Kapitel 18.3 - Das Versprechen des Todes

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Vorsichtig räusperte sich Kain, woraufhin die Urgöttin beinahe entrüstet ihren Kopf zu ihm drehte. »Bitte haltet mich aus eurem Konflikt raus. Das Einzige, was ich möchte, ist zurück nach Reamo zu gehen. Wir hatten eine Abmachung. Du erinnerst dich?« Zuletzt stemmte Kain eine Hand in die Hüfte.

Die Puppenspielerin biss sich auf die geschwollene Stelle ihrer Lippe, bevor sie den Kopf schüttelte. »Natürlich. Ich kann es nur nicht glauben, dass er mich betrogen hat.«

Kain zuckte mit den Schultern. Was sollte er darauf erwidern? Das Einzige, was ihn interessierte war, wie er zurück nach Reamo kam und ob er seine Unsterblichkeit behalten konnte. Es musste einen Ausweg geben, wie er sich ohne Nachteile aus der Situation winden könnte. Sonst hätten all seine Überlegungen in eine Sackgasse geführt.

Mit einem Seufzen entspannten sich Candelas Muskeln allmählich, trotzdem blieb ein Nachklang ihres Zorns weiterhin bestehen. Sie war wie ein schlafender Vulkan. »Wenn Lucifer die Quelle deiner Unsterblichkeit ist, ist es kein Wunder, dass das Ungleichgewicht erst Jahre nach deiner Begegnung mit ihm entstand.«

Der Auftragsmörder erinnerte sich an die Lücke in ihren Erzählungen. War die Antwort darauf tatsächlich so einfach?

»Aber du wirst das Problem lösen, oder?« In Kains Hals bildete sich ein Kloß. Der Moment der Entscheidung war gekommen und er hasste sich dafür, dass er so hilflos war wie einst in seiner Kindheit.

»Ich muss«, korrigierte Candela. Gold und Rot kämpfen um die Überhand in einem imaginären Krieg.

»Wie wäre es, wenn du einem anderen Menschen Unsterblichkeit gewährst?«

Sofort schüttelte die Herrin den Kopf, sodass eine Haarsträhne über ihre Schulter nach vorne fielen. »Du hast eine verkehrte Vorstellung vom Gleichgewicht der Welten. Einen unsterblichen Menschen sollte es nicht geben. Ein Fehler lässt sich nicht mit noch mehr Fehlern beheben.«

Die Krähe fühlte sich so, als hätte ein Jäger ihn mit seinem Gewehr getroffen. All der Aufwand, alle seine Bemühungen Lucifer hinters Licht zu führen, konnten nicht umsonst gewesen sein. Er konnte nicht als Sünder im Fegefeuer landen. Das hatte er nicht verdient. Er hatte gemordet und unter größter Vorsicht die Leichen auf ein Schiff geladen, das normalerweise Tag und Nacht bewacht wurde. Er war Zaz entkommen und hatte die schrecklichen Schreie der Sünder vernommen. Warum musste man diesen Erfolg von ihm nehmen? Kain hatte hart dafür gearbeitet und mehr als nur einmal sein Leben in Gefahr gebracht. Das konnte nicht alles umsonst gewesen sein.

»Du wirst sie mir wegnehmen«, murmelte Kain. Zu mehr fühlte er sich nicht in der Lage. Seine Glieder kamen ihm unfassbar schwer vor. »Ich werde nicht mehr unsterblich sein können.«

»Darauf läuft es wohl hinaus.« Candela legte nachdenklich eine Hand an ihr Kinn. Sie schien nicht zu verstehen, was in Kain vor sich ging. Wie sollte sie auch? Sie war eine Göttin, die Architektin der Welt, wie sollte sie die jemals die Gedanken eines Menschen nachvollziehen können? Irgendwie musste er Candela milde stimmen, aber zu welchem Preis kam sein egozentrisches Verhalten? Was war ihm wichtiger? Der Verlust seiner Leidenschaft oder seiner Unsterblichkeit?

»Das kannst du nicht machen«, knurrte Kain entrüstet, sobald er seine Sprache wiedergefunden hatte. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Aufwand und Kraft es erfordert hat, Unsterblichkeit zu erlangen.«

»Ich kann es mir nicht nur vorstellen. Ich weiß es sogar, aber inwiefern verändert das Reamos Situation? Das Leben ist nicht immer fair. Niemand auf dieser Welt erlebt nur Gerechtigkeit und wenn dem doch so wäre, hätte er das perfekte Leben.«

»Und du als Urgöttin könntest diese Gerechtigkeit schaffen.« Ein kleiner Teil von Kain wollte sich in Rage reden, egal, wie irrational dieser Gedankengang war. Er wollte Candela für all das Leid beschuldigen, das ihm widerfahren war. Er wollte all die Schmerzen herausbrüllen, aber er konnte es nicht. Egal, wie sehr er die Puppenspielerin verfluchte. Sie würde ihre Meinung nicht ändern.

Die blutrote KräheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt