KAPITEL 07 | AUDEN

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Ich hasse erste Schultage. Sie sind nervenaufreibend und erwartungsvoll, aber sobald man auch nur die ersten drei Unterrichtsstunden hinter sich hat, merkt man, dass eigentlich nichts anders ist und die Aufregung völlig umsonst war.

Jedenfalls geht es mir so immer.

Maurice und Lynette sitzen hinten in meinem Auto, das Porter mir irgendwann einmal geschenkt hat. Moms Alkoholfahne habe ich vorhin bis in mein Schlafzimmer riechen können, weshalb ich sie lieber nicht geweckt habe. Wo Dad ist, kann ich nicht genau sagen. Hoffentlich weit weg, auch wenn vor allem Lyn ihn vermisst.

Auri ist wiederum genauso froh wie ich, dass wir unsere Eltern nicht zu Gesicht bekommen haben. Das macht diesen ersten Schultag erträglicher.

»Auden, pourquoi Kyler et Daniel ne sont pas avec nous?«, fragt meine kleine Schwester, wobei sie verwirrt mit ihren dunkelbraunen Zöpfen spielt. Ich habe wirklich versucht, sie ein bisschen herzurichten, aber ich würde wohl niemals lernen, anständig zu flechten.

Kyler und Daniel fahren nicht mit uns, weil Kyler Stacey mit einer kostenlosen Fahrt in die Schule überraschen will, um einen guten ersten Eindruck bei ihr zu machen. Daniel weiß, dass Abraham jeden Tag vor der Schule in der Bibliothek lernt, weshalb er heute extra früh aufgestanden ist. Anstatt meiner Schwester das mitzuteilen, antworte ich: »Kyler und Daniel haben verschlafen, Lyn. Aber morgen fahren sie wieder mit uns.«

»Je ne veux pas aller à l'école«, kommt es von Maurice. »Mais rester à la maison, c'est encore pire.«

Dass Auri lieber in die Schule geht, anstatt Zuhause zu bleiben, sollte mich verwundern, tut es aber nicht. Ich bin auch lieber bei Porter als bei mir und werde ihm für ewig dankbar sein, dass er mich noch nicht herausgeworfen hat. Generell hat Porter in den letzten Monaten so viel für mich getan.

Ich im Gegenzug aber auch, nur kann und darf ich nicht darüber reden.

Während sich meine Geschwister weiterhin auf Französisch unterhalten, konzentriere ich mich auf die Straße. Meine Gedanken bleiben ungewollt bei Maya hängen, die ich heute sehen werde. Ich kann nicht so ganz glauben, was ich gestern zu ihr gesagt habe. Oder besser gesagt: Wie ich sie genannt habe. Immerhin spreche ich seit Monaten nicht mehr Französisch und auch wenn ›Chérie‹ nur ein kleines, unbedeutendes Wort ist, so will ich es doch nie wieder benutzen.

An der Millbrook Highschool bin ich jemand, der ich nicht vorgebe zu sein. Wahrscheinlich geht es den meisten Leuten an ihrer Schule so. Vielleicht bin ich aber auch nur eine Ausnahme.

Was die Leute an dieser Privat-Highschool über mich denken, ist größtenteils aufgesetzt, ausgedacht und grundsätzlich falsch. Außer der Tatsache, dass ich für den Sport Basketball lebe, weiß hier niemand, was bei mir wirklich vor sich geht. Dass ich mit Porter, Warren, Kyler und Daniel befreundet bin, heißt automatisch für jeden, dass ich viel Geld besitze, aber da muss ich die Leute hier wohl leider enttäuschen.

Auch der Punkt Herzensbrecher stimmt nicht ganz. Ich schlafe mit den Mädchen, weil sie es wollen und weil ich es will. Normalerweise wird dabei gar kein Herz gebrochen.

Porter hat mir so viel gegeben, aber jemand, der ihm nahesteht, hat mir dafür so viel genommen. Das Schlimmste daran ist, dass er selbst es nicht einmal weiß.

Maurice und Lynette setze ich vor deren Schule ab. Zwar beäugen mich manche Eltern mit ihren Kindern misstrauisch, aber ich ignoriere die Blicke gekonnt. »Lawrence wird euch später abholen, okay?«

Auri schmollt. »Le chauffeur de Porter écoute toujours de la mauvaise musique dans la voiture et chante fort.«

»C'est vrai«, wirft Lyn ein. »Mais il nous donne toujours du chocolat.«

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