Das fünfte Mal

116 7 0
                                    

Das fünfte Mal, dass Sirius Black geweint hatte, war in der Mitte seines zweiten Halbjahres als Sechstklässler beim Nachsitzen mit Minerva McGonagall.

James stieß Sirius an, während sie ihnen den Rücken zugekehrt hatte und hob die Ecke seines Pergaments an, so dass Sirius unten das Gekritzel einen Hippogreif sehen konnte. Sirius blickte mit düsterem Ausdruck auf sein Pergament zurück, ohne sich in irgendeiner Weise zu bemühen, zu grinsen oder sich über die Arbeit seines Freundes lustig zu machen.

Der braunäugige Teenager zog besorgt die Augenbrauen zusammen.

Sirius sah den Blick und zuckte die Achseln. "Mir ist heute einfach nicht nach Nachsitzen zumute."

"Was!", jammerte James.

Professor McGonagall drehte sich in ihre Richtung. "Mr. Potter!", schimpfte sie, aber er hörte ihr gar nicht zu.

James legte seine Hand auf Sirius Stirn und überprüfte, ob er vielleicht Fieber hatte. "Geht es dir gut? Hast du Kopfschmerzen? Wie lange hast du diese Gefühle schon?" Sirius versuchte, James abzuwehren, aber James wich seinem Angriff geschickt aus.

Nun wurde Sirius wütend. "Hör zu, du dickköpfiger Idiot! Ich will nicht -", brach seine Stimme, und James erstarrte sofort. "Ich bin nicht -" er versuchte es noch einmal, doch dann lief ihm eine Träne über das Gesicht.

Er berührte seine Wange und spürte die Nässe seiner Tränen. Sofort schämte er sich dafür und versteckte sein Gesicht in seinen verschränkten Armen auf dem Tisch.

"Sirius, Kumpel", begann James mit leiser Stimme, griff nach der Schulter seines Freundes und hielt nur wenige Zentimeter entfernt inne, als sie sich wegen eines schlecht verborgenen Schluchzens hob. "Was ist los?"

Er murmelte etwas in seinen Arm.

"Noch mal, bitte?", sagte James in demselben ruhigen und verständnisvollen Ton.

Sirius atmete einmal tief durch und sagte ziemlich laut, wenn auch immer noch von seinen Armen gedämpft: "Ich habe Moony geküsst".

Die Augen von Professor McGonagall weiteten sich kaum sichtbar und ihr Mund öffnete sich für einen Moment vor Überraschung.

James sah viel verblüffter aus, sein Mund hing offen und seine Augen fielen ihm praktisch aus dem Gesicht.

"Mr. Potter.", sagte McGonagall leise und legte eine Hand auf die Schulter des grünäugigen Teenagers. "Bringen Sie Mr. Black zurück in Ihren Schlafsaal. Ich nehme an, Sie kennen einen Weg, damit Ihnen auf dem Weg niemand begegnet."

Schnell löste er sich aus seiner Benommenheit. "Äh, ja, Professor. Ich werde, ähm..."

Die Professorin lächelte leicht und ging zügig zurück zu ihrem Schreibtisch um ihren Pergamentstapel zu ordnen, wobei sie den Jungen keine Aufmerksamkeit mehr schenkte.

James räusperte sich und begann, Sirius zu drängen, damit er mit ihm in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum komme. Schließlich tat er es auch und wischte sich wütend die Augen ab, bevor er ziemlich kraftlos dastand. Es war an James, ihn in die hinteren Korridore und durch einen Geheimgang zu führen, der direkt über dem Portrait der Fetten Dame endete und nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand im Korridor war, eilte er durch den Tunnel hinter dem Portrait in den ziemlich leeren Gemeinschaftsraum.

Niemand kümmerte sich wirklich um die Jungen, denn die Meisten waren draußen beim Quidditch-Spiel Ravenclaw gegen Hufflepuff oder lernten in den Ecken des Raumes.

Remus schaute von dort auf, wo er Lily Evans und Marlene McKinnon für Verwandlung abfragte, als er sah, wie James einen Sirius mit geröteten Augen zur Treppe führte. Er entschuldigte sich hastig und eilte durch den Gemeinschaftsraum, und half James, ohne etwas zu sagen.

Die beiden Teenager ließen Sirius auf dem Teppich in der Mitte des Zimmers sitzen, auf dem so viele Geständnisse geflüstert worden waren, auf dem sie so viele schlaflose Nächte auf dem Rücken gelegen hatten und auf das Flickwerk voll von Sternen gestarrt hatten, das James' Eltern im ersten Jahr geschickt hatten.

Sie saßen ihm gegenüber und warteten einige Augenblicke, bis James das Wort ergriff.

"Kumpel... ich werde dich dafür nicht hassen. Und weder Wurmschwanz, noch Moony hassen dich dafür, das wäre nicht fair..."

Remus nickte daraufhin nur.

"Das ist es nicht..." er brach ab, seufzte und rieb sich das Gesicht. "Es seid nicht ihr, um die ich mir Sorgen mache. Mein ganzes Leben lang... mein ganzes Leben lang haben die Menschen auf mich herabgeschaut wegen meiner Familie, oder weil ich nicht in die Rolle des perfekten Reinblüters passe. So viele Menschen hassen mich jetzt schon für Dinge, die ich nicht kontrollieren kann... und jetzt..."

"Bei Merlin, Tatze.", sagte James schließlich, überwältigt von der Last seiner Worte.

Remus sah jedoch ein wenig verärgert aus. "Das hast du seit zwei Wochen verheimlicht!"

Sirius blinzelte ihn überrascht an.

"Ich meine, ich verstehe es. Ich weiß, wie es ist. Denkst du, ich werde nicht verspottet? Die Leute ziehen ihre Kinder weg, wenn sie mich sehen. Ich verstehe es, Tatze." Remus nahm Sirius' Hand. "Auch die Muggel haben jetzt Grund dazu. Es ist alles andere als leicht."

"Aber Peter, Lily, Marlene und ich werden immer für euch beide da sein", fügte James lächelnd hinzu.

Sirius lächelte schließlich und ließ Remus' Hand los, damit er sich über die Augen wischen konnte. "Danke, Kumpels. Entschuldigt, wenn ich bei irgendetwas störe, oder..."

"Jederzeit, Tatze", sagte James, und Remus bestätigte dies mit einem ernsten Nicken.

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Jun 09, 2020 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

The 7 Times Sirius Black CriedWhere stories live. Discover now