3 - Die Dateien einer Mutter

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Mein Vater kniff die Augenbrauen zusammen. »Vielleicht haben die Menschen deshalb letzte Nacht so geschrien. Diese ... Infizierten haben sich auf sie gestürzt, sie angegriffen.«

Ich biss in mein Stück Brot und kaute. »Der letzte Punkt war, dass es kein Heilmittel gibt. Wer einmal das Virus in sich trägt, wird irgendwann daran sterben. Oder in diesen unlebbaren Zustand gelangen, den sie beschrieben hat.«

Wir aßen ein paar Sekunden in Schweigen weiter. »Sind das alle Informationen zum Virus?«, fragte mein Vater dann.

Ich nickte. »Es gab noch ein Dokument zu der molekularen Zusammenstellung und einige Protokolle der Testversuche, aber ansonsten nichts mehr dazu. Dafür gibt es etwas anderes sehr Wichtiges, von dem ihr wissen müsst.«

Bevor ich weitersprechen konnte, wurde ich von Alex unterbrochen, der mit einem Megafon in der Hand darum bat, dass sich alle vorne auf dem Platz versammelten. Wir ließen unsere halb leeren Teller stehen und folgten den anderen, stellten uns an das Geländer einer Hütte und warteten darauf, dass Alex anfing. Er hatte sich mittlerweile auf einen Hocker gestellt, damit er besser zu sehen war.

Er lächelte, wie immer. »Guten Tag euch allen. Wer mich noch nicht kennengelernt hat: Ich bin Alex und leite dieses Notlager. Es freut mich, so viele von euch hier zu sehen, auch wenn ich mir wünsche, dass es nicht dazu hätte kommen müssen. Jedenfalls habt ihr bestimmt eine Menge Fragen, von denen ich nicht alle beantworten kann. Im Groben bin ich so ratlos wie ihr. Das einzige, was ich euch sagen kann, ist, dass wir hier bis auf Weiteres in Sicherheit sind. Das Militär hat ein Protokoll für diese Situationen und wird bald hier eintreffen, um uns in eine andere Stadt zu bringen, wo wir vor der unbekannten Gefahr sicher sein werden.«

»Wir sollen also einfach so alles aufgeben, was uns lieb und teuer ist?«, rief ein Mann von weiter hinten aus der Menge.

Alex' Gesichtsausdruck hielt stand. »Ich befürchte, dass wir im Moment keine andere Wahl haben. Was auch immer aus diesem Labor entkommen ist, kann unser Leben bedeuten. Hier bleiben ist keine Option.« Er machte eine kurze Pause, in der er seinen Blick über die Menschen schweifen ließ. »Da wir bereits bei schlechten Nachrichten sind, komme ich direkt zur nächsten: Der Funk zu den anderen Notlagern ist weg. Irgendjemand oder irgendetwas hat einen Großteil der Funkmästen zerstört.« Gemurmel brach aus, panische Blicke zierten die Runde, manche klammerten sich an ihre Liebsten. Mein Vater und ich schauten uns nur kurz an, immerhin hatten wir davon bereits gewusst.

»Aber«, sagte Alex laut, »die gute Nachricht ist, dass das Militär Karten besitzt, auf der alle Lager verzeichnet sind und uns somit trotzdem finden kann. Wir wissen nur nicht wann, aber sie werden kommen und uns holen.«

»Was macht dich da so sicher?«, rief eine Frau von der Veranda hinter uns. Das ermutigte andere ebenfalls deren Bedenken laut auszusprechen.

»Was ist, wenn diese Leute mit dem Experiment in Berührung gekommen sind?«

»Wieso sollten wir den Soldaten vertrauen?«

»Wohin bringen die uns?«

»Was weißt du eigentlich alles?«

»Mamma mia«, murmelte mein Vater neben mir, bevor er sich auf die Veranda stellte. »Jetzt beruhigt euch alle mal wieder!« Die Menge verstummte sofort und schaute ihn an. »Alex hat selbst gesagt, dass er nicht alle Antworten hat, die wir suchen. Ihn anzuschreien bringt uns auch nicht weiter. Alles, was er weiß, hat er uns gesagt, mehr kann er nicht tun.«

»Und wer bist du?«, rief jemand abwertend von weiter hinten, was mich meine Hände zu Fäusten ballen ließ.

Mein Vater ließ sich von deren Ton nicht beirren. »Ich bin seit zwanzig Jahren ein US-Soldat und habe solche Szenarien oft genug geübt. Die Protokolle, von denen Alex gesprochen hat, muss man in der Ausbildung so lange durchlesen, bis man sie ohne einen Fehler ausführen kann. Die Leute beim Militär wissen also, was sie wie tun müssen und sie werden hierhinkommen. Wir müssen nur warten.«

Hinter der Mauer Part IWhere stories live. Discover now