3 - Die Dateien einer Mutter

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Mein Vater und Max schliefen, bis der Gong zum Mittagessen durch das Lager hallte. Ich war bis dahin lange mit Lesen fertig und hatte das Treiben beobachtet, um zu verarbeiten, was ich alles erfahren hatte. Die Leute standen in Gruppen verteilt, viele saßen auch an den Tischen der Hütten und redeten miteinander. Wenn neue eintrafen, wurden sie willkommen geheißen und herumgeführt. Die meisten hatten nichts bei sich außer die Anziehsachen an ihren Körpern. Alex schickte sie jedes Mal zuerst ins Haupthaus, wo Olivia sie einteilte. Er selbst war die ganze Zeit in Bewegung und hörte den Bedürfnissen der Menschen zu. Für ein paar Minuten hatte er mit vier Personen gesprochen, die vom Schotterweg hergekommen waren und Gewehre auf den Rücken trugen. Das Geflüstere, die wilden Gestiken und das abrupte Aufteilen im Lager waren genug Beweis dafür, dass es ein unumkehrbares Problem mit dem Funk gab. Alex hatte verzweifelt ausgesehen und sich sogar die Haare gerauft. Wir waren also auf uns allein gestellt.

Mein Vater öffnete die Tür, als ich gerade aufstand. Wir gingen zu dritt den Platz entlang und stellten uns in die Schlange vorm Haupthaus, die sich bereits beim ersten Ton angefangen hatte zu bilden. Hinter dem Eingang stand ein langer Tisch mit unzähligen tiefen Tellern und Besteckkisten voller Löffel. Wir nahmen uns von jedem einen und trotteten voran. Auf weiteren zusammengestellten Tischen gab es fünf hohe Töpfe gefüllt mit Reiseintopf, von dem jeder zwei Kellen bekam, daneben mehrere Laibe Brot, die in Stücke geschnitten waren und eines davon an jeden gegeben wurde. Als wir unsere Portion hatten, verließen wir das Haus durch die Seitentür. Max, Papà und ich liefen an der Menge vorbei zurück zur Hütte, wo wir uns an den Picknicktisch auf der Veranda setzten, damit wir ungestört miteinander reden konnten.

Unser Vater wartete keine Sekunde. »Was hast du herausgefunden?«

Ich stellte den Teller neben meinen Laptop. »Das Virus ist ... kompliziert. Wenn es in den Körper gelangt, hat man eine manische Phase, in der man sich selbst nicht kontrollieren kann. Wenn diese vorbei ist, ist man wieder normal, aber je länger man es in sich trägt, desto schlimmer werden diese Phasen. Man dreht im Grunde durch. Sobald das Virus das Gehirn befällt, ist keine Heilung mehr möglich. Da stand nicht, ob man dann stirbt, sondern nur, dass man nie wieder ein normales Leben führen kann.«

Er zog seine Augenbrauen zusammen. »Das kann mehrere Bedeutungen haben, von einer körperlichen Einschränkung bis hin zum Tod. Ist das nur eine These gewesen oder konnte sie das bestätigen?«

»Sie hat die meiste Zeit Tierversuche unternommen und konnte diese Wirkungen bei denen nachweisen. Ich weiß nicht, ob letzte Nacht der erste Versuch an einem Menschen war.«

»Vielleicht ist das anders«, sagte Max und riss eine Ecke von seinem Stück Brot ab.

Ich sah ihn an. »Zwischen Tier und Mensch meinst du?« Er nickte.

Mein Vater schluckte einen Löffel des Eintopfes hinunter. »Das kann sein, immerhin sind die DNA-Strukturen von Art zu Art unterschiedlich. Dadurch können diese Informationen nur teilweise für Menschen stimmen. Was hast du noch gelesen?«

Ich aß selbst eine kleine Portion, bevor ich weitersprach. »Man kann anhand der Haut erkennen, ob jemand davon befallen ist. Sie färbt sich lila und bildet blaue und rote Adern, die sich ausbreiten, je länger man es in sich trägt. Es fängt dort an, wo das Virus in den Körper gelangt ist. Das passiert hauptsächlich durch sehr kräftiges Beißen, aber als These hatte sie geschrieben, dass es auch durch starkes Kratzen oder offene Wunden passieren kann.«

»Es muss also ins Blut gelangen«, schlussfolgerte mein Vater.

Ich nickte. »Das habe ich mir auch gedacht. Es kann sein, dass dadurch diese manische Phase hervorgerufen wird. Mamma konnte sie selbst nicht ganz erklären. In den Protokollen stand, dass die Tiere buchstäblich durchgedreht sind, als hätte ihr wilder Urinstinkt sie übernommen. Ihre Augen sollen sich rot verfärbt haben, was sie auch nicht verstanden hat. Als wären sie zu Zombies mutiert.«

Hinter der Mauer Part IWhere stories live. Discover now