Ruby

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Schon wieder. Er konnte einfach nicht aufhören. Leicht genervt erhob sich Jaehyun von seinem gemütlichen Platz auf der Couch und stapfte in die Küche, um Taeyongs Hund zu beruhigen.

Sein Freund hatte ihm den Hund für den Tag gegeben, weil er sich heute nicht um sie kümmern konnte, da er viel zu erledigen hatte. Jaehyun hatte damit kein Problem; er war ein Tierfreund und außerdem liebte er Ruby. Doch das Bellen, das schon seit acht Uhr morgens zu hören war (jetzt war es 16 Uhr), zog langsam an seinen Nerven. Irgendwann wollte er auch mal seine Ruhe haben.

Außerdem waren schon diverse Nachbarn vor seiner Appartementtür gewesen und verlangten, dass der Hund gefälligst leise sein soll, weil es sie störte. Er hatte immer wieder gesagt, dass er nichts dagegen tun könnte, da es nicht sein Hund ist und versucht, die wütenden Nachbarn zu beruhigen indem er sagte: „Ich habe sie nur heute, zum Aufpassen. Ihr Besitzer wird sie heute um halb sechs abholen, also halten Sie bitte noch so lange durch..."

Die Nachbarn waren dann immer mit einer sauren Miene gegangen, hatten es aber wohl oder übel akzeptieren müssen.

Es war Jaehyun immer noch ein Rätsel, wie so ein kleines Tier so viel Lärm machen konnte.

„Ruby, ruhig", beschwichtigte er den bellenden kleinen Hund und streichelte seinen Kopf. Tatsächlich verstummte der kleine Hund und rannte schwanzwedelnd zu dem Futternapf, den Jaehyun extra neu gefüllt hatte.

Seufzend fuhr er sich übers Gesicht. Heute war eigentlich sein freier Tag und er hatte lange schlafen wollen. Als es dann aber um halb acht an seiner Tür geklingelt hatte, und ein aufgelöster Taeyong mit einem süßen kleinen Fellbündel im Arm vor ihm stand, war es um seinen Schlaf geschehen.

Aus Liebe zu seinem Freund hatte er zugestimmt, auf Ruby aufzupassen. Taeyong hatte eigentlich immer viel zu tun, doch er gab es nie zu. Wenn er es dann aber zugab, was auch nur alle drei Sommersonnenwenden passierte, dann war es meistens wirklich viel.

Als er also so dastand, angelehnt an den Türrahmen zur Küche, und Ruby beim fressen beobachtete, ertönte auf einmal der Laut der Klingel durch die Wohnung.

Ruby hob kurz aufmerksam ihren Kopf und lauschte, dann steckte sie ihn wieder in ihr Futter.

Mit absichtlich langsamen Schritten ging Jaehyun auf die Tür zu. Er hatte keine Lust mehr. Er wusste einfach schon, dass ein weiterer aufgebrachter Nachbar vor seiner Tür stehen würde, mit einer zusammengerollten Zeitung in der Hand drohend auf ihn zeigend. Als er vor der Tür stand, zwang er sich ein Lächeln auf. Es würde die Wut seines Gegenübers kaum mildern, wenn Jaehyun ihn auch anschreien würde.

Ohne durch den Türspion zu schauen, riss er die Tür förmlich auf.

„Hören Sie, es tut mir leid, dass der Hund so laut ist. Aber ich kann sie auch nicht wirklich zum Schweigen bringen, außerdem wird sie in anderthalb Stunden abgeholt, also wenn Sie sich so lange gedulden könnten, wäre ich Ihnen sehr verbunden." Diese Sätze hatte Jaehyun heute schon so oft gesagt, dass sie ihm förmlich zum Hals heraushingen.

Er hatte sein Gegenüber nicht gemustert und die Augen geschlossen gehalten, aufgrund seiner Nerven, die langsam zu reißen drohten.

„Oh nein, deswegen bin ich nicht hier."

Eine freundliche Mädchenstimme.

Erstaunt öffnete er die Augen und sah sie an. Es fühlte sich an, als würde seine ganze Welt in sich zusammenbrechen. Es war die neue Nachbarin, die direkt unter ihm eingezogen war.

Vor ungefähr drei Wochen hatte er sie zum ersten Mal gesehen, als sie versuchte, ihren Briefkasten zu öffnen. Hilfsbereit wie er nun einmal ist, hatte Jaehyun ihr natürlich geholfen und nach einem kurzen Smalltalk kehrten beide zurück in ihre Wohnung. Seitdem sah er sie manchmal im Treppenhaus, und sie begrüßten sich mit einem Lächeln oder freundlichen Nicken. Jaehyun war so im Bann ihrer Schönheit gefangen. Sie schien zu leuchten, jedes Mal wenn sie ihm ihr Lächeln schenkte. Sein Herz machte Purzelbäume in jeder Sekunde, in der sie ihm Aufmerksamkeit schenkte. Er verfluchte sich für seine Nervosität. Die Treppenbegegnungen waren zu kurz gewesen, um tiefergehende Gespräche anzufangen, vor allem da beide immer auf ihrem Weg irgendwo hin waren und daher auch nicht wirklich Zeit blieb. Und Taeyongs Idee, einfach mal bei ihr zu klingeln und nach einem Päckchen Zucker zu fragen und dann einen kitschigen Anmachspruch zu bringen war auch keine Lösung. Allein bei dem Gedanken begannen seine Hände zu schwitzen und sein Gesicht wurde rot. Verzweifelt hatte er sich damit abgefunden, nie wirklichen Kontakt zu ihr aufbauen zu können, und jetzt stand sie entgegen aller Fügungen des Universums plötzlich vor der Tür seiner Wohnung?

RubyWhere stories live. Discover now