Kapitel 30

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Kapitel 30

Aurelia Bergmann

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, während ich es schaffte, dass mein Körper mich nicht verriet, als ich ohne ein einziges Zittern meiner Hände meine Zigarette anzündete. Ich sah Raphael geradewegs in die Augen, unsicher bewegten sie sich hin und her, als hätte er nicht gewusst, wohin er sehen sollte, während ich auf seine Antwort wartete.

Ich zog an meiner Zigarette, er hingegen brach seinen gestotterten Konversationsversuch ab und zündete sich ebenfalls eine Zigarette an.

„Scheiße, ich habe keine Ahnung, was ich dir sagen soll.", brachte er dann einen ganzen Satz heraus, ehe er tief an seine Kippe zog und dann langsam ausatmete. „Egal, was ich sage, es ist klingt alles behindert." Raphael lächelte undsicher, zuckte die Schultern. Er hatte sich gewandelt, hatte ich das Gefühl- zumindest in den letzten anderthalb Stunden war von seiner Arroganz, seiner überheblichen Art nichts zum Vorschein gekommen. Auch wirkte er ein wenig offener, nicht ganz so ernst und unterkühlt. Scheinbar hatte er in den letzten Wochen und Monaten an sich gearbeitet.

Ich schluckte. Was sollte er auch sagen?

„Wie geht's dir, Ragucci?", fragte ich ohne Antwort auf seine Worte zuvor.

„Besser.", antwortete er. „Ich..." Er sah kurz weg, sah über meinen Kopf hinweg, als er kurz abbrach und mir dann in die Augen sah. Wie beschämt zog er den Kopf etwas zwischen seine Schulten. „Ich gehe jetzt zu einem Arzt?", murmelte er.

„Therapie?", fragte ich und er nickte knapp. Es war ihm unangenehm, das war deutlich.

„Und?"

„Hilft mir...", antwortete er. „Und dir?"

„Ganz ehrlich?", ich lächelte. „Mir geht es wirklich gut." Es war auch so. Natürlich war ich nervös, als er so vor mir stand. Aber ich hatte keine Angst vor ihm- und auch keine Flashbacks oder sonstiges, denn für sowas war diese Situation in diesem Moment zu alltäglich. Ich wollte ihn nicht berühren, wollte nicht mehr nähe bei ihm sein. Aber seine Anwesenheit war okay. Er würde mich nicht angehen. Nicht noch einmal, das wusste ich. Natürlich gab es genug Frauen, denen solche Dinge passierten, die an Besserung des Mannes glaubten und immer und immer wieder Gewalt erfuhren. Doch dafür war ich zu weit von ihm weg. Selbst, wenn er gewollt hätte- er hätte mir in diesem Moment nichts tun können. Da war ich doch rational.

„Du siehst auch wirklich gut aus.", meinte er leise.

„Danke. Aber bis hier hin und nicht weiter.", stoppte ich ihn und hob dabei meine Hand in einer abwehrenden Geste. „Nach dem Befinden fragen war okay. Aber ich möchte mich mit dir höchstens noch über so etwas wie das Wetter unterhalten." Ich zog die Stirn kraus und sah in den matschgrauen Himmel über Berlin, spürte die Regentropfen, die an meine nackten Beine schlugen, denn ich trug noch immer die kurze Hose vom Nachmittag. Trotz des schwarzen Blazers fröstelte ich ein wenig, denn das Sommergewitter hatte die Luft deutlich abgekühlt und der Wind fegte frisch über uns hinweg.

„Relia.", sagte er ruhig. Seine Augen waren flüssiges Karamell an diesem Abend, der Regen plätscherte gleichmäßig auf den Asphalt. Er zog an seine Kippe und ich wusste, dass er nun trot meiner worte reden wollte. Ich biss mir auf die Unterlippe verschränkte meine Arme vor der Brust, weil mir plötzlich kalt wurde.

„Es ist bescheuert, wenn ich dir das sage, weil es keine Entschuldigung oder Ausrede gibt aber trotzdem: Es tut mir unendlich Leid und ich wünschte ich könnte den Abend noch einmal von vorn beginnen und alles anders machen. Ich bereue das sehr und es ich habe dir nicht wehtun wollen."

„Es ist passiert.", murmelte ich. Ich sah in die Glut meiner Zigarette, schnippte die Asche weg. „Ich weiß, dass du nicht so bist und darum hab ich dich unter anderem nicht angezeigt. Es war schlimm und es tat wirklich weh.", sagte ich. Sollte er wissen und ein Blick in sein Gesicht verriet mir, dass es auch ihm wehtat, darüber nachzudenken. Aber sein Selbstmitleid interessierte mich recht wenig. Sollte es ihm ruhig so gehen, sollte er darüber nachdenken, was er angerichtete hätte. Ich war mir ziemlich sicher, dass es Frauen auf der Welt gab, deren Leben er mit dieser einen, so unüberlegten Sache zerstört hätte.

In between  /RAF CamoraWhere stories live. Discover now