Kapitel I - Ach, wäre er doch nur meins

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Da lag er nun. Inmitten von flackernden Kerzen, die seinen Schatten sich an der Wand abzeichnen ließen und eine romantische Atmosphäre erzeugten. Die roten Vorhänge wogen sich im leichten Luftzug, der durch das angelehnte Fenster in den durch die glühende Heizung gewärmten Raum gelang.  Die einzig wirklich zuverlässige Lichtquelle, die nicht bei dem nächsten Windstoß ausgehen würde, war die zu der restlichen Inneinrichtung passende, rote Lampe, die auf dem  Beistelltisch meines Bettes, gefertigt aus Buchenholz und verziert mit Volunten, stand. 

Er lag ganz ruhig da. Ich konnte seine langsamen, gleichmäßigen Atembewegungen hören, während er im Halbschlaf auf meinem Schlafgemach, bezogen mit einer schlichten Microfaserbettdecke und einer bordeauxfarbenen Wolldecke, lag. Sein blaues Fell, das sich wie ein samtiges Gewand um seinen Körper schmiegte, schimmerte synchron mit den Bewegungen der fortwährend flackernden Kerze und seinen Atembewegungen. Seine Flügel, halb bedeckt von seiner anmutigen, blauen Mähne, zuckten, als ich einen Schritt in den Raum machte, um meinem Lieblingshengst etwas näher zu kommen. Letztendlich, konnte ich mich kaum zurückhalten und begann leise zu kichern, möglichst versuchend, ihn nicht aus seinen vermutlich schönen Träumen zu wecken. Dennoch wollte ich ihm näher kommen, denn ich hatte mich durchaus in das Pegasus verguckt, welches bei mir nächtigte - Seien es seine grünen Augen, die ich schon immer bewunderte, da, wenn sie in der Sonne funkelten, ich meinen Blick nicht von ihnen nehmen konnte. Sei es seine zuckersüße Art, die er bei jedem Treffen erneut zu Tage legt oder einfach seine Nähe, die ich jede Sekunde genoss. Ich wollte ihn für mich haben. 

Während ich in meinem kleinen Zimmer stand, und sich meine Blicke stets auf ihn richteten, überlegte ich, ob er das selbe für mich fühlt. 'Was wenn mich nicht so sehr mag, wie ich ihn?' oder 'Wie wird er reagieren, wenn ich ihn überhaupt darauf anspreche?' waren nur 2 von tausenden Fragen, die mir in diesem Moment wie eine wild gewordene Fliege durch den Kopf flogen.

Völlig in meinen Gedanken vertieft, völlig abgeschottet von jeglicher Wahrnehmung der Realität, bemerkte ich nicht, wie sich der muskulöse Hengst auf meinem Bett von der Wand in einer schwungvollen Bewegung in meine Richtung drehte. Erst in dem Moment, wo er meine Anwesenheit schon lange erfahren hatte, spürte ich, wie er verschlafen, aber dennoch verwundert zu mir starrte. Auch ich versuchte meinen Blick auf den Übernachtungsgast zu fokussieren, was mir jedoch nur mit Mühen gelang, während mein Kopf seine Farbe von orange zu rot wechselte und sichtbar machte, wie peinlich berührt ich war.

"Wie lang stehst du da schon?" war die erste Frage, die urplötzlich in den noch kürzlich so stillen Raum fiel. "Nun, also.. Eh" versuchte ich zu antworten, jedoch brachte mein sonst so vorlauter Mund keinen sinnvollen, korrekten Satz zustande, der die jetzige Situation erklären würde. Meine Hufe, sonst durch meine trainierten Beine fest auf dem Boden stehend, begannen zu zittern und machten erneut sichtbar, dass mir die Umstände ziemlich unangenehm waren. Auch wenn er mit seiner nun leicht verstrubbelten, unordentlichen Mähne und dem Schlaf in beiden Augen recht süß, gar zum anbeißen aussah und ich ihm faktisch näher kommen wollte - erwischt zu werden, wie ich ihn buchstäblich beim schlafen beobachtete, war von mir nicht geplant.

Ich machte in meiner Unsicherheit ein, zwei Schritte zurück, um mich nach und nach aus dem Schlafzimmer zu manövrieren, stolperte allerdings über die Fußleiste, die den Flur vom Schlafzimmer abgrenzte und fiel mit meinem Hinterteil auf den weichen, weißen Teppichboden, der sich durch den gesamten Korridor erstreckte. In diesem Moment sah ich, wie mein Gast aufstand und mit besorgter Mimik in meine Richtung lief. Meine Versuche, mich angemessen zu artikulieren und nicht erneut in eine Reihe aus Äh und Eh zu verfallen, schlug auch dieses Mal fehl, als mir mein Lieblingshengst vom Boden aufhalf. 

Mein LieblingshengstWhere stories live. Discover now