Ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen. Sie wollte gerade beginnen eine Antwort, auf denselben Zettel, zu schreiben, als er ihr den ganzen Stapel der Klebezettel entgegenhielt. Sie unterließ es, in sein Gesicht zu schauen, und nahm stattdessen die Hälfte des Stapels an sich. Sie wusste nicht weshalb, doch sie achtete darauf, so schön und leserlich wie möglich zu schreiben. Sie klebte den fertigen Zettel dann zwischen die beiden auf die Bank, damit er ihn lesen konnte. Sie schielte ein wenig, um seine Reaktion beobachten zu können, ohne dass er sie erwischte. Er grinste und sie musste lächeln, als sie das aufgeregte Glitzern in seinen Augen bemerkte. Er war unglaublich erleichtert, dass sie ihn dieses Mal nicht abgewiesen hatte und nun sogar den Eindruck machte auf seine Idee einzugehen. Er schrieb schnell eine neue Frage auf und reichte ihr den Zettel, wobei er sich unbemerkt ein wenig näher zu ihr beugte. Sie nahm das kleine Papierstück sofort an und machte sich daran eine Antwort aufzuschreiben.

So vergingen ein paar Stunden, die sich für die beiden bloß wie ein paar Minuten anfühlten, indem sie miteinander schreiben, ohne je ein Wort gewechselt zu haben. Und es schien beide nicht zu stören. Sie genossen die Ruhe.

Wenn er schrieb, wartete sie geduldig.

Wenn sie schrieb las er nebenbei mit.

Immer wieder lächelten die beiden sich an. Gesprochene Worte waren nicht nötig. Sie ließ ihre Augen sprechen und er hörte ihnen zu. Er verstand die Sprache, die sie nutzte, auch wenn es kein anderer tat. Und sie wusste das zu schätzen.

Erst als es so dunkel wurde, dass sie nicht mehr lesen und schreiben konnten, ihre Zeichnung unvollendet in ihrer Tasche lag und er den Kopf hob, um in den Himmel zu schauen, hörten sie auf. Auch sie blickte in den Himmel und genoss die angenehme Abendluft, sie ihre Haut sanft streichelte. Die Sonne war nun untergegangen. Es erscheinen bereits einige Sterne am Nachthimmel und auch der Mond kämpfte um seinen Platz am Himmelszelt. Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden und das leichte Licht des Mondes begrüßte die Nacht.

Er wandte seinen Kopf von diesem unglaublichen Naturereignis ab und sah sie an. Wie verträumt sie die Sterne zählte und insgeheim hoffte eine Sternschnuppe über den Himmel fliegen zusehen. Langsam hob er die Hand, um sie nicht zu erschrecken und zog ihr vorsichtig die Kopfhörer aus den Ohren. Die Emotionen, die man nun von ihrem Gesicht ablesen konnte, änderten sich und von ihren Augen schien plötzlich eine unglaubliche Traurigkeit auszugehen. Er lächelte dennoch. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, weil er es nicht ertragen konnte, dass sie plötzlich so verletzlich zu seien schien. Dennoch verzauberten ihn ihre Augen. Selbst im Dunkeln. Und auch wenn sie nun geschlossen waren, und sie versuchte ruhig zu atmen und nicht in Tränen auszubrechen, leuchteten sie unglaublich hell und strahlend. Sie zogen ihn magisch an und er konnte sich nicht gegen sie wehren. Als sie ihre Augen wieder öffnete, senkte sie langsam den Kopf, doch sie sah ihn weiterhin nicht an. Ihr Blick lag irgendwo im nirgendwo. Er versuchte sie durch ein Lächeln ein wenig zu beruhigen und mit leisen, ruhigen Worten ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, doch sie hörte ihn nicht. Nicht einmal jetzt wo sie keine Kopfhörer mehr trug. Er legte Daumen und Zeigefinger unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf mit sanftem Druck in seine Richtung. Wieder sagte er etwas, das sie nicht verstehen konnte. Vorsichtig löste sie sich aus seinem Griff und schüttelte den Kopf. Er sah sie irritiert an und verstand nicht, was sie ihm damit sagen wollte. Sie griff erneut das dem Papier und versuchte, trotz der Dunkelheit, eine Erklärung zu formulieren.

Ich bin taubstumm.

Seine Augen weiteten sich, als er las, was sie geschrieben hatte. Geschockt sah er sie an. Ihr Gesicht war mit Trauer, Schmerz und sogar ein wenig Enttäuschung übersäht. Doch sie konnte ihn verstehen. Sie hatte schon oft Menschen kennengelernt, die erst kein Problem damit hatten, dass sie weder hören, noch richtig sprechen konnte. Doch an einem bestimmten Punkt waren sie am Ende alle angelangt, an dem sie mit den Situationen überfordert waren und einfach nicht mehr genug Rücksicht auf sie nehmen wollten oder konnten. Sie verstand das. Es war mit Sicherheit schwer, eine Behinderte so zu behandeln, als ob sie normal wäre. Sie sollte sich nichts vormachen und den Tatsachen ins Auge sehen. Auch er würde sich vermutlich nicht allzu sehr von den anderen unterscheiden. Sie wollte diese Vorurteile zwar nicht zu nah an sich heranlassen, doch sie waren da und wurden in ihrem Kopf so lange immer lauter, bis sie sich einfach erhob, nach ihrer Tasche griff und den Park verlassen wollte. Sie musste jetzt nach Hause und sich in ihrem Bett verkriechen. Und so armselig das jetzt klang, wollte sie einfach nur noch in Selbstmitleid versinken und sich von ihrer Familie trösten lassen. Sie wollte nie so sein. Sie hatte das nicht verdient. Sie verstand nicht, warum gerade sie damit gestraft wurde ein Leben zu leben, indem sie nichts hören konnte.

т a u в s т u м м  ✔Where stories live. Discover now