass er ebenfalls als Schwan enden würde, vergaß er dabei wieder. Dabei hatte er doch einen Auftrag, er musste die Hexe erjagen und Jimin retten!

Ein ungewolltes Stöhnen entkam seinen Lippen, als die Hand der Hexe weiter hinunter fuhr. Jeongguk sollte sich wehren, versuchen den Klauen der Hexe zu entkommen, den Zauber von sich zu werfen, doch stattdessen warf er seinen Kopf in den Nacken und dachte an Jimin. Wie konnte er auch nicht an den Jungen denken, wenn die Hexe dessen Äußeres angenommen hatte? Es war unumgänglich und er erwiderte den Kuss, als die Hexe ihre Lippen miteinander verband.  

»Oh Jeongguk«, murmelte die Hexe gegen seine Lippen. »Was ich doch für ein Glück habe, dass sie so einen hinreißenden und willigen Jäger wie dich geschickt haben, mich zu erjagen.«

Jeongguk hatte beinahe verdrängt, dass es nicht Jimin war, als sich die Hexe auf seinem Schoß niederließ und sie den Kuss vertieften. Seine Hände hatte er um die Hüfte von Jimin geschlungen und er fuhr unter das lockere Hemd, welches den Oberkörper von Jimin bedeckte. Ihm war die warme, makellose Haut unter seinen Fingerkuppen so vertraut und dennoch zugleich fremd. 

Das war nicht Jimin. Er wusste es und dennoch wurde es ihm nicht so recht bewusst, als er zuließ, dass die Hexe die Schnüre seiner Hose löste und mit ihren Händen sein Glied umgriff. 

»Selten habe ich so eine Begierde verspürt, so ein Verlangen, welches mich so gut sättigt. Ich kann dich nicht gehen lassen, Jeongguk.«

Ihn erreichten die gemurmelten Worte der Hexe kaum, während er sich einfach nur der Lust hingab. Selbst nach den zwei Nächten, die er mit Jimin verbracht hatte, konnte er nicht genug von ihm bekommen. Und auch wenn die Lippen fremd schmeckten und seinem Haar ein anderer Geruch anhing, spürte er Jimins Körper unter seinen Händen, mit denen er über seine muskulösen Oberschenkel strich. 

Er reagierte auf Jimins Körper wie auf ein Aphrodisiakum, sein Verstand rückte immer mehr in den Hintergrund, während seine Instinkte und sein Verlangen immer mehr die Überhand gewann. 

Er wusste, dass die Hexe ihn verzaubert hatte. Irgendein Zauber, irgendein Bann lag auf ihm, und er fand keinen Weg, sich dagegen zu wehren, während sich Jimins sündhafte Lippen um seinen Schwanz schlossen und jeglichen Gedanken aus seinem Kopf vertrieben. 

Als er zum Höhepunkt kam, löste sich die Hexe von ihm und taumelte einen Schritt zurück, ehe sie tief seufzte und mit ihrem Handrücken über Jimins volle Lippen fuhr, wobei ihr Blick glasig war. 

»Deine Lust ist vorzüglich, junger Jäger«, schnurrte sie. Jeongguk hingegen registrierte ihre Worte kaum und blickte einfach nur in Jimins gerötetes Gesicht. Die befeuchteten Lippen und die rötlichen Wangen—dieser Anblick kam ihm nur allzu bekannt vor. 

Seine Gliedmaßen reagierten, wenn auch etwas träge, als Jeongguk die Schnüre seiner Hose verschloss und begann, sein Wams wieder zuzuknöpfen. Dabei wurde ihm bewusst, dass nicht nur der Wille in seine Arme und Beine zurückgekehrt war, sondern sich auch seine zuvor vernebelten Gedanken—die Trance—langsam von ihm hob. Sein Blick huschte zu seinem Degen, der zu Boden gefallen war und neben seinem Stuhl auf dem Boden lag. 

Die Hexe hatte ihm lediglich den Dolch entwendet, den er über sein Wams um die Brust geschnallt getragen hatte, jedoch schien sie sich darauf zu verlassen, dass ihr Zauber stark genug war, als dass Jeongguk nicht wieder Herr seiner eigenen Gedanken wurde; doch damit hatte sie sich geirrt. Er musste die Chance ergreifen, nach seinem Degen greifen oder den Dolch aus seinem Stiefel ziehen, nach vorne hechten und der Hexe die Waffe in ihr Herz rammen—doch die Hexe steckte immer noch in Jimins Körper. Und auch wenn es eine andere Situation war, als die, welche Jeongguk zuvor befürchtet hatte—dass er die Hexe nicht umbringen konnte, wenn sie sich als Jimin entpuppen sollte—so befand er sich nun in einem ähnlichen Dilemma. 

Er wusste, dass es nicht Jimin war. Es war lediglich das Äußere, welches sich die Hexe durch irgendeinen Zauber, irgendeine Magie, angeeignet hatte. Und dennoch zögerte er. Er konnte niemanden ein Dolch ins Herz rammen, der Jimin widerspiegelte. Den Jungen, der das Unmögliche geschafft hatte—der sich auf unerklärliche Weise in Jeongguks Gedanken und Herz geschlichen hatte, ohne dass er das wollte. 

Aber würde er Jimin nicht befreien, wenn er die Hexe erjagte? Jimin stand unter ihrem Bann und wenn er die Hexe umbrachte, musste dieser Bann doch gebrochen werden, nicht wahr? Jeongguk war sich unsicher, er wusste zu wenig über Hexen. Er ging davon aus, dass es so war—tötete er die Kraft hinter dem Bann, brach dieser. Und wenn er sich irrte? Wenn Jimin genauso sterben würde, weil er noch gefangen war in dem Bann und er die Hexe tötete? 

Welche Wahl blieb ihm? Wenn er zögerte, erwartete ihn das selbe Schicksal wie dem Jungen, das hatte ihm die Hexe angedroht; er würde ebenfalls als Schwan enden, tagsüber gefangen sein in dem Körper des Tieres und lediglich bei Nacht seinen menschlichen Körper zurückerlangen. Sie würde ihm ebenfalls die Stimme stehlen und Jimin und er würden so lange dieses Schicksal fristen, bis die Hexe starb—und wenn Jeongguk sie nicht erjagen konnte, bezweifelte er, dass es jemand anderes schaffen würde. Der Händler hatte selber gesagt, dass er ihre einzige Hoffnung war. 

Er musste sich entscheiden. 

Jeongguk beobachtete die Hexe dabei, wie sie sich selber einen Becher des honigsüßen Weines einschüttete und diesen trank. Er wünschte sich, dass sie sich einfach zurück verwandelte, doch wenn er sie danach fragte, würde sie verdacht schöpfen und bemerken, dass ihr Zauber auf ihm nachließ. Hatte es vielleicht an dem Essen gelegen? Jeongguks Blick huschte für einen Moment auf die restlichen Speisen, die immer noch auf dem Tisch stehend darauf warteten, verspeist zu werden. Je mehr er von dem verlockenden Essen vertilgt hatte, desto mehr war er in die Trance verfallen und hatte die Kontrolle über seine Gedanken verloren. 

»Willst du auch noch einen Schluck, Jeongguk?«, fragte die Hexe und goss ohne auf seine Antwort zu warten etwas von dem Wein in sein Glas. Sie trat zu ihm und reichte ihm das Glas, doch anstatt es anzunehmen, griff Jeongguk in ihren Nacken und zog sie zu sich hinunter. Der Hexe entkam ein Laut der Überraschung, doch als Jeongguk seine Lippen mit ihren—mit Jimins—verband, erwiderte sie seinen Kuss. 

Verlangend presste Jeongguk ihre Lippen aufeinander, biss in die plumpe Unterlippe und zog die Hexe näher zu sich.

Und dann rammte er der Hexe seinen Dolch in ihr Herz. 

Im nächsten Augenblick geschahen zwei Dinge. Die Hexe griff nach dem Dolch in ihrer Brust und legte ihre Hände um den Griff, jedoch verließ sie die Kraft, bevor sie die Waffe aus ihrer Brust hinaus ziehen konnte. Stattdessen strauchelte sie einen Schritt zurück und Jeongguk beobachtete sie—immer noch in Jimins Körper—dabei, wie sie langsam zu Boden sackte. Ihr Mund war geöffnet, jedoch verließ kein einziger Laut ihre Lippen, als sie auf dem Holzboden ihrer Hütte in sich zusammen fiel. 

Jeongguk schmerzte der Anblick. Er war es nicht gewöhnt, dass die Kreaturen die er erjagte, menschliche Züge hatten. Sie waren Tiere, aber die Hexe war das erste Geschöpf, welches er umbrachte und in ihm das Gefühl auslöste, als tötete er einen Menschen. Was es noch schlimmer, gar schmerzhaft machte, war der Anblick, dass die Hexe immer noch in Gestalt von Jimin war. 

Er wusste, dass es nicht wirklich der Junge war, der vor seinen Füßen reglos auf dem Boden lag und um den sich langsam eine dunkelrote Blutlache ausbreitete und dennoch versetzte der Anblick Jeongguk in einen Schock. 

Jimins Brustkorb hatte aufgehört sich zu heben und zu senken und seine Augen blickten regungslos nach vorn, jedoch konnte Jeongguk nichts anderes machen, als einfach nur auf ihn hinab zu starren. Auf den Jungen, der es irgendwie geschafft hatte, sich in kürzester Zeit in sein Herz zu schleichen. 

Behielten die Hexen ihre letzte Gestalt bei, auch wenn sie starben? War die junge Frau, in dessen Gestalt ihm die Hexe begegnet war, überhaupt die ursprüngliche Gestalt von ihr? Oder war auch sie nur ein gestohlener Körper gewesen? Jeongguk wusste auf seine Fragen keine Antwort, als er sich zu Jimins leblosen Körper hinab beugte und den Puls überprüfte. 

Tot. 

Jimin—nein, die Hexe—war tot. Er hatte seinen Auftrag erfüllt, er hatte die Sündenhexe erjagt. Jetzt musste er sie noch verbrennen und seine Aufgabe wäre erledigt. 

War war mit Jimin? Das bloße Denken an den Jungen beunruhigte ihn. Er konnte nur hoffen, dass er ihm nicht geschadet hatte, in dem er die Hexe umgebracht hatte. Er würde zu dem See reiten, sobald er das hier erledigt hatte, aber sicher sein, dass Jimin dort war—wenn er lebte—konnte er sich nicht. Doch bevor er aufbrach, musste er noch genug Holz zusammensuchen, um die Hexe und somit den gestohlenen Körper von Jimin zu verbrennen. 

Es war eine Tortur einen Körper zu verbrennen, von einer Person die man kannte—nach der man sich sehnte. Jeongguks Augen brannten, als er in die züngelnden Flammen starrte und sich schließlich von dem grausamen Anblick abwandte. Zu seiner Erleichterung stand Tarqeq noch genau dort, wo Jeongguk ihn angebunden hatte. Er begrüßte das Tier mit einem Tätscheln der Kruppe und löste dann das Zaumzeug von dem Ast. 

Er wollte den Wald einfach nur noch hinter sich lassen. Er wollte Jimin finden, ihn zurück in das Dorf bringen und dann...Jeongguk wusste nicht, was er dann tun wollte. Sollte er einfach den nächsten Auftrag annehmen und Jimin vergessen, wenn er noch lebte? Wenn er das alles überstanden hatte?

Fahrig fuhr sich Jeongguk durch sein Gesicht und schwang sich in Tarqeqs Sattel. Sie traten den Rückweg durch den Wald an, diesmal jedoch mit einem Abstecher zu dem See und Jeongguk legte da so viel Hoffnung rein; Hoffnung, dass er Jimin wirklich wiedersehen würde. Und das ohne den Bann, der auf ihm geruht hatte. 

Nervosität ergriff Jeongguk, als sie dem See immer näher kamen und es mischte sich Angst hinzu, als er keinerlei Geräusche von dort vernahm. Kein Geschnatter. Entweder hatte sich Jimin tatsächlich zurück verwandelt, oder...

Jeongguk wollte diesen Gedanken nicht zu Ende bringen. 

Ein Ruck riss ihn zurück in die Gegenwart, als Tarqeq über eine Wurzel stolperte, weil Jeongguk nicht aufmerksam genug das Tier gelenkt hatte. Er klopfte dem Pferd leicht den Hals und als er hochschaute, hatten sie die Lichtung mit dem See bereits fast erreicht. Sie traten aus den Bäumen hervor und Jeongguks Blick huschte augenblicklich über die Oberfläche des Sees. 

Er konnte weder den Schwan entdecken, noch den Jungen. 

Jeongguks Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als er von Tarqeq Rücken hinab sprang und zu dem See eilte. Er spürte Panik in seinem Inneren aufkeimen, dabei versetzte ihn nie etwas in Panik, komme was wolle. Jeongguk war niemand, der sich durch irgendetwas aus der Ruhe bringen ließ—doch in diesem Moment, als er der Annahme war, dass Jimin nicht hier war und auch nicht der Schwan, fühlte er die Panik in Wellen über seinen Körper schwappen. 

Eine Bewegung an einem der Felsen, die das Seeufer säumten, lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Und dort, im Schatten des Felsen verborgen, kauerte eine Gestalt. 

»Jimin!«

Jeongguk eilte auf den Jungen zu, der schützend seine Arme um seine entblößten Beine geschlungen hatte. Seine schwarzen Haare trieften vor Wasser und Jeongguk war der Annahme, dass der Schwan seine Bahnen über die Seeoberfläche gezogen hatte, als der Bann gelöst worden war. 

Der Bann war gelöst! Es war helllichter Tag und dennoch saß Jimin schlotternd vor ihm auf dem Boden. Wortlos reichte Jeongguk dem Jungen seinen Mantel und ging vor ihm in die Knie, um ihn den Stoff um die Schultern zu legen, wobei ihre Blicke sich trafen.

Jimin war bei Tageslicht noch atemberaubender. Und nicht einmal die Tatsache, dass seine Haut und Lippen blass—gar farblos—vor Kälte waren und sein Haar feucht, so war er dennoch der schönste Mensch, auf den Jeongguk jemals seinen Blick hatte werfen dürfen.   

»Ich hatte so eine Angst um dich«, gestand Jeongguk und schlang seine Arme um Jimin, der sein Gesicht in Jeongguks Schulter presste, als Schluchzer seinen Körper erschütterten. Jeongguk sog den Duft des Jungen in sich auf und verstärkte den Griff seiner Arme um seinen Oberkörper.

»Die Hexe ist tot.«  

Jimin löste sich von ihm und erneut trafen sich ihre Blicke. Die Röte war auf die Wangen des Jungen zurückgekehrt und Jeongguk konnte dem Verlangen nicht widerstehen, sanft über seine Wange zu fahren. »Du bist frei.«

Tränen glänzten in Jimins Augen. Jeongguk wusste nicht, ob aus Freude, Erleichterung oder auch Schock, doch es war ihm gleich. Jimin war den Bann los—er war wieder ein Mensch, ohne jeden Tag in dem Körper eines einsamen Schwans gefangen sein zu müssen. Und seine Stimme...

Jeongguk erstarrte, als ihm bewusst wurde, dass Jimin zuvor geschluchzt hatte—er hatte es gehört! 

Anstatt etwas zu sagen, küsste Jimin ihn. Seine Lippen waren kalt gegen Jeongguks und dennoch schloss er seine Lider und genoss jede einzelne Sekunde, in der er Jimins sündhafte Lippen gegen seine gepresst spürte. Es fühlte sich vertraut an, und dennoch anders. Es war ein Unterschied, ob man mitten in der Nacht, in der mysteriösen Dunkelheit der Abendstunden, jemanden lusterfüllt küsste, mit ein und dem selben Ziel, oder am Tag, ohne Hintergedanken. Einfach, weil man es wollte; weil einem die Person etwas bedeutete. 

Und Jeongguk wollte nie wieder aufhören Jimin zu küssen. Und das wurde ihn in diesem Moment bewusst. 

Als sie sich voneinander lösten, lag ein sanftes Lächeln auf Jimins Lippen und Jeongguk konnte nicht anders, als es zu erwidern. Ihre Gesichter waren sich noch so nah, dass sie den Atem des jeweils anderen spürten und Jeongguk legte seine Hand an Jimins Wange, die immer mehr ihre ursprüngliche natürliche Rötung zurückerlangte.  

»Jeongguk.«

Jimins Stimme war kaum mehr als ein leises Raunen, fast ein Flüstern, und dennoch jagte sie Jeongguk einen Schauer über den Rücken, als sie in seinen Ohren erklang. Er schloss für einen Augenblick seine Augen und presste seine Stirn gegen Jimins. 




»Sieh an«, murmelte er sanft. »Mein kleiner Schwan spricht endlich.«










E N D E

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