Upside Down

(3)

Copeland

"Du willst also neu anfangen?", frage ich skeptisch und muster ihn. "Und was wenn ich dich jetzt will? Hier und jetzt?", flüster ich ihm verführerisch ins Ohr.
"Ich würde nicht nein sagen!", grinst er. Ich sehe ihn an, rolle mit den Augen und schließe die Tür.
Dann richte ich mein Zimmer ein, bevor ich zum Essen gehen.
Ich habe mir flauschige Hausschuhe angezogen, die ein wenig an Stiefeletten erinnern, in einem dunklen schwarz, über einer grauen Jogginghose, mit einem Holzfällerhemd, bis obenhin zugeknöpft. Ich hole mir das Abendbrot auf einem Tablet, bevor ich mich an einen einzelnen Tisch in der Ecke setze. Er ist ein wenig dreckig, aber das Essen sieht genauso wenig appetitlich aus. Der Kartoffelbrei ist flüssig und auch der Rest sieht aus wie aus der Tüte. Seufzend schiebe ich das Zeug zur Seite, stattdessen hole ich mein Buch hervor, setze meine Brille auf und fange an weiterzulesen. Hier ist es ein wenig ruhiger und keiner interessiert sich für mich.
"Du spielst mit mir!"
"War ja auch zu schön um wahr zu sein.", murnel ich leise, bevor ich aufsehe. "Ahhh, du bist ja doch nicht so dumm wie ich dachte.", spiele ich übertrieben glücklich. Mit einer schnellen Bewegung sitzt Marc vor mir und sofort richten sich einige Blicke auf uns. Verblüfft schaue ich mich um.
"Hast du einen Magneten in dir, dessen Gegenstück in den Augen der anderen ist? Das ist faszinierend." Er grinst nur vor sich hin. "Marc! Wenn du nicht so ein übertriebener Arsch wärst, würde ich alles mit dir tun!", sage ich und stehe auf. Ich bringe mein Tablet weg und gehe nochmal zu meinem Tisch. Ich nehme mein Buch und möchte gerade gehen, als er mein Handgelenk zu fassen bekommt.
"Chris, mein Mitbewohner hatte Geburtstag und gibt eine Party, willst du kommen? Chloe ist auch da." Ich ziehe meine Hand weg, dann verlasse ich die Mensa und gehe in mein Zimmer. Ich packe meine Sachen zum duschen zusammen und gehe in den Waschraum.
"Copeland? Chris hat Geburtstag, kommst du mit feiern?", fragt Chloe, die gerade von dort wiederkommen zu scheinen. Widerwillig sage ich zu und mache mich fertig.
Ich föhne meine Haare trocken, bevor ich vorsichtig meine Perücke aufsetze.  Ich trage ein schwarzes Bralette aus Spitze, darüber eine Latzhose aus einem gebleichten Jeansstoff, darüber meine Hausschuhe. Ich setze meine Brille auf und ziehe ein Flanellhemd in Beige darüber. Meinen Pony mache ich ein wenig unordentlich, damit er nicht allzu unecht aussieht.
Als ich wieder raus gehe ist keiner auf dem Flur. Ich gehe zurück in mein Zimmer. Chloe sitzt dort, mit zwei anderen Mädchen. Ich lächel knapp, bevor ich mich auf mein Bett

schmeiße und meinen Laptop hoch fahre.
"Das sind Felix und Lucy.", spricht Chloe, nach einer langen Minute des Schweigens.
"Copeland.", lächel ich zurück. Ich nehme mein Handy und drücke eine Nummer, während ich auf meinem Laptop tippe. "Hey, Babygirl.", grinse ich, als ein kleines Mädchen mir antwortet. "Ist dein Bruder da?"
"Hey, Prinzessin.", ertönt kurz darauf eine männliche Stimme. Grinsend schüttel ich den Kopf.
"Nenn' mich nicht immer Prinzessin, Quinn."
Q: "Okay, ich lasse es. Was ist los?"
C: "Ich brauche ein Karte. Also, wann hast du Schulschluss?"
Q: "Schulschluss? Nachdem du gegangen bist, habe ich die Schule abgebrochen."
C: "WAS?! Quinn, so läuft die Scheiße nicht. Du wirst deinen Arsch zurück in die Schule bewegen. Du hast nur noch dieses eine Jahr. Nur, weil ich jetzt hier fest sitze, heißt das nicht, dass du aufgeben darfst."
Q: "Lass uns das später besprechen. Bitte. Ich kann dich am fünf abholen." Er legt auf und lässt mich zurück. Seufzend bestelle ich mir ein Zugticket.
"Alles okay, Copeland?", fragt Chloe von der anderen Seite.
"Hmh, ja." murmel ich nur.
"Wo gehst du hin?" Ich zucke mit den Schultern und schließe die Tür. Ich laufe einfach ein paar Gänge entlang. Überall hängen ein paar Bilder, von Schülern, an den Wänden. Fasziniert betrachte ich sie, bis ich vor einem stehen bleiben. Es zeigt eine leicht bekleidete, weibliche Person, umrandet von Rosen. Sie trägt anzügliche Unterwäsche, und Netzstrümpfe, befestigt an ihrem Höschen. She got a rose tattoo but shee keeps it covered steht dabei. Ich beiße mir auf die Lippen, während ich es betrachte.
"Coco?", ruft jemand. Geistesabwesen, reagiere ich nicht. "Coco!", wiederholt die Stimme. Jetzt erst drehe ich mich verwirrt um. Keiner nennt mich Coco, erstrecht nicht hier, wo kaum einer meinen Namen kennt.
"Ich heiße Copeland..", murmel ich leise, als die Person tatsächlich vor mir stehen bleibt.
"Oh bitte, ich weiß, dass du das gezeichnet hast. Als Coco. Jeder hier kennt Coco. Das Internat ist voll von deinen Bildern.", erklärt der Junge aufgeregt. Verlegen sehe ich auf den Boden.
"Woher weißt du, dass das meine Bilder sind?"
"Ich weiß alles über jeden. George Michael Hood, angehender Journalist und Herausgeber der Internatszeitung. Mein Vater war schwul, bevor er es gewusst hat.", stellt sich der Junge vor und reicht mir seine Hand.
"Copeland Veil, das solltest du aber schon wissen." Lachend nickt er.
"Also, gibst du mir ein paar Informationen über dich und Marc? Jeder brennt darauf zu wissen, was das zwischen euch ist."
"Verpiss dich, George.", knurrt plötzlich jemand. Es ist Marc.
"Ah, klar. Ich hatte vergessen wie charmant du bist. Wieso fliegt nochmal jede auf dich?", fragt George ironisch.
"Hey! Das habe ich ihn auch schon gefragt. Du weißt doch alles, wenn selbst du keine Antwort darauf hast.", grinse ich, bevor ich die beiden Jungs einfach stehen lasse. Marc läuft mir nach und wir gehen zusammen zu Chris' Feier. Sie ist in einem kleinen Clubhaus. Alles ist gemütlich, unten, im Keller, gibt es einen Probenraum. Die Musik ist laut und alle reden, tanzen und trinken. Ich schaue mich um, da ich aber keinen kenne, nehme ich mir ein Bier und setze mich auf einen bequemen, alten Ohrensessel und beobachte das Treiben.
"Kann man das schon als alleine trinken bezeichnen?", ertönt plötzlich eine Stimme. "Komm mit runter. Wir spielen Wahrheit oder Pflicht.", lächelt Marc. Vielleicht liegt es an dem Alkohol, aber gerade wirkt Marc wirklich sympathisch.