Donnerstagmittag. Bin gleich wieder da.

3 0 0
                                    

Unbeachtet von den Kindern, die an der Bushaltestelle herumwuselten, balancierte Quinn am Bordstein entlang.
Natürlich. Wie auch.
Er wich der besonders schwungvollen Drehung einer Fünftklässlerin aus und ließ seinen Blick über den Busbahnhof schweifen.
Welcher der hier stehenden Metallraupen fuhr nach außerhalb?
Er hatte einen denkbar schlechten Zeitpunkt für so einen Ausflug gewählt, dessen war er sich bewusst.
Er mied öffentliche Verkehrsmittel, wie er alle großen Menschenansammlungen mied, aber heute war er spät dran.
Su würde warten.
Seuftzend fuhr er sich durch seine knotigen Haare. Das hatte er davon, seinen Aufbruch hinauszuzögern.
Eine halbe Stunde in irgendeiner Gasse auf und ab zu laufen, zählte vermutlich nicht als besonders gute Ausrede, aber etwas trieb ihn seit dem letzten Wochenende um.
Etwas, von dem er nicht wusste, wie er es am besten ansprechen sollte - und ob er das denn überhaupt wollte.
Vermutlich war es keine wirkliche Frage des Wollens.
Er biss sich auf seine Unterlippe.
Was machte er sich eigentlich vor?
Er hatte von den Gerüchten gehört, dass die Wesen der Schatten, Vampire, Unsichtbare und Nebelwesen, die Gegenwart eines anderen Wesens spüren konnten, aber er hatte es nie wirklich geglaubt.
Dieser eine, andere Vampir, denn er vor Jahren gesehen hatte, hatte ihm zwar einen gehörigen Schauer über den Rücken gejagt, aber mal im Ernst, das war eine normale Reaktion auf ein bleiches Arschloch mit Blutverschmiertem Mund.
Dessen Artgenosse am Wochenende hingegen... kein Zweifel, er hatte Quinn gewittert. Obwohl er keine Ahnung hatte, wie das überhaupt möglich war. Unsichtbare hatten keinen Eigengeruch.
Ein metallischer Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus.
Kein Vampir würde einen Gedanken an einen vorbeiziehenden Unsichtaren verschwenden. Da war er sich ziemlich sicher.
Aber wenn durchsickerte, dass sich irgendein Unsichtbarer gehäuft im Umfeld von Jägerangriffen blicken ließ?
Das konnte schon anders aussehen.
Mit einem Mal war seine Gegenwart eine viel ernstere Gefahr als normalerweise.
Mittlerweile war er an der richtigen Haltestelle angekommen.
Bei der Traube von Fahrgästen, die sich dort bereits gesammelt hatte, drehte sich ihm der Magen um, also blickte er schnell zur Seite.
Oh. Hervorragend. Jess.
Su's beste Freundin stand in einem Kreis mit den üblichen Verdächtigen.
"Wie dem auch sei", sie rollte übertrieben laut mit den Augen, "Ich habe noch einen Zahnartzttermin. Mum holt mich dort drüben ab. Bis dann!"
Ihre Armreife klimperten, als sie wie wild winkend zurück zum Schulgebäude lief.
Die Schulschwänzerin schien sich ja herrvorragend wieder eingelebt zu haben.
"Byeeeeee", auch die lockige Jackie wirbelte ihre Hand enthusiastisch in der Luft herum.
Dann ließ sie ihre Hand sinken und rümpfte ihre Nase.
Shit.
Quinn kannte diesen Gesichtsausdruck. Er war ein unfehlbares Indiz dafür, dass jemand in nicht all zu kurzer Zeit durch den Dreck gezogen werden würde.
Na wunderbar. Und sein Bus ließ auf sich warten.
"Zum Zahnarzt. Genau", sie schnaubte, "bei dem Quark, den sie gestern Abend von sich gegeben hat, weiß ich echt nicht mehr was ich ihr noch glauben soll"
"Yep", Lisa verschränkte ihre Arme, "was glaubst du, was sie so dringend geheimhalten will, dass sie diese Trauershow abzieht?"
Irritiert blinzelte Quin. Hatte er sich verhört?
In 16 Jahren als stiller Lauscher war das nicht oft vorgekommen.
"Woah, wie bitte?", fuhr Chrissie dazwischen, "du hast gerade nicht ernsthaft das wieder aus der Versenkung gezogen!"
"Wir hatten darüber gesprochen", Jackie zuckte mit ihren Schultern, "und wir waren uns alle einig, dass da irgenderwas ganz schräg ist mit ihr im Augenblick"
"Ja, das hatten wir", konterte Chrissie, "aber hast du ihr gestern nicht zugehört? Sie hat echt einen scheiß Monat hinter sich! Ich finde, du kannst den Mist jetzt lassen!"
"Und das hast du ihr abgekauft? Wach auf!", Lisa verdrehte ihre Augen, "Jess ist vieles, aber gut im Lügen ist sie nicht!"
Also doch! Es war Madame Vampirschreck, auf die Jackie es heute abgesehen hatte. Eine angenehme Abwechslung?
Ein paar Schritte von ihm entfernt begannen Jackie und Lisa, sich Spekulationen über Jess zwischen den Zähnen hervor zu ziehen und auf den Pflastersteinen platt zu trampeln wie Kaugummi, während Chrissie dazwischenzeterte.
Irgendwie hinterließ dieses Getratsche einen schalen Geschmack in seinem Mund. Er hasste es, wenn die drei über Su herzogen, ja, aber wenigstens wusste Su, dass ihre Klassenkameraden hinter ihrem Rücken über sie lachten. Aber Jess? Jess war naiv genug, um blutsaugende Monster für ein cooles Hobby zu halten! Etwas sagte ihm, dass es das laute Mädchen verletzen würde, wenn sie jetzt das Gespräch ihrer Freunde anhören müsste.
Unbehaglich schauderte er. Was war es nur, dass die Sichtbaren so dazu trieb, versteckt Stiche gegeneinander auszuteilen?
Unsichtbare waren anders. Sie spuckten sich direkt ins Gesicht und schnitten einander die Kehlen durch, ohne all den Firlefanz. Gut, das war ungemein schrecklicher und über alle Maßen beängstigend, aber immerhin war es ehrlich.
Endlich! Zischend und träge fuhr der Bus in den Bahnhof ein.
Die Kinder in der deformierten Warteschlange begannen laut schnatternd durcheinander zu wuseln ind ertränkten den Rest des Gespräches.
Quin atmete auf. Gut, das war vorbei. Zeit, die bedrückenden Gedanken abzuschütteln und sich auf eine schnelle Busfahrt zu freuen. Heute war ein schöner Tag! Die Sonne schien, es war nicht zu warm, und...

BatsongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt