8. Anruf

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"Mai?"

"Guten Tag, Sie sprechen mit dem Heimwegtelefon. Ist alles in Ordnung bei Ihnen?"

"Sag bloß, dass du jetzt auch beim Heimwegtelefon arbeitest!"

"Nein, ich wollte dich nur auf den Arm nehmen."

"Also sitzt du immer noch jeden Tag faul zu Hause herum?"

"Nein, ich gehe jetzt arbeiten."

"Nicht schlecht! Und wo?"

"Bei Milo."

"Was? Das verstehe ich nicht."

"Die Bar."

"Du arbeitest nicht wirklich in der Bar, in der sich meine Eltern kennengelernt haben!"

"Doch. Als Barkeeper. So wie du es mir vorgeschlagen hast."

"Mir fehlen die Worte. Du bist wirklich so unvorhersehbar."

"Das nennst du unvorhersehbar? Ich habe exakt den Rat angenommen, den du mir gegeben hast. Normalerweise mache ich aus Prinzip genau das Gegenteil."

"Dann war mein Vorschlag wohl ein ziemlich guter."

"Ja, es ist ganz cool. Größtenteils arbeite ich als Kellner, weil mir natürlich noch die Erfahrung als Barkeeper fehlt, aber gestern war die eine Barkeeperin krank und ich durfte dem anderen ein bisschen helfen!"

"Das hört sich toll an! Heute arbeitest du also nicht?"

"Nein, nur wochentags. Samstags habe ich ja immer was vor."

"Meinst du damit unser Gespräch?"

"Klar. Übrigens muss ich dir noch von meiner grandiosen Idee erzählen!"

"Ich höre."

"Ich habe eine Idee, damit ihr euer Theater nicht abreißen müsst. Was hältst du von Poetry Slams?"

"Mhh. Ich denke nicht, dass sich damit das Theater retten lässt."

"Ein Versuch wäre es wert. Frage doch mal deinen Vater! Bitte!"

"Ja, das kann ich machen."

"Ich kann meine Mutter fragen, ob sie Werbung im Radio für den Poetry Slam machen könnten. Und im Milo könnte ich vielleicht auch ein paar Plakate aufhängen."

"Bitte unterlasse diese Redewendung zukünftig. Das hört sich einfach nur eklig an."

"Ich weiß. Ich finde sie super!"

"Danke für deine Hilfe. Ich werde morgen mit meinem Vater reden."

"Rufst du mich danach an? Wenn nicht, rufe ich dich alle zwei Stunden an und frage nach, ob du schon mit ihm gesprochen hast. Das meine ich ernst. Auch in der Nacht, alle zwei Stunden."

"Ja, ich sage dir Bescheid. Und bitte wecke mich nicht in der Nacht."

"Das heißt am Tag darf ich dich alle zwei Stunden nerven?"

"Von mir aus."

"So viel hat sich noch nie jemand von mir nerven lassen. Finde ich gut."

"Naja, ich muss bis Mittwoch auch noch eine Abgabe fertig kriegen."

"Was für ein Thema?"

"Das ist ziemlich kompliziert. Würdest du nicht verstehen."

"Da hast du Recht. Ich habe Physik abgewählt. Aber vielleicht erklärst du es mir trotzdem mal. Vielleicht ist es ganz interessant."

"Ist es leider nicht. Deshalb schiebe ich die Hausaufgabe ja auch schon seit Wochen vor mir her."

"So hätte ich dich gar nicht eingeschätzt."

"Ich mich auch nicht. Allgemein lerne ich durch die abendlichen Telefonate ziemlich viel über mich selbst."

"Echt? Was denn so?"

"Davon erzähle ich dir ein anderes Mal."

"Wie du meinst. Wir hören uns in zwei Stunden!"

"So lautet die Regel aber nicht."

"Wann halte ich mich schon mal an Regeln?"

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