Kapitel 34 - Knaller und Knallköpfe

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Ja, es war definitiv total kitschig. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich alleine bei der Vorstellung von diesem Augenblick drei sarkastische Kommentare abgeben müssen, um das Maß an Romantik kompensieren zu können. So aber schloss ich die Augen und genoss nur diesen magischen Moment.

Er dauerte auch nicht allzu lange, denn Seamus rief: „Hey, lasst uns auf das neue Jahr anstoßen!" Dann entdeckte er uns wohl, zumindest hörte man nur noch ein leises „Hoppla."

„Wenn ihr euch weiterhin so auffresst, dann landet bald einer von euch beiden im Magen des anderen", stellte Eva fest. Ich hörte den Worten ihr breites Grinsen an.

Widerwillig löste ich unseren Kuss, umarmte Dean aber weiterhin.

Erst jetzt sah ich etwas vom Feuerwerk, dass sicherlich schon seit einer Minute ein Netz aus bunten Adern über den Nachthimmel spannte. Eva reichte mir meinen Punschbecher, den sie vorhin für mich gehalten hatte.

„Frohes neues Jahr!", wünschte sie mir und stieß mit mir an. Ich tat das Gleiche mit Seamus und Dean, dem ich zusätzlich noch einen kurzen Kuss gab.

Mir kam der Gedanke, was Jasmine wohl gedacht hatte, wenn sie mich eben ihren Sohn so hatte küssen sehen. Die Vorstellung trieb mir die Röte ins Gesicht, die sich glücklicherweise auch den Temperaturen zuschreiben ließ.

Dean bemerkte meine Anspannung scheinbar und streichelte mir über den Rücken. Mich packte eine Welle des Stolzes und des Glücks, dass ich ihn meinen festen Freund nennen durfte.

„Jetzt wollen wir aber nicht die ganze Arbeit anderen überlassen", sagte Seamus und zog einige kleine Feuerwerkskörper aus seiner Jackentasche. Er verteilte sie an uns. Ich beschränkte mich auf einen kleinen Knallfrosch, denn seit ein Böller von Draco fast in meinem Gesicht explodiert war, überließ ich für meinen Teil die Arbeit durchaus gerne anderen.

Mithilfe eines kleinen Geräts, das eine Flamme erzeugte, zündete Seamus den ersten Knaller an und warf ihn auf die weite, freie Fläche vor sich. Das Feuer fraß sich an der Zündschnur entlang und tat einen kleinen Augenblick lang gar nichts. Dann explodierte er mit einem so lauten Knall, dass ich kurz nur Klingeln auf dem rechten Ohr hatte.

Dabei kam ich noch gut weg, denn Seamus fiel vor Schreck hintenüber. Langsam rappelte er sich wieder auf und ließ sich von einem besorgten Dean auf die Beine helfen.

„Voll krass", sagte Seamus mit einem irren Grinsen auf den Lippen. Es wirkte fast wie eingefroren. „Ich will nochmal."

Es bedurfte langer Überredungskünste von Eva, Dean und mir zusammen, bis er sich mit uns darauf einigen konnte, uns noch die Böller zünden zu lassen, aber selbst lieber die Finger davon zu lassen. Dinge in die Luft zu jagen und zu verbrennen – bei beidem vorzugsweise sich selbst – war ja ohnehin schon sein zweifelhaftes Talent. Nun schien es die Detonation der Kracher noch zu verstärken.

Unsere Knaller explodierten alle vorschriftsmäßig und so kuschelte ich mich in Deans Arme. Wir beobachteten noch einige Zeit das Feuerwerk, das von den dunklen Booten auf der Themse und Big Ben gezündet wurde.

Als auch der letzte Funke erloschen war und nur noch die schwarze Nacht zurückblieb, gingen wir zu viert die paar Schritte zu Seamus und Deans Familie hinüber. Der Vater des rotblonden Jungen war ebenso ein Muggel wie Simon und Jasmine, was vielleicht der Grund für ihre angeregte Unterhaltung war.

Annie war in ihrem Wagen eingeschlafen und sah aus wie ein kleiner Engel. Auch ihre älteren Geschwister konnten ihre Müdigkeit nur schwer verbergen, obwohl sie es natürlich versuchten.

Daher entschied Jasmine, dass es nun an der Zeit war, heimzukehren. Eine große Verabschiedung fand statt und schließlich traten wir zu Fuß wieder den Heimweg an. Bei den Menschenmengen, die auf die Eingänge zur Tube strömten, hätten wir mit dem Kinderwagen und zu neunt gar keinen Platz gehabt.

Eva hakte sich bei mir ein und gähnte herzhaft. Damit steckte sie natürlich gleich auch Dean und mich an.

Etwas später waren wir endlich wieder bei Dean zuhause angekommen. Ich schaffte es nur noch halb, meinen Schlafanzug anzuziehen und behielt aus Versehen meinen Pulli an. Das bemerkte ich aber an diesem Abend nicht mehr, denn ich war neben Eva schon tief und fest eingeschlafen.

Die Tage vergingen wie im Flug und bald kam der Tag der Rückreise nach Hogwarts. Jasmine lud unser Gepäck ins Auto ein. Deans Halbgeschwister würden solange bei Simon bleiben.

Durch den dichten Londoner Verkehr fuhren wir zum Bahnhof King's Cross. Da Jasmine sobald wie möglich wieder nachhause wollte, weil alle vier Kinder zusammen schwieriger zu hüten waren als ein Sack Bowtruckles, mussten wir uns schon vor dem Bahngleis 9 ¾ von ihr verabschieden. Sie drückte uns alle nacheinander an sich, während immer wieder Gruppen von Schülern und Eltern an uns vorbei durch die Absperrung liefen.

„Kommt uns gerne nochmal besuchen!", rief sie uns hinterher, als wir hindurchkippten.

Das Bahngleis war fast schon so voll wie zu Schulbeginn; es waren wohl alle heimgefahren, die konnten. Ich dachte an Harry, Hermine und die Weasleys, die in der Schule geblieben waren und überlegte, ob sie trotz Dracos Anwesenheit ein schönes Weihnachtsfest gehabt haben.

Wir fanden erst gegen Ende des Zugs ein freies Abteil. Es füllte sich aber doch recht schnell, weil auch noch Seamus und unser von Suzanne gebrachtes Gepäck hinzukamen. Meine Eule Aridia krächzte laut und nervte uns alle mit ihrem Lärm. Ich entschied mich noch kurz vor der Abfahrt, sie frei nach Hogwarts fliegen zu lassen, was sie ja scheinbar wollte.

Als ich gerade wieder in die Eisenbahn klettern wollte, entdeckte ich weiter unten am Gleis etwas, was mich stocken ließ.

Dort standen Annabell und Isaac eng umschlungen und küssten sich zum Abschied. Ich grinste und stieg mit dem leeren Käfig in der Hand wieder ein. Die Ferien waren äußerst ereignisreich gewesen. Ich konnte es kaum abwarten Eva von dieser neuen Wendung zu erzählen.

Leider hatte es nicht nur schöne Ereignisse in den Ferien gegeben. Zurück in Hogwarts erfuhren wir von einer schrecklichen Neuigkeit: Hermine war im Krankenflügel gelandet. Natürlich machten Gerüchte die Runde, es sei Slytherins Monster gewesen. Harry und Ron besuchten sie allerdings und brachten ihr die Hausaufgaben vorbei, so schlimm konnte es also doch nicht sein, aber vielleicht würde Hermine auch noch auf dem Sterbebett für Prüfungen lernen.

Trotzdem wollten sie nicht mit der Sprache rausrücken und sagen, was mit ihr war. Sie blickten irgendwie schuldbewusst, als wären sie an ihrer Situation schuld.

Gegen Ende Februar konnte sie den Krankenflügel aber wieder verlassen, weshalb Lavender in unserem Schlafsaal Hermines Bett freiräumen musste, dass sie in ihrer Abwesenheit als Kleiderablage genutzt hatte. Hermine war aber nicht allzu sauer, sie war viel zu glücklich über die Möglichkeit, wieder am Unterricht teilzunehmen.

Abends brütete sie aufgeregt mit Harry und Ron über einem kleinen Taschenkalender. Wahrscheinlich erarbeitete sie bereits ein Lernplan bis zu den Prüfungen Ende des Schuljahrs und trug schon mal wichtige Termine darin ein. Allerdings war es Harry, der den Kalender behielt. Vielleicht war der Plan also eher für ihn gedacht, denn er saß oft abends mit abwesender Miene da und blätterte hindurch.

Der Duellierclub sollte wieder stattfinden, obwohl es schon länger keine Versteinerungen gegeben hatte. Trotzdem wollte ich hingehen, alleine schon um die Sprüche aus dem Buch auszuprobieren, dass Eva mir zu Weihnachten geschenkt hatte.

Eva hatte eigentlich keine Lust, Lockhart öfter zu sehen als notwendig, aber auch sie ließ sich mit der Möglichkeit ködern, die Sprüche auszuprobieren. Seamus lehnte dankend ab, aber als er hörte, dass Ron nicht mehr teilnehmen würde und Dean, Eva und ich schon, entschied er sich doch noch grummelnd um. Und da seine Großmutter ihn dazu verdonnert hatte, kam auch Neville mit.

Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ AbgeschlossenDove le storie prendono vita. Scoprilo ora