Kapitel 1 - Ein Neuanfang

599 28 10
                                    

Der Krieg zwischen der Feuernation und dem Rest der Welt war inzwischen schon seit etwa einem Monat beendet. Im nördlichen Wasserstamm hielt ich es nun nicht mehr länger aus und hatte mich entschlossen, endlich meinen eigenen Weg zu gehen. Während des Kriegs hatte ich helfen müssen, meinen Stamm mithilfe meiner Wasserbändigungskräfte zu verteidigen, doch nun war die Welt wieder friedlich und sicher, ich konnte also sorglos umherreisen.

Die wohl größte und schönste Stadt auf der ganzen Welt lag im Erdkönigreich: Ich wollte unbedingt nach Ba Sing Se. Ein anderes Land zu besuchen war mir vorher nicht möglich gewesen, also war ich sehr aufgeregt, eine neue Kultur kennenlernen zu können. Ein neues Leben anfangen und frei von den alten Traditionen meines Stammes sein, das war alles, was ich wollte. Leider gab es nur ein Problem: Ich war heimlich abgehauen und hatte in meiner Hektik vergessen, Geld mitzunehmen. Wie es aussah, musste ich nun wohl nicht in einem schönen Haus dieser Großstadt meine Nacht verbringen, sondern in der Gosse...

Klatsch! Mit einem Mal flog mir ein Flyer ins Gesicht. Ich nahm ihn in die Hand und las leise vor mich hin, was darauf stand: „Aushilfe im Teeladen Jasmindrache gesucht. Bezahlung liegt bei zwei Silbermünzen die Stunde. Bei Interesse, melden Sie Sich bitte zu Geschäftszeiten bei Mushi."

„Hmm... zwei Silbermünzen die Stunde ist gar nicht mal so schlecht, aber da muss ich erst eine Weile sparen, bis ich mir eine Unterkunft leisten kann... Na ja, was soll's. Etwas besseres finde ich auf die Schnelle garantiert nicht.", sagte ich und machte mich sofort auf zu besagtem Teeladen.

Der Laden lag zu meiner Überraschung im oberen Ring der Stadt und sah sehr edel aus. Da die Flyer sogar im unteren Ring verteilt worden waren, hätte ich nicht gedacht, dass das hier so eine Schicki-Micki-Bude war. Ob die mich überhaupt einstellen würden? Immerhin sah ich nach meiner tagelangen Reise ganz schön heruntergekommen aus und Berufserfahrung hatte ich auch nicht. Das einzige Talent, was für mich sprach, war das Wasserbändigen, aber ob das wirklich hilfreich war? Damit könnte ich dafür sorgen, dass kein Tee verschüttet wird, aber das war's dann auch.

„Setzt du dich, oder hast du vor, hier noch ewig im Eingang rumzustehen?", fragte mich ein sarkastischer junger Mann mit einem großen Brandmal im Gesicht.

„Oh, Entschuldigung.", sagte ich ertappt. „Ich suche eigentlich einen gewissen Herrn Mushi. Bei ihm soll man sich doch bei Interesse an der freien Stelle melden."

„Freie Stelle?", entgegnete er ungläubig. „Davon weiß ich nichts. Wir kommen hier sehr gut ohne weitere Hilfe klar."

Plötzlich trat ein nett aussehender, älterer Herr aus einer Tür hinter der Theke hervor und sprach ruhig: „Na, na, mein lieber Neffe. Du musst doch nicht gleich so unhöflich sein. Was der junge Mann hier sagt, stimmt. Ich habe Flyer in der Statt verteilt, um nach einem fähigen Kellner und Teekoch zu suchen."

Der Junge erzürnte. „Aber wieso das denn? Ich dachte wir wollen das hier nur zu zweit machen!"

„Aber Neffe, du weißt doch auch, dass du nicht jeden Tag hier sein kannst. Du hast daheim viel Wichtigeres zutun."

„Dann machst du an den Tagen, an denen ich weg bin, einfach zu!"

„Die Leute freuen sich auf meinen Tee, das kann ich ihnen doch nicht antun. Außerdem ist unser Geschäft schon so beliebt, dass wir auch, wenn du da bist, kaum alleine auskommen. Eine weitere helfende Hand wäre mir da sehr willkommen." Als er das sagte, lächelte der alte Mann mich an, doch der Junge knurrte nur vor sich hin.

„Na, dann komme ich doch ganz gelegen, nicht?", entgegnete ich. „Ich würde mich gerne um die Stelle bewerben-." Doch noch bevor ich fertig war, wurde ich schon unterbrochen: „Wenn wir schon jemanden einstellen, dann wenigstens jemanden, der nicht so schmuddelig aussieht. Wo hast du denn die Flyer verteilt, Onkel, etwa im unteren Ring?!"

„Um ehrlich zu sein, ja. Ich habe sie in der ganzen Stadt verteilt. Es ist mir nicht wichtig, wie reich jemand ist, oder wie er aussieht, sondern bloß, wie groß seine Liebe zu Tee ist."

Der Junge schlug sich grummelnd die Hand vor die Stirn und gab schließlich auf. Währenddessen sagte ich begeistert: „Oh, ich liebe Tee! Wenn ich es könnte, würde ich nichts anderes trinken. Daheim im nördlichen Wasserstamm gibt es einige Teesorten und Zubereitungsarten, die ihr sicherlich nicht kennt. Vielleicht könnte ich sie euch ja zeigen."

„Siehst du meine Neffe.", strahlte der Alte und klatschte sich in die Hände. „Wie ich immer so schön sage, ein Mensch, der Tee mag, kann nur ein guter Mensch sein."

„Das hast du noch nie gesagt, Onkel...", murmelte er, doch wurde nicht weiter beachtet.

„Aber was führt einen jungen Mann wie Sie vom weit entfernten Nordpol bis hierher?"

„Nun, ich wollte mal aus meiner Heimat herauskommen und etwas erleben. Und welche Stadt wäre dafür besser geeignet als diese? Immerhin singt man ja auch ‚Es ist furchtbar weit bis nach Ba Sing Se, doch nirgends sind die Mädchen so hübsch wie in diesem Städtchen.'"

„Oh Ja, das Lied kenne ich!", rief der Mann munter und begann sofort, mitzusingen: „‚Und sie küssen so gut, haben sie Pfeffer im Blut, die Mädchen von Ba Sing Se!'" Als wir fertig waren, rollte sein Neffe nur mit den Augen, doch wir beiden mussten herzlich lachen.

„Darf ich fragen, wie Sie heißen, junger Mann?"

„Mein Name ist Kai. Und Sie sind Mushi, richtig?"

„Genau, und das hier ist mein Neffe Lee. Es tut mir wirklich leid, dass er heute so unhöflich zu Ihnen war. Ich hoffe, dass ihr euch in Zukunft besser versteht... denn ich möchte Sie als Aushilfe hier im Jasmindrachen einstellen."

Ich konnte es fast gar nicht glauben, so glücklich war ich. „Oh, tausend Dank, Herr Mushi!"

„Bitte, nenn mich doch einfach Onkel. Weißt du, du erinnerst mich sehr an meinen Sohn. Er war auch ein großer Teeliebhaber." Einen Moment lang schien ein trauriger Schimmer über seine Augen zu huschen, doch er war so bald wieder weg, dass ich es mir auch nur eingebildet haben könnte.

„Gut, Onkelchen! Dann musst du mich aber auch duzen."

Er lachte, bevor er sagte: „Natürlich, mein Junge."

Wir hatten uns noch eine ganze Weile unterhalten, sodass es inzwischen finstere Nacht und der Laden schon längst geschlossen war. Ich hatte erfahren, dass ich morgen mit arbeiten anfangen sollte, also wäre es langsam an der Zeit, ins Bett zu gehen. Oder eher in die Gosse...

„Na gut, Onkelchen, ich gehe dann lieber mal. Ich muss mir noch einen Schlafplatz suchen."

„Warte, heißt das etwa du hast noch keine Unterkunft?"

„Nein...", sagte ich peinlich berührt. „Ich habe bei meiner Abreise leider vergessen, Geld mitzunehmen."

„Ich kann doch nicht verantworten, dass mein Angestellter auf der Straße schlafen muss. Möchtest du nicht eine Weile in Lees Zimmer bleiben, bis du etwas gefunden hast? Im Gegensatz zu meinem sollte es groß genug für zwei sein."

„Aber Onkel!", beschwerte sich sein Neffe sogleich.

„Danke für das Angebot...", sagte ich mit einem etwas enttäuschten Lächeln. Ich hatte mich schon gefreut, ein Dach überm Kopf zu haben, aber ich wenn er es nicht wollte, konnte ich doch nicht einfach in seinem Zimmer schlafen. „Dass ihm das unangenehm ist, kann ich verstehen, immerhin kennen wir uns ja kaum. Ich werde schon etwas anderes finden."

Ich war dabei, den Teeladen zu verlassen, als mich jemand ein wenig unsanft am Handgelenk packte. Es war der Neffe, welcher sagte: „Warte. Ich hab nie gesagt, dass du nicht darfst."

„Aber ich dachte du hast was gegen mich?"

„Das hat damit nichts zutun.", entgegnete er. „Ich habe einen Freund, der mir gelehrt hat, wie wichtig es ist, sich nicht von Hass leiten zu lassen und anderen zu helfen. Du darfst ein paar Nächte in meinem Zimmer bleiben."

„Wow.", stieß ich verblüfft aus.

„Was ist? Bist du überrascht davon, wie großherzig ich sein kann?"

„Nein, ich war nur erstaunt, dass du Freunde hast."

Zornig grummelte er mich an, doch sagte schließlich nichts weiter, sondern zog mich einfach bis zu meinem neuen Schlafplatz hinter sich her.

Liebe & Tee in Ba Sing Se (Zuko x Male OC)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن