Nightmare

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Seine blauen Augen sind stechend. ,,Aber Maus..." ,,Nein, Patrik.", sage ich bestimmt und trete einen Schritt zurück.
,,Ich hänge an meinem Leben."
,,Wir könnten zusammen frei sein, für immer. Das wäre kein Ende. Es wäre ein Anfang, der Anfang einer wundervollen Zukunft. Maus." flüstert er und streckt seine Hand aus, um mir über die Wange zu streichen. Als ich zurückschrecke, wechselt sein Gesichtsausdruck von träumerisch zu entschlossen.
,,Ich will, dass du mit mir gehst."
Schneller als ich reagieren kann, packt er mich und legt seine Hände um meinen Hals.
,,Lass los!!!", brülle ich ihn an. Ich versuche mit meinen Händen seine zu lösen , doch je mehr ich mich anstrenge, desto fester wird sein Griff. Er meint es ernst. Und ich habe körperlich absolut keine Chance. Panik steigt in mir auf. Er will es durchziehen. Ich fange an zu schreien, zu weinen, ich versuche zu treten. Ich versuche ihn anzuspucken, zu beißen, doch es geht nicht... Seine Hände sind wie ein Eisenring um meinen Hals. Kalt, starr. Seine Augen sind Gefühllos. Irre. Ich merke, wie sich das Sichtfeld meiner Augen stetig verkleinert. Meine Beine werden schwummrig. Ich merke, wie mein angestrengtes Atmen ein Röcheln wird. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein. Es kann nicht hier zu Ende sein. Ich habe noch so viel vor... so viele Träume, Wünsche, ICH WILL LEBEN VERDAMMT!!! Das Letzte, was ich sehe, ist sein Irrer Gesichtsausdruck. Das kann nicht sein. Neben meiner Panik mischt sich ein anderes Gefühl. Trotz? Ja. Ich dachte, dass das Letzte, was man sieht, etwas Schönes sein muss. Ein Strand. Ein Foto, dass den glücklichsten Moment im Leben zeigt. Irgendwas... das mich lächeln lässt, und mir sagt, dass es gut war. Dass es Zeit ist. Dass es so richtig ist. Aber das habe ich verdammt nochmal nicht. Und deswegen kann es noch nicht soweit sein.
Ich spüre Schmerzen auf meiner Wange. Schläge? Brennende Schmerzen auf meinem Brustbein. Aber seine Hände sind doch an meinen Hals....

Ich reiße meine Augen auf. Ich stehe nicht. Ich liege. In meinem Bett. In meinem Zimmer. Kein Patrik. Jemand klopft mir mit ordentlich Schmackes auf meine Wange und reibt über mein Brustbein.
,,Ganz ruhig. Ruhig."
Allein bin ich trotzdem nicht. Alex' Gesicht schwebt über meinem. Mir ist heiß und kalt zugleich. Mein Schlafanzugoberteil klebt an meinem Brustkorb und Rücken. Ich habe das Gefühl, dass meine Lungen so brennen, dass ich kaum atmen kann. Gar nicht atmen kann. Ich versuche mich aufzurichten und schnappe nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

,,Beruhige dich. Das war nur ein Traum. Nichts als ein Traum. Du bist hier im Bett. Niemand tut dir weh. Du bist sicher. Schau mich an.", sagt er mit einer komplett ruhigen Stimme, die irgendwie überhaupt nicht zu meinem derzeitigen komplett panischen Zustand passt. Er hebt mein Kinn an und zwingt mich ihn anzuschauen.
,,So, wir beruhigen uns jetzt.", sagt er bestimmt. Meine Hände kribbeln und verkrampfen sich, alles dreht sich. Ich hyperventiliere also, stelle ich fest. Und das heißt, dass die Atemnot nicht pathologisch ist. So langsam funktioniert mein Gehirn wieder, ich komme wieder im hier und jetzt an. Ich zwinge mich, meine Atmung zu reduzieren, auch wenn es absolut gegen mein derzeitiges Bedürfnis ist.
,,Sehr gut machst du das. Schau mich an. Ruhig ein und ausatmen."
Das erste Mal fixiere ich wirklich sein Gesicht. Der Mond, der durch mein Fenster fällt, erleuchtet sein Gesicht und bringt seine Augen zum Glitzern. Grün. Wie Smaragde, oder wie eine grüne Wiese in den Bergen... Ein schöner Anblick. Haaaaaalt! Ich fange mich ein. Ich werde stutzig. Dutzt er mich gerade? Anscheinend.

,,Besser?", fragt er. Seine perfekten Zahnreihen leuchten weiß. Ich nicke und schlucke. Meine Kehle ist staubtrocken. Dafür bin ich komplett nass geschwitzt. Ich lasse mich zurück in mein Kissen sinken. Mein Herz pocht immer noch heftig, ich spüre es überall. Selbst in meinem Daumen. Mein Blut rauscht in meinen Ohren.
,,Unangenehm, so Palpitationen, nicht wahr?''
Er tastet nach meinem Radialispuls. Seine Finger sind angenehm kühl.

,,So." Er erhebt sich von meiner Bettkante. ,,Ich hole jetzt mal was zu trinken." Ich beobachte verstohlen, wie er aufsteht und mein Schlafzimmer verlässt. Während er weg ist, rekapituliere ich meinen Traum. Denn es war nur ein Traum. Nur ein blöder Traum. Trotzdem komm ich nicht umher, mich aufzurichten, Licht anzumachen und in dem Spiegel meines Kleiderschrankes meinen Hals zu betrachten. Keine Würgemale. Dafür eine ordentlich gerötete Wange und verheulte Augen. Meine Haarsträhnen kleben mir im Gesicht- kurzum: ich seh echt echt eklig aus. Und fühle mich auch genauso.

,,Sorry dafür."
Er betritt wieder mein Zimmer mit einer Flasche Wasser und einem Glas und deutet auf meine Wange. Er zögert.
,, Sie waren echt kaum wach zu kriegen. Ich musste einen richtig ordentlichen Schmerzreiz setzen."
Ich schaue peinlich berührt nach unten. Jetzt sind wir wieder beim ,,Sie". Das verwirrt mich. Naja. Eigentlich verwirrt mich generell alles bei ihm.
Er schüttet mir ein Glas Wasser ein. Ich trinke gierig, da meine Kehle so trocken ist. Im gleichen Moment habe ich aber das Gefühl, dass es mir wieder hochkommt und ich setze das Glas ab.

,,Trinken. Sonst bekommen Sie das intravenös. Sie haben viel Flüssigkeit und Elektrolyte verloren.", sagt er bestimmt.
Während ich also weiter am Glas nippe, zieht er sich einen Stuhl heran und lässt sich nieder. Fühlt noch mal meinen Puls und mustert mich dabei. Ich kann dem Blick nicht standhalten.
,,Was war los?", fragt er.
,,Schlecht geträumt.", antworte ich.
,,Das hab ich gemerkt. Sie haben quasi das ganze Haus zusammengeschrien. Würd mich nicht wundern, wenn hier gleich die Polizei die Tür eintritt.", sagt er nüchtern.
Ich schweige und tue so als ob ich höchst beschäftigt mit meinem Wasserglas sei. Er sagt auch nix.
,,Was hab ich denn geschrien?", frage ich schließlich möglichst beiläufig.
,,Puh. Ich hab nicht alles mitgekriegt. Auf jeden Fall waren Sie ziemlich... am kämpfen."
,,Kämpfen?", wiederhole ich.
,,Ja, Sie haben sich rumgeschmissen. Als ich rein bin, waren Sie fast ausm Bett gefallen. Getreten haben Sie und um sich geschlagen. Und dann waren Sie auf einmal ruhig, haben sich überhaupt nicht mehr bewegt, nichts gesagt, und kaum noch geatmet. Eher so... geröchelt. Ich dachte tatsächlich kurz, ich müsste hier gleich RTW und NEF hinbestellen.", beschreibt er und lässt mich währenddessen nicht aus den Augen. Vielleicht will er meine Reaktion sehen.

Ich versuche möglichst neutral zu gucken. Das beschreibt meinen Traum leider ziemlich gut. Er ist mir immer noch allgegenwärtig, als wär das grade wirklich passiert.
,,Was haben Sie geträumt?", fragt er.
,,Erinnere mich nicht mehr.", sage ich wie aus der Pistole geschossen und merke, dass meine Lüge damit absolut unglaubwürdig wirkt. Er nickt und steht auf.
,,Erinnern Sie sich an was Genaues, was ich gesagt hab?", hake ich nach. Er mustert mich noch einmal, dann schüttelt er den Kopf.
,,Nein. Trinken Sie genug. Gute Nacht."
Ich nehme meinen Mut zusammen.
,, Du ist schon ok.", sage ich leise und denke im ersten Moment er hätte es nicht gehört, weil er weiter geht.
Dann bleibt er im Türrahmen stehen und dreht sich um.
,,Das freut mich Josephine. Schlaf schön."
Er zögert.
,,Ich lasse meine Tür offen, nur damit du Bescheid weißt."

Ich muss unweigerlich lächeln.

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Hallo zusammen,
Ging jetzt schneller als gedacht. Liegt daran, dass das Kapitel schon länger fertig war, ich mir nur unsicher war, ob es schon soweit ist. Ob es schon passt. Aber ich finde: es gibt endlich mal ein wenig was über Josi bekannt. Und kurbelt die Geschichte zwischen Alex und Josi an.🤪

Das Kapitel ist mir persönlich wirklich sehr sehr wichtig- ich werdet noch verstehen wieso.😉

Gute Nacht,

Laura

ASDS- auch Retter müssen mal gerettet werden Where stories live. Discover now