#5 Schrei

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Wie paralysiert starrte Peter auf seine Füße, die ihn wie von alleine zum Klassenraum trugen.

Sein Schädel pochte noch etwas von dem Umfall, aber er hatte schon weitaus Schlimmeres erlebt, als dass das ihn stören würde.

Er drückte die Tür zum Klassenzimmer auf und spürte sofort die Blicke seiner Mitschüler. Unangenehm.
"Peter? Sie sind zu spät.", informierte ihn sein Lehrer.
"Sorry Mr.Brown. Haben sie von dem Busunfall gehört? Ich saß da drinnen.."

Ein Raunen ging durch die Klasse.
"Alles gut. Anderen ergings schlimmer..."
Wie von Blitz getroffen blickte Peter auf und scannte den Raum.
Da war sie. Mj saß auf dem selben Platz wie immer, hatte sie Augenbrauen zusammengezogen, was eine kleine Falte zwischen ihren Augen entstehen ließ.

Schnell hatte Peter sich wieder gefasst und ging zu seinem Platz.
Sie war hier. Sie war und gesund und offensichtlich auch nie im Bus gewesen.
Peter hätte sich wohl noch mehr Gedanken gemacht, wenn eine seiner Mitschülerinnen nicht plötzlich schreiend von Stuhl gekippt wäre.

"TRACY!", schrie ihre Freundin erschrocken.
Tracy drückte die Hände auf Ohren. Ihre kurzen roten Haare standen in alle Richtungen als wäre sie grade aus einem Sturm gekommen.
"HÖRT AUF! LASST MICH!", schrillte ihre Stimme durch den Raum.
"LASST MICH IN RUHE!"

Peter war der erste aller Mitschüler, der sich aus der Schockstarre befreite und neben das Mädchen hockte.
"Tracy? Alles gut? Ich bins, Peter..."
Mit einer Hand schlug Tracy nach ihm, mit der anderen hielt sie sich noch immer ein Ohr zu.
"TRACY! Beruhige dich!"

Peter kam sich lange nicht mehr so hilflos vor. Er hätte heute einfach im Bett bleiben sollen.
Das kalte Gefühl, das seine Brust seit heute morgen umschlang, zog sich zu.
Er keuchte auf, als würde man ihm tatsächlich die Luft abschnüren.

"Peter!"
Plötzlich wurde er von dem schreienden Mädchen weggezogen bis er eine Wand im Rücken spürte. Dankbar lehnte er sich dagegen, als wäre er mehrere Tage gerannt.

"Peter alles gut?"
Es war Ned, der ihn von den am Boden hockenden Leuten weggezogen hatte.
"Ja... ich... ich wollte ihr nur helfen..."
Ned zog verwundert die Augenbrauen hoch.
"Wem helfen?"
"Tracy..."
Der Blick seines Freundes irritierte ihn. Er hob die Hand, wollte auf das Mädchen deuten, doch Tracy lag nicht am Boden. Sie saß auf ihrem Platz und schaute Peter verwundert an. Jeder schaute ihn verwundert an.

Was war passiert?
Als hätte Ned seine Gedanken gelesen antwortete er "Alter... du bist förmlich hier rein gestolpert, hast gekeuscht wie ein Verrückter und bist dann abgeklappt..."
Jetzt war es Peter der verwundert guckte. Er war bitte was?

"Du warst in dem Unfall verwickelt mit dem Bus richtig? Du musst dich untersuchen lassen..."
"Ned aber..."
"Nein! Du hast offensichtlich Schmerzen!"

Jetzt erst bemerkte Peter den stechenden Schmerz beim Atmen. Der  kalte Schleier war wie weg.
Mit einem Stöhnen zog er sein Shirt ein Stück hoch und hörte wie ein paar seiner Mitschüler scharf sie Luft einzogen.
Er blickte hinab und sah auf seiner Brust ein dunkles Hämatom prangen... und er hätte schwören können, genau dort den kalten Schleier gespürt zu haben.

"Wie hast du es überhaupt so in die Schule geschafft? Ich bringe dich zur Schulkrankenschwester."
Ohne Diskussionen ließ Peter sich von seinem Freund aushelfen, stütze sich auf dessen Schulter.
"Komm erst wieder wenn es dir besser geht."
Peter sah in das besorgte Gesicht seines Lehrers und nickte.

Noch bevor Ned ihn aus dem Klassenzimmer schaffen konnte, musste Peter noch einmal nachsehen.
Der braune Lockenkopf aus der letzte Reihe war da. Ihr ging es also wirklich gut. Und auch diesmal hatte sie diesen besorgten Gesichtsausdruck.

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Man hatte Peter auf der Liege der Krankenschwester platziert. Er starrte an die Decke. Was war hier vorgefallen? Wurde er jetzt verrückt? Er hörte Tracys Schrei noch immer in seinem Kopf wiederhallen. Es hatte sich so real angefühlt.
Die Schwester war kurz gegangen um ein Schmerzmittel zu holen, aber Peter wusste, dass es bis dahin geheilt sein würde... er musste einfach.

10 Minuten später kam besagte Schwester zurück und hielt eine Spritze in der Hand.
"Ist nur ein Schmerzmittel. Ist das ok?"
Peter nickte dankbar.

Denn er wollte, dass der Schmerz ging.

Er spürte ihn noch.

Allerdings spürte er es nicht.

Er spürte nicht, dass er heilte.

Er heilte nicht.

Heute mal ein etwas kürzeres Kapitel aber ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen😅
Ich bin sehr dankbar, dass sich schon auf die paar Kapitel treue Leser gefunden haben. Danke dafür ❤

stay strong kidWhere stories live. Discover now