»Wieso hast du so Glück? Ich hab auch ne Dating-App und da sind nur Idioten?«, beschwerte sich Tatum mit zusammengezogenen Augenbrauen.

»Weil du nach den falschen Menschen suchst«, schoss Parker zurück und ich musste lachen.

Tatum's Geschmack war in der Tat fraglich. Sie zog einen Fuckboy nach dem nächsten an und das auch noch mit voller Absicht, nur um sich im Nachhinein zu fragen, warum die nur Sex wollten.

»Und bei dir, Lyra?«

Augenblicklich hielt ich in meiner Bewegung inne. Mein Herz machte einen Sprung und in mir schrillten sofort alle Alarmglocken. Fuck.

Ich zuckte mit den Schultern und versuchte mir möglichst nichts anzumerken. Doch Parker schien das nicht zu reichen. Sie legte den Kopf schräg und fixierte mich mit ihren grauen Augen.

»Warum erzählst du uns nichts von dem Kerl?«

Ich presste meine Zähne aufeinander und starrte hinunter in das Glas in meinen Händen.

»Welcher Kerl?«, fragte Brinley.

»Der, mit dem sie den Sommer unterwegs war«, erwiderte Tatum an Parker's Stelle, während sich alles in mir zusammenzog. Ich hatte nie ein Wort darüber verloren und doch schien jeder Bescheid zu wissen. »Er sah eigentlich ganz gut aus.«

Und sofort schoss mein Kopf nach oben.

»Woher weißt du wie er aussieht?« Die Wort verließen meinen Mund, bevor ich darüber nachdenken konnte und Tatum's Gesicht verzog sich zu ein zufriedenem Lächeln. »Ich hab ihn gesehen, als er dich abgesetzt hat.«

Aber– Fuck! Wieso hatte ich daran nicht gedacht?

»Also, warum erzählst du nicht davon?«

Ich zog die Augenbrauen zusammen und starrte wieder auf den Tisch. »Weil ich nicht will.«

»Gott, bist du stur!«, entfuhr es Tatum, gefolgt von einem Schnauben.

»Hey.« Ich spürte Parkers Hand an meiner und es brachte mich dazu sie wieder anzusehen. »Wenn in den Wochen irgendwas... passiert ist, kannst du dich uns anvertrauen.«

Ich verstand erst nicht was sie damit meinte, doch dann fiel der Groschen und ich riss entgeistert die Augen auf. »Nein, Parker! Er hat mir nichts getan.«

Gott, Conall würde mir niemals etwas tun können. Er lief mir ja nicht mal nach, obwohl ich genau wusste, dass er es wollte. Dass er eine Antwort auf mein Verhalten haben wollte oder zumindest eine vernünftige Verabschiedung. Er tat es nicht, weil er wusste, dass ich es nicht wollte. Dabei wollte ich es insgeheim, aber auch nicht wirklich und es war alles so verwirrend, dass mir allein bei dem Gedanken der Kopf schwirrte. Wieso war alles so kompliziert?

»Dir liegt was an ihm«, stellte Parker fest und nahm ihre Hand von meiner.

Ich presste meine Lippen zusammen und wandte meinen Blick ab, ließ ihn durch die Bar wandern und spürte unweigerlich wie ich nach ihm suchte. Dabei wäre es absurd ihn hier zu finden.

Ich hörte Parker seufzen und gleich darauf begannen sie drei wieder miteinander zu erzählen. Doch ich war nicht mehr richtig da. Ich war in meinen Gedanken versunken und konnte nur daran denken, wie sehr ich Conall vermisste.

*

Gegen halb neun verließ ich die Bar. Die anderen waren entrüstet und wollten mich aufhalten, doch ich konnte da nicht länger sitzen und mich allein meinen Gedanken hingeben. Sie drehten sich wieder in meinem Kopf und wollte einfach keine Ruhe geben.

Ich nahm meine Tasche, entschuldigte mich bei den anderen und machte mich auf den Weg nach Hause. Für eine Weile stand ich im Dunkeln an der Bushaltestelle, bevor ich mich dazu entschied zu Fuß zu laufen. Ob ich nun eine Viertelstunde wartete oder eben nach Hause lief, spielte kaum eine Rolle.

Und so vergrub ich meine Hände in den Tasche meiner Jacke, setzte einen Fuß vor den anderen und trottete langsam über den Bürgersteig die Straße hinauf. Die kalte Luft klärte meine Kopf, schien die Gedanken gar einzufrieren und verlieh mir endlich die ersehnte Ruhe. Nichts, was sich drehte, nichts, was sich in mein Herz bohrte, einfach nichts, was mich terrorisierte.

Ich amtete die Luft ein, spürte wie sich meine Lunge zusammenzog, wie ich Gänsehaut am ganzen Körper bekam und wie meine Nase zu laufen begann. Ich genoss es. Die Kälte war so viel besser als das aufbrausende Chaos zuvor.

Und bevor ich es verstanden hatte, trugen mich meine Füße an dem Plattenladen vorbei, an dem ich Conall das letzte Mal im Auto gefunden hatte. Doch diesmal stand sein Wagen nicht davor.

Ich blieb stehen, starrte auf die Stelle, wo sein Auto letztes Mal gestanden hatte, und blickte dann zum Laden. Das Schild war schon auf 'geschlossen' gedreht, doch innen drin leuchtete noch ein schwaches Licht. Ich lehnte mich vor, versuchte durch die Tür nach drinnen zu gucken und irgendwas zu erkennen.

Und dann sah ich ihn.

Er stand mit dem Rücken zu mir, ein Karton in den Armen.

Ohne zu zögern, griff ich nach dem Türgriff und drückte die Glastür auf. Mein Fuß trat über die Schwelle und sofort kam mir eine Welle der warmen Luft entgegen. Mein Herz machte einen Sprung, während sich in meinem Magen ein flaues Gefühl breit machte.

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