12 | Dächerwelten

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     Und sie an einem freien Tag mit einem schauerlichen Konzert zu wecken, ist offensichtlich eine Überschreitung der Grenze.

     «Kannst du bitte damit aufhören?», höre ich Ajax genervt brummen – er scheint mit Lovis zu reden, der einen verzweifelten Laut von sich gibt – und nur Momente später gibt die Couch etwas nach.

     Ich öffne träge die Augen, blicke zu dem Franzosen, der es sich neben mir bequem gemacht hat und als Einziger kein Instrument, sondern seine Kamera in der Hand hält. Nicht, dass das irgendwie besser wäre.

     Ich stemme mich umständlich hoch. «Bitte sag mir nicht, dass du Bilder gemacht hast.»

     Das breite Grinsen auf Ajax' markanten Zügen ist Antwort genug. Fantastisch.

     Schnelle Schritte kündigen unsere Gastgeber an. Oder zumindest einen Teil. Und schon erscheint auch der pinke Haarschopf im Türrahmen. Elins Blick ist irritiert, aber sie scheint schon eine Weile wach zu sein. Ihre Haare sind frisiert, ihre Augen versprühen Energie und sie hat sogar schon ein Outfit an, dass man in der Stadt anziehen könnte, ohne seltsame Blicke zugeworfen zu bekommen.

     «Was zur Hölle?»

     Mehr bringt sie nicht über die Lippen, während der Anflug eines Grinsens auf ihrem Gesicht liegt und sie ungläubig den Kopf schüttelt.

     Peinlich berührt fahre ich mir mit den Händen durch die Haare, um eine ansehbare Frisur vorzeigen zu können. Ich will gar nicht wissen, wie sie aussehen, da ich keine Ahnung habe, wann ich sie zum letzten Mal so richtig gekämmt habe.

     Aber natürlich habe ich keinen Erfolg mit meinen Versuchen. Warum auch.

     Ich spüre Ajax' Blick auf mir, der meine wachsende Verzweiflung mit einem amüsierten Schmunzeln beobachtet. «Warte, ich helfe dir.»

     Da ich nichts zu verlieren habe, lasse ich seufzend die Arme sinken. Mit flinken Handbewegungen zupft der Franzose an meiner Frisur herum, bis er sich schließlich wieder zurücklehnt und sein Werk kritisch beäugt.

     «Joa, das kann man so machen», sagt er schließlich schmunzelnd und greift nach seiner Kamera. «Das müssen wir festhalten.»

     «Ajax», jammere ich, aber selbstverständlich ist es sinnlos.

     Schließlich weiß er, dass ich nicht wirklich ein Problem damit habe. Weshalb er auch routiniert ein paar Bilder schießt und mir, nachdem er sie sich auf dem Monitor angesehen hat, das Endergebnis zufrieden präsentiert. Zugegeben weiß der Junge wirklich, wie man Menschen in Szene setzen kann.

     Wie kann es sein, dass er besser mit meinen Haaren zurecht kommt, als ich? Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war ich diejenige, die mit ihnen seit Jahren leben muss.

     Als ich meinen Kopf wieder Richtung Tür drehe, begegne ich drei grinsenden Gesichtern und Lovis, der leise Würgegeräusche von sich gibt. Sehr erwachsen, Bruderherz.

     Irritiert hebe ich eine Augenbraue, aber Mathea zwinkert mir nur zu. Ihre Wut auf Zale scheint verraucht zu sein, denn der Brite hat sich mittlerweile wieder aufgerappelt und reibt sich stöhnend den Hinterkopf.

     «Hunger?», ruft Elin enthusiastisch in die Runde und löst endlich ihren Blick von mir.

     Sofort ist Mathea auf den Beinen. «Her damit. Ich fühl' mich, als hätte ich wochenlang nichts gegessen.»

     Elins Kopf verschwindet wieder im Flur, alle außer Ajax und mir folgen ihr sofort.

     Ich grinse und stehe ebenfalls langsam auf, wobei ich den Pulli des Franzosen zurechtzupfe und mir rasch Socken überstreife, damit ich nicht barfuß durch das ganze Haus rennen muss. Obwohl ich durch die Bilder weiß, dass meine Haare in Ordnung aussehen, krame ich in meinem Rucksack nach einem Haargummi.

WAS UNS HIGH MACHT | ✓Where stories live. Discover now