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Kapitel 1

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„Komm schon, Charlie! Ich weiß, dass du mich genauso sehr willst, wie ich dich", raunte er und grinste abfällig.

Ich seufzte und knallte die Spindtür zu. Mein Gott, man könnte meinen dieser Junge würde es nie verstehen. Hatte er denn noch nie etwas von Anstand gehört?

„Carter, ich habe dir schon zigtausend Mal gesagt, dass das nur eine einmalige Sache war. Wie oft willst du es denn noch hören? Ich werde mit dir nicht ausgehen."

Resigniert lehnte ich mich gegen die Spinde und sah sehnsüchtig zum Ende des Schulflures, wo Isabella jeden Moment um die Ecke kommen müsste und mich vor Carters lästiger Anwesenheit retten würde. Zumindest wollte ich das stark für sie hoffen.

„Ach, komm! Wie oft soll ich dich denn noch fragen?" Er sah mich mit schiefgelegtem Kopf an, ich verdrehte allerdings nur die Augen.

„Am besten gar nicht mehr! Die Antwort wird sich nicht ändern, glaub mir."

Er stöhnte frustriert auf und setzte dazu an, etwas (sicherlich nicht besonders Intelligentes) zu sagen, als Isabella mit ihrer gewohnt schlechten Morgenlaune zu uns geschlendert kam. Carter stieß sich von den Schließfächern ab, an denen er ebenfalls gelehnt hatte, und sah mich grinsend an.

„Irgendwann", murmelte er, „irgendwann wirst du mich auf ein Date begleiten, Charlotte Hanson." Er musterte mich von oben bis unten, dann drehte er sich um und ging anmutigen Schrittes zu seinen Freunden, die mich wohlwissend angrinsten.

Ich runzelte unbeeindruckt die Stirn und wandte mich ab, aber ich wurde dennoch das Gefühl nicht los, dass Carters Worte eine Drohung waren. Okay, mein Schlafmangel machte sich bemerkbar. Eine Drohung! Was für ein Blödsinn.

„Was wollte der denn schon wieder?", brummte Isabella, während sie ihre Bücher für Algebra aus dem Spind holte.

„Dir auch einen schönen Morgen, Sonnenschein!", sagte ich enthusiastisch und grinste sie neckend an.

„Ach, halt doch die Klappe", sagte sie dumpf und versuchte, nicht zu grinsen, als ich anfing zu lachen.

Ein paar Mädchen der unteren Stufe liefen an uns vorbei und warfen mir verstohlene Blicke zu. Ich lächelte freundlich und sah amüsiert dabei zu, wie der Kopf eines der Mädchen hochrot anlief und die anderen drei unsicher zurücklächelten. Kaum waren sie um die Ecke verschwunden, hörte ich sie auch schon tuscheln und kichern.

Kopfschüttelnd drehte ich mich zu meiner besten Freundin, die ihre Sachen mittlerweile gerichtet hatte und gerade ihren Spind schloss.

„Das einzig Gute ist, dass wir jetzt Ms Haulfield haben", sagte sie und lief, ohne meine Antwort oder gar eine Reaktion abzuwarten, in Richtung des Algebraraums.

Ms Haulfield war eine der beliebtesten Lehrerinnen an dieser Schule. Sie war bekannt für ihre gute Laune und für die lockere Art, mit der sie mit den Schülern umging. Natürlich, war sie ja auch blutjung für eine Lehrerin.

Als wir den Raum betraten, war sie seltsamerweise nicht da, obwohl ihre Sachen ausgebreitet auf ihrem Pult lagen. Komisch. Aber wahrscheinlich hatte sie irgendetwas im Lehrerzimmer liegen lassen, was mich bei ihrer Tollpatschigkeit nicht wundern würde.

Ich ging auf den Platz in der zweiten Reihe zu, auf dem ich immer saß. Rechts neben mir saß meistens Isabella, links derjenige, der zuerst dort war. Und heute war es leider Gottes Carter, der mich schon verschmitzt angrinste. Ich sah mich vergeblich nach irgendeinem anderen Platz um, denn alle Plätze waren bereits besetzt oder wurden freigehalten. Also blieb mir wohl nichts anderes übrig, als mich auf meinen Stammplatz zu setzen, der mir plötzlich überhaupt nicht mehr so komfortabel wie sonst vorkam.

„Hi, Charlotte", sagte er amüsiert.

„Carter", erwiderte ich trocken und wandte mich sofort an Isabella, die sich neben mich setzte, aber nicht ohne Carter einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Carters anhängliche Art nervte selbst sie.

Es fing vor einem halben Jahr an, als wir beide uns mal zum Lernen getroffen hatten und es irgendwie in einer heißen Knutscherei geendet hatte - der Schulkram war irgendwann halt langweilig geworden. Aber ich hatte es zum Glück beendet, bevor es weiter hätte gehen können.

Hey, zum Knutschen war ich jederzeit offen, aber ich hatte dennoch meine Prinzipien.

Aber seit diesem Abend ließ Carter nicht mehr von mir los und dachte wohl, mich irgendwie herumbekommen zu müssen.

Doch ich würde niemals zu einem Date zusagen und das aus einem ganz einfachen Grund: es bestand die Möglichkeit, dass ich mich in jemanden verlieben könnte, doch genau das versuchte ich zu vermeiden. Das endete doch nur in Kummer und Schmerz.

Natürlich würde ich nicht daran vorbeikommen, irgendwann wegen eines Jungens zu weinen, doch es war ja nicht verboten, das so weit wie möglich hinauszuzögern.

Isabella zum Beispiel hatte jetzt schon zwei Liebeskummervorfälle hinter sich und jeder davon hatte mich in meiner Meinung verstärkt. Das ganze Rotz und Wasser heulen, war schlichtweg nichts, auf das ich heiß war, und außerdem zerbrachen die meisten Beziehungen sowieso sobald das College begann.

„Ach, du Scheiße", keuchte Isabella und riss mich aus meinen Gedanken.

Verwirrt sah ich zu ihr, aber sie hatte ihre Augen nach vorne geheftet. Genauso wie der Rest aller Mädchen.

Was war denn jetzt los?

Ich sah zu Carter, dessen Blick sich deutlich verdüstert hatte.

„Schüler, ich möchte euch jemanden vorstellen", hörte ich die Stimme von Ms Haulfield, die mich dazu veranlagte mich nach vorne zu drehen - meine Kinnlade fiel mir förmlich auf die Tischplatte.

Oh.

Pale green eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt