Kapitel 1

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Es ist genau ein Jahr her. Vor einem Jahr starb mein Bruder an Krebs. Es war kein schleichender Prozess. Nein, unter schleichend verstehe ich etwas anderes. Er bekam die Diagnose im November 2017. Es folgt Chemotherapie und eine Knochen Beinprothese. Ihm fielen langsam die Haare aus und er fing an abzunehmen. Ja ein schöner Anblick ist es nicht . Es tut nicht nur der Familie weh sondern auch ihm selber. Denn er ist ein leidenschaftlicher Tänzer gewesen. Er hatte eine Freundin die auch seine Tanzpartnerin war und er gewann laufen Turniere in Standard und Latein Tänzen. Sein ganzer Freundeskreis kam aus den Tanz Kreisen. Doch es verschreckte seine Freunde ihn ohne Haare zu sehen und sie fingen an sich von ihm zu entfernen. Seine Freundin blieb für drei Monate und gab dann auch auf. Er blieb am Ende alleine nur mit uns als Familie zurück und wusste nicht wieso. Denn wenn wir ehrlich sind ist es nicht gerechtfertigt in der schwersten Zeit seines Lebens ihn alleine zu lassen. Wenn Leute behaupten es würde zu viel Schmerz erzeugen bei ihm zu bleiben und ihm zuzusehen dann haben sie eindeutig noch nicht verstanden dass er viel größeres Schmerzen hat.
Er hat Gedanken die zum Selbstmord tendieren, denn sich ständig zu erbrechen, ein blasses Gesicht zu haben und keinerlei Haare ist wirklich nichts Schönes.
Und gerade als es ihn anfing besser zu gehen, er eine Reha gemacht hat und als Mann zurückgekehrt ist, kam die Diagnose. Er hatte Metastasen in der Lunge, im Magen, in der Niere, im Kopf. Sie haben versucht ihm die Metastase aus dem Kopf zu operieren, doch es dauerte nicht lange und sie war wieder da.
Man könnte sagen es ist ein Segen dass die Metastase im Kopf wieder da war, denn die Metastasen in der Lunge sind um einiges schlimmer. Der rechte Lungenflügel war komplett befallen und er konnte nicht auf dieser Seite liegen ohne keine Luft mehr zu kriegen. Die Metastase im Kopf sorgte dafür dass er das Gefühl im Körper verlor und hat sein Leben schneller beendet.
Einige würden sagen das ist doch nichts Gutes aber ich sage doch es ist denn der Tumor der in der Lunge ist wächst zwar schnell aber es ist als würde dir jemand den Hals zu drücken und dich erwürgen. Der Unterschied zu ihm ist, dass er langsam keine Luft mehr bekommt und qualvoll erstickt. Er hat keinerlei Chance sich zu wehren wie eine Person die gerade gewürgt wird.
Es passierte plötzlich: Wir mussten ihn an Morphium anschließen um ihn all seine Schmerzen nehmen zu können, das bedeutete auch dass er nicht mehr ansprechbar war. Ich habe mich vor diesem Anblick so gefürchtet dass ich mich nicht herunter zu ihm getraut habe. Als ich unten war und ihn sah brach ich in Tränen aus. Er lag blass im Bett regungslos und kreidebleich. In der Hoffnung er würde mitbekommen was draußen um ihn herum passiert nahm ich seine Hand und hielt sie. In der ersten Sekunde habe ich vergessen das seine linke Hand taub ist und er nichts spürt und trotzdem bewegte er sie als ich sie in meine Hand nahm. Ich nahm ein Tuch und wischte ihn den Schweiß vom Gesicht, der sich gebildet hat weil er un sein Leben kämpft. Er hat gewartet. Eine Woche lang hat er gewartet. Meine Tante hat am Telefon zu ihnen gesprochen denn sie war nicht im Land als es passierte. Mein Cousin kam um sich zu verabschieden genauso wie meine beiden Großeltern. Er hatte die Chance bekommen sich bei allen zu verabschieden und starb Freitag Nacht in Anwesenheit beider Hunde und meiner Eltern. Sie hatten unten geschlafen um dabei zu sein jedoch konnte ich das nicht. Denn ich bin eine Person die innerlich leidet und ich zeige selten was wirklich los ist. Die Woche lang konnte man mit beobachten wie die Metastase im Kopf größer wurde und die von der OP auf gesägte Schädeldecke sich langsam ab hebte. Ja es war kein schöner Anblick desto mehr hat es mich "gefreut" wo er gestorben ist denn jetzt hat er keine Schmerzen mehr und muss sich keinerlei Sorgen machen. Ja ich bin dankbar das sein Leiden nun ein Ende gefunden hat. Natürlich vermisse ich ihn . Er ist immernoch noch mein Bruder und ein Teil unserer Familie.

Als ob der Schmerz nicht reichen würde rief ich in der arbeit an um mich krank zu melden. Das einzige was mein Ausbilder zu mir sagte nachdem ich mitgeteilt hatte dass ich die Woche krankgeschrieben war war: "Das konnte ich mir schon denken . "
Dieser Satz hat sich in meinen Kopf gebrannt und selbst nach einem Jahr ist er mir präsent. Denn nicht nur das hat mein Ausbilder gemacht bzw gesagt . Nein drei Lehrjahre zwei Ausbilder und ein Ausbildungs Chef waren an der Aussegnung meines Bruders dabei. Die einzigen die ihr Beileid mir ausgesprochen haben sind 10 aus meinem Ausbildungsjahr die restlichen 60 Personen sind einfach gegangen darunter auch zwei Ausbilder und der Ausbildungs Chef. Ich erwarte nicht von den Lehrjahren mein Beileid nein ich erwarte von meinem Ausbildern diese zwei Worte denn die zeigen dass Sie registriert haben dass ich gerade meinen Bruder verloren habe und es eine sehr schwere Zeit anbricht. Sie kannten meinen Bruder genauso denn wir haben zusammen die Ausbildung angefangen. Doch es scheint sie nicht zu interessieren. Ich hatte eigentlich meine Zwischenprüfung eine Woche bevor mein Bruder gestorben ist aber ich habe sie deswegen verschoben weil ich nicht in der Lage war diese durchzuführen. Ein halbes Jahr später standen meine Zwischenprüfungen an und mein Ausbildungs Chef sagte zu mir " sie haben etwas erlebt aber jetzt ist es vorbei machen sie weiter mit ihrem Leben. Ich will meinem Chef nicht zeigen müssen dass es auch schlechte Azubis gibt. " Ja ich fühle mich missverstanden. Ich erwarte nicht viel von meinem Ausbilder denn er ist nur neun Jahre älter als ich und absolut unerfahren. Er ist seit zwei Jahren aus Ausbilder und weiß mit solchen Situationen nicht umzugehen. Trotzdem haben mich seine Worte sehr getroffen . Wenn von irgendjemanden der Opa oder die Oma stirbt dann schafft es jeder sein Beileid auszusprechen also wieso schafft es niemand bei mir . Wieso habe ich immer das Gefühl alleine zu sein, nicht verstanden zu sein, Luft zu sein. Ich hatte an dem einen Tag Theorieprüfung, dann einen Tag zum Üben für die Praxis und dann die praktische Prüfung. Ich hatte das Pech ein Magen-Darm-Virus am Wochenende zugezogen zu haben . Das heißt mit hohem Fieber und Durchfall habe ich meine Theorie durchgezogen. Diesen zwischen Tag zum üben habe ich nicht nutzen können. Ich war zwar in der Arbeit doch ich wäre fast umgekippt. Als ich meinen Ausbildung Chef mitgeteilt habe dass ich früher nach Hause gehe weil es mir nicht gut geht hat er bloß gemeint "es ist ihre Entscheidung wenn sie krank sind müssen Sie die Theorie noch mal machen genauso wie sie die Praxis machen müssen an einem anderen Termin an einer anderen Firma. Wenn Sie glauben es ist das richtige jetzt nach Hause zu gehen dann machen sie es . " das klingt jetzt nicht schlimm aber wie er es gesagt hat hat mir gezeigt er denkt nur an die Firma.
Ich habe die praktische Prüfung am nächsten Tag durchgezogen mit Durchfall . Ich war schlecht doch nicht so schlecht wie er es behauptet. Denn ich bin über den Kammer Schnitt und dennoch muss ich mir anhören dass ich richtig schlecht wahr. Klar er musste mir in der praktischen Prüfung helfen aber dennoch bin ich nicht so schlecht. Wieder mal wird mir das Gefühl vermittelt nicht zu können und wertlos zu sein.

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