Kapitel 6: Leon

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Leon war rundum zufrieden mit sich selbst. Ganz besonders, dass er sich mal wieder bei einem Gespräch mit Libra durchgesetzt hatte. Nicht, dass er ihr nicht vertraute, das war absolut nicht der Fall. Nur handelte sie manchmal etwas überstürzt. Um nicht zu sagen, zu sehr. Einen Panther aufzunehmen, über den man nichts wusste, war genau das. Und naiv obendrein. Da war es nur gut, dass er der Besitzer dieses Cafés war und dieses nur aus reinem Privatvergnügen betrieb. Das wiederum bedeutete, dass er es ganz nach eigenem Belieben schließen und öffnen konnte. Und ganz genau das würde er jetzt tun. Zudem musste er zugeben, dass er ziemlich neugierig auf Libras Gast war. Denn auch er hatte noch nie mit einem Panther zu tun gehabt. Vor allem mit einem Wilden nicht. Oder überhaupt einem anderen wilden Hybrid nicht. Nicht nur weil es hier in der Stadt so gut wie keine mehr gab, normalerweise blieben sie auch lieber unter sich. Meistens verhieß es daher nichts Gutes, wenn ein Hybrid von jetzt auf gleich seine Gewohnheiten änderte. Das wusste er aus eigener Erfahrung. Genau deshalb ließ es ihn nur noch skeptischer werden. Skeptisch mit einer großen Portion von Neugierde und Misstrauen.

»Leon? Hallo? Bist du noch anwesend?«, riss ihn mit einem Mal Libras Stimme aus seinen Gedanken. Er spürte, wie sie ihn nicht gerade sanft in den Arm kniff. »Oder ignorierst du mich etwa?«

»Würde mir doch niemals einfallen.« Leon grinste sie frech an und ignorierte die Schmerzen in seinem Arm. »Und jetzt entschuldige mich kurz, ich muss die Mädels an Tisch zwölf bedienen«, er zwinkerte ihr verschwörerisch zu, nur um kurz darauf seine Worte in die Tat umzusetzen.

Libra, die ihm hinterher sah, seufzte. Sie hielt nichts von solchen Mädchen oder jungen Frauen, wie die von denen Leon sprach. Die so aufgetakelt aussahen, als ob sie in einen oder gleich mehrere Farbeimer gefallen wären. Denn auch wenn es für einige, die nicht lange in der Stadt lebten, unverständlich sein mochte: Es gab auch Hybride, die sich bis zur Unkenntlichkeit zu kleisterten. Warum auch immer. Dabei war normale Schminke eigentlich zu aggressiv für deren Haut und vor allem die Nase der meisten Felidae und Canidae. Aber zum Glück wussten die Wissenschaftler eine Lösung – hybridfreundliches Make-up. Ja sogar hybridfreundliches Haarshampoo und Seife gab es inzwischen. Die Welt war wirklich verrückt. Und wurde es in all den Jahren immer mehr. Zumindest kam es Libra so vor. Trotzdem redeten alle davon dass das »moderne Zeitalter« angebrochen war. Nur seltsam, dass die Ansichten, insbesondere die der Menschen, immer noch so verstaubt waren wie vor vielen Jahrhunderten. Und das war nichts, was gut war. Zu oft war dadurch schon zu viel schlimmes passiert. Doch auch nach all den Jahren schienen nur wenige aus der bisherigen Geschichte zu lernen.


Libra seufzte. »Wahrscheinlich wäre es trotzdem besser, wenn ich mir erst einmal Sorgen um mich selbst mache«, murmelte sie und wagte sich nicht vorzustellen, was passieren würde, wenn Leon auf Kael traf. Denn sie war sich ziemlich sicher, dass Kael alles andere als begeistert wäre. Andererseits aber, konnte sie Leon nicht davon abhalten. Vielleicht würde es auch gar nicht so schlimm werden, wie sie dachte.

Natürlich kam es nicht so, wie Libra befürchtete, sondern um einiges schlimmer. Auch wenn es zuerst gar nicht danach aussah, als sie und Leon ankamen. Stattdessen war es sehr ruhig im ganzen Haus, noch nicht einmal die Hausdrohne begrüßte sie beide. Was nicht nur sie, sondern auch Leon zu überraschen schien.

»Es kann eigentlich nicht sein, dass er uns nicht bemerkt hat«, meinte Leon und sprach damit aus, was Libra dachte. »Es sei denn ...«, er wollte noch mehr sagen, wurde jedoch unterbrochen.

»Libra bist du zurück?«, es war Kael der dort auf der Treppe stand. »Und wer ist das?« Seine Stimme war nicht besonders laut, beunruhigte Libra jedoch.

»Ja bin ich«, antwortete sie und versuchte möglichst gelassen dabei zu klingen. »Und das hier ist ein Freund von mir. Sein Name ist Leon.«


Beast - Erwecke das Tier in dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt