Kleine Lauscher ganz groß!

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"Wie hat die Lady dich nur rumgebracht?", fragt Alucard, nachdem ich dem letzten verwundeten Söldner verarztet habe und mir die Hände desinfiziere. "Indem sie mein Leben zerstört hat, Alucard. So einfach ging das.", erwidere ich leicht genervt und werfe ihm einen abschätzenden Blick von der Seite zu. Schmunzelnd stellt er sich neben mich. "Ach komm. Verarschen kann ich mich selbst. Du hast dich so dagegen gewehrt und so ein kleiner Angriff hat dich plötzlich zum Stift gebracht, um den Vertrag zu unterschreiben? Verdächtig." Mitten im Raum des kleinen Arztzimmers stehen wir alleine. Der letzte Söldner ist raus gegangen. Konnte wenigstens noch alleine gehen. Und mir gefällt sein Ton nicht so wirklich.

Langsam drehe ich meinen Kopf und starre ihm direkt in seine roten Augen. Die Augen, die noch mehr Tod und Leid gesehen haben, als ich es jemals tun werde. Ich brauche noch einen Moment, ehe ich in einem wirklich ruhigen Ton antworten kann. "Alucard. Hier... ist es ruhig. Niemanden, den ich wegen irgendwelchen Papieren manipulieren muss. Niemand, der sich wegen meines nicht vorhandenen Alterns nicht wundert. Kein Stress. Keine dummen Kommentare. Hier muss ich nicht verstecken, wer ich bin." Ein Schnauben entkommt mir. "Und wenn ich eh schon mein Leben in Trümmern zurück lassen muss, will ich es nicht zum x-ten Mal aufbauen. Das ist ermüdend." Mein Weg führt mich zur Tür und ich bleibe noch einmal kurz stehen. Drehe meinen Kopf zu dem schwarzhaarigen. Lächle leicht. "Und hier habe ich die ersten Gefühle, zuhause zu sein. Seit George." Stumm gehe ich durch die Tür und auf den Gang.

Jetzt würde ich gern einfach nur allein sein. George kommt mir in den Sinn. Ich war verliebt. Sehr. Hatte eine rosarote Brille auf, wie man so schön sagt. Ich war geblendet. Von seinem Aussehen und seinem Charakter. Zumindest vor unserer Ehe. Die braunen Haare, über seine Schulter gehend. So weich. Der leichte Bart, ordentlich gestutzt. Die grünen und schillernden Augen. Das umwerfende Lächeln. Seine Stupsnase. Das markante Kinn. Die leicht angespitzten Ohren. Seufzend schüttle ich den Kopf und senke diesen ein wenig. Kaue auf der Innenseite meiner Wange herum und verliere mich ein wenig in Gedanken. An früher. An unser Haus. Unsere gemeinsamen Stunden, bevor er so... extrem besitzergreifend wurde. Ich habe nichts dagegen, im Gegenteil! Ich finde, dass es ein Zeichen von Liebe ist, wenn jemand besitzergreifend ist! Aber nicht, wenn das so ausartet, wie es bei mir getan wurde. Ich hatte keine einzige Entscheidungsfreiheit mehr. Nichts.

Irgendwie finde ich mich wieder auf dem Dach ein. Es gefällt mir, hier oben zu sein. Der Ausblick über die Landschaft. Gut, auf die Leichen kann man verzichten, aber- Oh... die verbrennen eh gerade. Erledigt sich von selbst. Brav. Während sich die Asche langsam aber sicher verabschiedet, setze ich mich an den Rand und lasse meine Beine nach unten hängen. Lasse die gesamte Anspannung einfach mal los. Das Blut auf meiner Kleidung und auf meiner Haut ist schon am Eintrocknen. Damals. Damals war vieles einfacher. Man konnte besser untertauchen. Oder auch auftauchen. Morde konnte man leichter vertuschen und der Stadtwache zu entkommen war ein Kinderspiel. Warum ist die heutige Welt eigentlich so kompliziert? Muss man wirklich alles wissen und somit gleich einen Überwachungsstaat gründen?

Unter mir fangen die ersten Räumarbeiten an. Kleidung, wirkliche und menschliche Leichen und die Waffen werden vorsichtig aufgehoben und weggebracht. Die ersten zwei wahrscheinlich, um verbrannt zu werden. Die Waffen kann man entweder noch nutzen, man zerlegt oder verkauft sie. Alles ist möglich. Aber ich bleibe unbehelligt. Nur hin und wieder bekomme ich misstrauische Blicke ab, die aber gleich wieder abgewendet werden, um zu arbeiten. Ich spüre Alucard und Seras durch das Anwesen wandern. Ihre Macht ist deutlichst. Auch, wenn die von Seras nicht so groß ist, wie die von Alucard... sie ist groß genug, um ein Zeichen zu setzen. Wenn ich so darüber nachdenke... wird das nicht etwas viel? Zwei gut ausgebildete und starke Vampire und eine alte Draculina, die sich gerade einmal um den Hausmüll kümmern kann. Wenn man es so nennen könnte. Im Gegensatz zu den Dingen, die die anderen beiden schaffen.

Leise vor mich hin brummelnd, lege ich den Kopf schief. Jetzt bin ich wieder gefangen. Wieder gefangen in einem Vertrag, der mich zu absoluten Gehorsam verpflichtet. "Ich komm aus der Scheiße nicht mehr raus... Ich komm hier nie wieder raus!" Frustration macht sich bemerkbar, als mir das mit der Abhängigkeit und der Freiheitsbeschränkung klar wird. Ich ziehe ein Bein an und lege meine Stirn auf mein Knie. "Scheiße... Scheiße!" Wieso habe ich nur unterschrieben. Wieso? "Wieso sollte denn unsere liebe Frau Doktorin so fluchen?" Anstatt meinen Kopf zu drehen und Alucard zusammen zu scheißen, dass er mich nicht belauschen soll, ziehe ich meinen Schädel nur ein wenig ein und meine Schultern hoch. Jetzt brauche ich echt keinen, der mir dumme Kommentare um die Ohren wirft!

Schweigen. Stille. Nur die Arbeiten unten sind zu hören. "Will der Dok mir nicht antworten?", fragt er nun noch einmal. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie er sich wieder neben mich setzt. Schnaubend hebe ich meinen Kopf und starre gerade aus. Verziehe leicht mein Gesicht. "Weil ich Vollidiot mich wieder jemandem unterworfen habe. Wie damals." Meine Schultern gehen ein wenig hoch und ich schließe meine Augen. "Hoffentlich endet es nicht wieder mit Toten." Es dauert nur einen Moment, bevor ich ein leises Lachen vernehme und ein wenig verwirrt auf die Seite sehe, meine Augen öffne und Alucard verständnislos anblicke. Seine roten Augen schießen sofort zu mir. "Dein Leben hier hat mit Toten angefangen!", ruft er höchst amüsiert und grinst mich breit an. "Aber ob... und vor allem WIE es hier endet..." Kurz neigt er seinen Kopf. "Das entscheidest immer noch du."

Das entscheide ich... Dieser Satz hallt in meinem Kopf nach. Nachdenklich sehe ich wieder nach vorn. Ein wenig ruhiger. "Also... ich könnte einfach so sagen, dass ich nicht mehr will? Dass ich den Vertrag kündigen will?", murmle ich vor mich hin und schaue dann auf meine Finger, mit denen ich unsicher spiele. "Ich kann mich immer noch frei entscheiden...?" Als der schwarzhaarige sich neben mir bewegt, sehe ich wieder zu ihm. Doch er hat sich nur anders hingesetzt. "Das ist nur ein verdammter Vertrag. Nicht anders, als in diesem Krankenhaus. Das Timing ist vielleicht beschissen, aber du kannst ganz normal kündigen. Ist nichts dabei. Du hast zumindest die freie Entscheidung, ob du gehen willst, oder nicht." Wieder gehen seine Augen zu mir. Und diesmal sieht er... müde aus. Erschöpft. "Anders als ich, kannst du dich frei entscheiden. Also mecker nicht."

Once I was seven years oldWhere stories live. Discover now