08.01.1921 Letterkanny, Irland
Morgan ließ die schweren, verschmutzten Wasserkübel auf den Boden sinken und rieb sich mit dem verrußten Handballen den Schweiß von der Stirn. Fröstelnd rieb sie sich die hageren, von der Kälte geröteten Handgelenke und berührte behutsam ihren hochschwangeren Bauch.
Das Wasser in den Kübeln schlug sanfte Wellen und spiegelte ihr ausgezerrtes Gesicht wieder. Wie ihr Atem zu weißem Nebel fror, die wunden Hände, die nun fahrig durch die schwarzen Locken strichen und der sehnsüchtige Glanz in ihren verschiedenfarbigen Augen.
Eines tiefblau wie matte Tinte und das Andere von einem hellen grün, wie das eines jungen Pflanzenspross.
Raureif überzog die ringsum stehenden Bäume und Büsche mit einer Decke aus funkelnden Kristallen und spiegelglattes Eis pflasterte den Platz.
Ihr warmer Atem versuchte vergeblich ihre Hände zu wärmen.
Schnell sah sie sich um, dann tauchte sie ihre eiskalten, tauben Finger in das heiße, kristallklare Wasser in den Kübeln.
Das Wasser umschloss ihre Finger, es schmerzte schlimmer noch als die Kälte, denn sie hatte ihre Hände viel zu schnell hineingetaucht, doch langsam kehrte das Gefühl in ihre tauben Finger zurück. Morgan atmete tief aus, der Ruß löste sich allmählich von ihrer Haut und setzte sich langsam, wie sanfte Schneeflocken am Boden der Kübel ab, als sich plötzlich schnelle, harte Schritte näherten.
Hektisch zog sie ihre Hände wieder aus dem Wasser und trocknete sie panisch an ihrer groben Schürze ab.
Doch gerade, als sie die Kübel wieder anpacken wollte und sich aufrichtete, bog Mrs. Finch, ihre Vorgesetzte um die Ecke.
Ihr verbittertes Gesicht hatte sich zu einer angewiderten Grimasse verzogen und ihre schrille Stimme hallte durch die klare Winterluft, während sie die Nase rümpfend stehenblieb.
"Morgan! Faulenzen Sie etwa?"
Verschrocken senkte Morgan ihren Kopf. Eine Strähne fiel ihr ins Gesicht und sie hatte ihre aufgewärmten Hände hinter ihrem Rücken versteckt. Als die eine Hand wie instinktiv nach ihrem Baby fühlte, kniff Mrs. Finch ihre Augen zusammen.
Sie funkelten freudig, als hätte sie nur darauf gewartet, das sie einen Grund hätte jemanden anzuschreien.
"Zeigen Sie Ihre Hände."
Morgan schluckte. Zitternd streckte sie eine Hand vor. Die Andere umklammerte ihren Bauch.
Mrs. Finch packte grob ihre Hand.
"Warm."
Ihre Augen verengten sich zu schmalen, hässlichen Schlitzen durch die sie Morgen vernichtend anfunkelte und ihre fleischigen Lippen verzogen sich zu einem ekelhaft genüsslichen Lächeln.
"Sie dachten es wäre in Ordnung Ihre widerlichen Hände in das Badewasser des Herrn zu tauchen, kleines Flittchen."
Morgans Körper bebte. Doch es war nicht die beißende Kälte die sie durchschüttelte, sondern ihre unterdrückten Tränen.
"Es tut mir Leid." wisperte sie erstickt.
Mrs.Finch stieß Morgans Hand angewidert und entsetzt von sich.
"Dreckige Hure." stieß sie hervor und Morgan taumelte zurück.
Jeder Schritt fiel ihr schwer, durch die Kälte, ihre Schwangerschaft, das mühsame Schleppen des Badewassers. Mit einem erbosten Ruck stemmte Mrs.Finch die Kübel hoch und leerte sie aus. Klares, sauberes Wasser ergoss sich zischend auf dem Boden, schmolz das Eis. Sie richtete sich wieder auf und streckte ohne ein Wort die Hände aus. Ohne sie auch nur anzusehen.
Morgan wusste, was das bedeutete.
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Historical FictionEin Waisenmädchen, 18 Jahre alt, naiv und auf der Suche nach ihren Eltern verliebt sich zum ersten Mal. In der Umbruchszeit des frühen 20. Jahrhunderts erfährt sie Liebe, Tod, Eifersucht, Zerrissenheit und sich selbst kennen. Während ihre Karriere i...
