Bad Wolf

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Lautlos wie ein Vogel gleitet das Raumschiff durch das All und nähert sich dem Mond, dem stillen, grauen Gefährten Terras. Die Oberfläche des Schiffes schillert silbern im Sonnenlicht und auf der Seite blitzt der Name „Rapunzel" auf. Die Rapunzel landet, wirbelt dabei feinen Mondstaub auf, der bei der geringen Schwerkraft wohl noch lange durch die Luft schweben wird, bevor er sich setzt. Zwei Stewards rollen einen roten Teppich vor dem Gateway aus und überdecken den Staub. Dann steigen 25 Passagiere aus, betrachten wie Mondoberfläche mit teils neugierigen, teils gelangweilten Blicken. Sie werden eine Woche in „Grimm World", der ersten Märchen-Erlebniswelt im interstellaren Raum verbringen.

Jacob geht als letzter von Bord. Er blickt sich kurz um, scannt die Umgebung auf Gefahren und steigt erst hinaus, als er sich vollkommen sicher fühlt. Feiner Staub stöbt in die Höhe, als seine mechanischen Füße den Boden berühren. Vermutlich wird er eine Ewigkeit brauchen ihn aus den vielen Scharnieren und Zahnrädern hinaus zu bekommen, doch Jacob ist ein Roboter und unfähig sich aufzuregen. Zu gerne würde er einmal Ärger spüren oder Freude, Neid, ja sogar Ekel vor irgendetwas wäre ihm recht, denn Jacob will wissen wie es ist ein Mensch zu sein, will wissen, wie die Wesen fühlen, die ihn schufen. Ein Wunsch, der ihn seit Jahrzehnten quer durchs Universum reisen lässt, um die Kultur der Menschen zu untersuchen, die Terra schon vor langer Zeit verließen und seitdem in den Sternen verstreut leben. Seit Neustem nimmt er die Literatur der alten Erde unter die Lupe - von kitschigen Gedichten über Schauerliteratur bis hin zu Märchen und Mythen - in der Hoffnung in ihnen endlich eine Antwort auf die Natur der Gefühle zu bekommen. Deshalb ist er hier, in Grimm World.

Er reist wie immer mit wenig Gepäck. Ein Ölkännchen, Schraubenzieher verschiedener Größen, ein ölverschmierter Putzlappen, Rostschutzmittel, Ersatzkabel und eine Zahnbürste, alles in einem Fach an der Bauchseite verstaut, um die gähnende Leere in Jacobs leblosen Körper zu füllen. Vor ihm liegt, in die sanften Hügel des Mondes eingebettet, das Märchenschloss, in dem Grimm World untergebracht ist. Die perfekte Nachbildung einer mittelalterlichen Burg, die Walt Disney mehr als gerecht geworden wäre. Als Mensch hätte Jacob vielleicht über diese Touristenfalle schmunzeln müssen, doch er ist kein Mensch und  so schreitet er nur mit metallisch neutraler Miene und einem neugierigen Funkeln in den künstlichen Augen auf das Schloss zu, dass für die nächsten Tage sein Zuhause sein wird.

Stunden später schart sich eine kleine Gruppe Touristen um einen kleinen als Zwerg verkleideten Mann, der sie durch die Märchenkulissen von Grimm World führt. Sein Bart ist genauso falsch wie die von Märchengestalten bevölkerten Kulissen, aber Ivory versucht sich auf das Spektakel einzulassen. Immerhin ist sie nicht wegen der Märchen gekommen, sondern hat einfach den erstbesten Flug fort von ihrem Heimatplaneten genommen. Sie musste einfach fliehen, hat die ewigen Streitigkeiten mit ihren Eltern nicht mehr ausgehalten, die keinerlei Verständnis für ihren Traum haben Schauspielerin zu werden  und es lieber sehen würden, wenn sie die Robotik-Firma übernimmt, die ihr Vater so mühsam aus dem Boden gestampft hat. Doch ein solches Leben voller Verpflichtungen will Ivory nicht führen. Sie ist ein Freigeist, eine Künstlerseele, die niemals in ein Büro gesperrt leben könnte. So betrachtet sie Grimm World als ersten Schritt in ein neues Leben, als Abenteuer.

Sie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, vergräbt die Hände in den weichen Taschen ihres roten Mantels und muss lächeln, als sie weiter hinten einen Roboter entdeckt, der wie gebannt den Worten des zwergenhaften Erlebnisführers lauscht. Für einen kurzen Moment hatte sie den athletischen jungen Mann in Hawaii-Hemd und Anzughose für einen Menschen gehalten, dann bemerkte sie die hellsilberne Haut und die mechanischen Gelenke an den Händen. Wer immer diesen Roboter gebaut hat, gab sich alle Mühe ihm ein menschliches Aussehen zu verleihen. Die Frisur ist so fein in das Metall graviert, dass Ivory glaubte ihre Finger durch die Haare streichen lassen zu können. Langsam schlenderte sie zu ihm herüber, schenkt ihm ein Lächeln. „Na? Gefällt dir die Führung?", fragte sie ihn mit gesenkter Stimme um die Führung nicht zu stören.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 13, 2021 ⏰

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