18. Kapitel: "Spritzen, direkt in die Vene."

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„Du bist so ein Vollidiot", exklamiert Vincent und ich seufze geräuschlos.

Jetzt geht's also los.

„Wann wirst du lernen, dass man nicht aus Nostalgie mit Leuten schläft?" Mein bester Freund schüttelt den Kopf über mein Benehmen und ich versuche nicht auf Durchzug zu schalten, während ich ihn mustere. Er steht ans Geländer gelehnt auf dem oberen Treppenabsatz und starrt mich fassungslos an. Schuldbewusst sinke ich ein Stück tiefer in die Polster der schwarzen Ledercouch, auf der ich im Schneidersitz hocke.
„Habt ihr wenigstens verhütet, oder hast du dir noch ein Kind ans Bein binden lassen gestern?", fragt Vincent provokant.
„Vince", schneide ich ihn dementsprechend scharf. Das geht eindeutig zu weit, ich verstehe seinen Ärger, aber wir können in einem normalen, angemessenen Ton über das reden, was ich mir gestern mit Alexa geleistet habe. Vincent nickt einsichtig, er hat es wohl selbst begriffen, und fährt sich durch die Haare.
„Du kannst einen echt wahnsinnig machen." Ich drücke wortlos meine Zigarette im Aschenbecher aus.
„Ja, wir haben verhütet", antworte ich letztlich doch auf seine Frage. Vincent trottet zu mir rüber und setzt sich neben mich.
„Das kannst du nicht machen. Du kannst nicht wieder regelmäßig Sex mit deiner Ex-Freundin haben. Bitte sorg dafür, dass das 'ne einmalige Sache war."

„Alles in Ordnung bei euch?" Charlotte kommt gerade aus der Küche, sie hält eine Tasse Kaffee in den Händen. Heute wollte sie den Nachmittag bei uns im Studio verbringen und für einen Artikel im Netz recherchieren, sie ist Journalistin.
„Ja, ja", winkt Vincent genervt ab. Seine Freundin gesellt sich zu uns, stellt sich genau vor ihn und krault seinen Kopf. Ich lese ein Mü Belustigung aus ihrer Miene ab, als sie sich an mich wendet.
„Wie machst du das bloß? Ich kriege ihn nie so wütend." Sie deutet auf Vincent und ich lecke mir über die Lippen, ziehe den Aschenbecher auf dem Tisch ein Stück näher zu mir ran.
„Tu einfach was Dummes. Falls du einen heißen Tipp brauchst, von welchem Kaliber deine Verfehlung ungefähr sein sollte: Ich schlafe mit meiner Ex-Freundin, liebe aber eine andere Frau", sage ich trocken die Wahrheit. Charlottes Mundwinkel zucken daraufhin ein kleines bisschen. Sie weiß anscheinend nicht, ob meine Aussage dazu gedacht war, sie zum Lachen zu bringen oder nicht.
„Das war keiner seiner blöden Witze", informiert Vincent sie hilfsbereit und ihr Gesicht verwandelt sich von der einen auf die andere Sekunde in eine weiße Wand. „Du, Chacha ... Schlaf nicht mit deinem Ex, wenn du mich noch liebst, okay?", murmelt Vincent frustriert, zieht sie auf seinen Schoß und schlingt beide Arme um ihre Taille. Charlotte mustert mich.
„Etwa deine Nachbarin? Die mit dem kleinen Jungen, den du manchmal babysittest?"
„Genau die", kräht Vincent dazwischen. „Wenn du mich wütend erleben willst, musst du dich nur wie Dag ständig in Erinnerungen an deine erste große Liebe suhlen."
„Ich rühre keinen anderen Mann an und das weißt du auch. Mein Ex-Freund ist nicht mein Nachbar –", antwortet sie, doch Vincent schnalzt missbilligend mit der Zunge und unterbricht sie unhöflich.
„Und wenn dein Ex dein Nachbar wäre, sähe die Sache aber schon ganz anders aus, oder wie?" Charlotte verdreht die Augen.
„Mann, halt jetzt die Klappe, ich unterhalte mich hier gerade mit deinem Kumpel", ermahnt sie ihn und ignoriert sein empörtes Japsen. „Wie empfindest du für deine Ex?", stellt sie mir stattdessen prompt die Frage, vor der mir graut, seit ich angefangen habe vom vergangenen Abend zu erzählen.
Unangenehm berührt verlagere ich mein Gewicht nach vorn, stütze die Ellbogen auf die Knie und drücke den Kippenstummel aus.

„Ein Teil von mir wird sie immer lieben", zucke ich die Schultern.
„Ein Teil reicht nicht, um mit ihr zu schlafen", mischt Vincent sich wieder ein und diesmal nickt Charlotte gewichtig.
„Du solltest offen mit ihr darüber sprechen, dass ihr das jetzt nicht unbedingt wiederholen solltet", schlägt sie vor. Vincent schnaubt.
„Das packt er nicht. Er quatscht dir das Blaue vom Himmel runter, aber wenn's ans Eingemachte geht, ist die Birne wirklich hohl", verurteilt er mich. Er klopft mir gegen den Kopf und ich zucke zur Seite weg.
„Dicka, bist du bescheuert?", zische ich.
Charlotte grinst amüsiert, ihre Augen liegen auf ihrem Freund.
„Sag nichts", knurrt der und sie hält sich daran, allerdings sehe ich keinen Grund Vincent zu schonen, nachdem er mich vor Charlotte bloßgestellt hat.
„Du sprichst also aus Erfahrung", ziehe ich die richtigen Schlüsse aus ihrem verschmitzten Gesichtsausdruck. Verärgert schiebt mein bester Freund Charlotte von seinem Schoß runter. Genervt wendet sie sich von ihm ab. „Danke für nichts", ruft er ihr nach, als sie sich auf den Weg zurück in die Küche macht.
Sie zeigt ihm schweigend den Mittelfinger und ich bemerke die Unsicherheit, die sich in seinen Blick schleicht.

Escape the FriendzoneWhere stories live. Discover now