«Ey, wisst ihr was? Scheiß drauf.»

     Neugierig verfolgen meine Augen Ajax' Bewegung, während er sich mühsam hochrappelt und aus glänzenden Irden zu uns hinunter blickt. Die Kippe hat er noch zwischen den Lippen, als er sich den Sand von der Hose klopft und der Rest von uns nur still auf eine Erklärung wartet. Gemächlich nehme einen tiefen Zug meiner eigenen Zigarette und puste den Rauch in die erfrischende Nachtluft.

     «Ich hab' kein Bock mehr auf den ganzen Müll», fährt der Junge mit den blonden Haaren energisch fort und wirft den mickrigen Zigarettenstummel unachtsam in den durchnässten Sand.

     «Worauf genau willst du hinaus?», hakt Lovis schmunzelnd nach und zieht fragend eine Augenbraue in die Höhe.

     Entspannt hat er sich auf dem Boden bequem gemacht und trommelt mit den Fingern leise gegen das Glas seiner Colaflasche.

     Ajax' Blick huscht zu meinem Bruder hinüber und ein Grinsen zupft an seinen Mundwinkeln. «Lasst uns von hier abhauen.»

     Ich unterdrücke ein Lachen, Lovis legt ungläubig den Kopf schief.

     Es ist Mathea, die diese verwirrte Stille unterbricht und lachend den Kopf schüttelt. «Du machst Witze, oder?»

     «Nein. Ich mein's ernst.»

     «Du klingst gerade viel zu nüchtern dafür, dass du so viel Alkohol im Blut hast», merke ich grinsend an und ziehe erneuert an der Kippe.

     Meine Augen sind auf Ajax geheftet, dessen Blick augenblicklich zu mir huscht. Ich sehe das bekannte Flackern, welches immer auftaucht, wenn man meinem besten Freund aufzieht – egal, wie klein die Dinge auch sein mögen.

     Schnaubend schüttelt der hochgewachsene Junge den Kopf. «Liegt daran, dass ich es bin, colombe.»

     «Spar' dir deine französischen Floskeln», erwidert Mathea amüsiert, während sie sich langsam erhebt. «Kommt jetzt. Die vermissen euch sicher schon.»

     Stöhnend lege ich den Kopf in den Nacken, als sie mich an die feierliche Veranstaltung - wie Ajax' Vater es nennt - erinnert, die wir frühzeitig verlassen haben, um Mathea zu treffen.

      Augenzwinkernd macht sie auf dem Absatz kehrt, doch bevor sie auch nur einen Schritt machen kann, packt Ajax ihren Arm und hält die temperamentvolle Schönheit davon ab, den Rückweg anzutreten.

     «Dude, was soll das?», beschwert sich meine beste Freundin sogleich und funkelt den Jungen genervt an. «Ich hab' heute noch nicht genug getrunken, um deine geheimnisvollen Gedanken zu kapieren.»

     «Ich mein's ernst», wiederholt sich Ajax bloß und lässt seinen Blick über Lovis und mich wandern. «Lasst uns abhauen. Raus aus dieser beschissenen Stadt. Von mir aus auch raus aus dem Land. Scheißegal. Hauptsache weg von hier.»

     Wieder legt sich Stille über uns, die bloß von dem gelegentlichen Schreien der Möwen und dem beständigen Rauschen des Meeres unterbrochen wird.

     «Wirst du jetzt sentimental?», will Lovis lachend wissen und legt amüsiert den Kopf in den Nacken. «Wir sollten dich echt nicht mehr trinken lassen.»

     «Halt die Fresse», brummt der grauäugige Junge leise, woraufhin sein Kumpel bloß seine Flasche hebt und ihm zuzwinkert.

     Nachdenklich betrachte ich Ajax, dessen Augen zwischen seinen Freunden und mir unruhig hin und her huschen.

     Nach einer kurzen Pause atmet er tief ein und setzt erneuert an; leiser, als man es von ihm gewohnt ist: «Es macht mich so krank. Die scharfen Blicke meines Vaters. Die ganzen Feste. Diese ekelhafte Arroganz, die sich aus jeder Ecke dieser verdammten Stadt auf die Straße ergießt. Ich will einfach nur noch raus. Raus aus diesem engstirnigen Alltag und weg von den Menschen, die jeden Tag hinter deinem Rücken Scheiße über dich erzählen. Ich will frei sein. Einfach mal wieder richtig atmen können.»

     Er verstummt. Es passt nicht in mein Bild, dass Ajax verstummt.

     Er setzt damit einen permanenten, schwarzen Strich auf mein Gemälde und verwischt die detailreiche Darstellung der Bäume am Rand des Flusses. Der Künstler ist zu verwirrt, um das Chaos zu beheben.

     «Okay.»

     Ajax' Augen verhaken sich mit meinen und der irritierte Ausdruck in seinen grauen Irden bringt mich zum Schmunzeln. Ihn zu verwirren ist nicht leicht. Der Junge ist auf alles vorbereitet – es gibt fast nichts, was diesen Menschen aus der Fassung bringen könnte.

     «Okay», wiederhole ich das schlichte Wort und erhebe mich ebenfalls. «Lasst uns das durchziehen.»

     Sobald Ajax bemerkt, dass ich es ernst meine, erhellt dieses typische Grinsen sein Gesicht und bringt seine Augen zum Strahlen. Beinahe augenblicklich kopiere ich diesen Gesichtsausdruck, doch ich werde niemals an die Begeisterung herankommen, die Ajax versprüht, wenn er glücklich ist.

     «Was habt ihr beide bitte genommen?», erkundigt Mathea sich mit schiefgelegten Kopf.

     Ajax und ich tauschen einen kurzen Blick, ehe wir uns beide an sie wenden: «Euphorie.»

     Mit hochgezogenen Augenbrauen blickt Mathea zwischen uns hin und her, ehe sie ihre Augen kurz zu Lovis huschen lässt, der immer noch auf dem Boden sitzt und schief grinsend zu uns hinauf sieht.

     «Bin dabei», sagt mein Bruder, während er sich langsam aufrichtet. «Lasst uns ein paar Regeln brechen.»

     Ich blicke zu meiner besten Freundin, dabei weiß ich, dass sie innerlich schon die ganze Zeit von der Idee begeistert war. Dieses Mädchen macht jeden Spaß mit – je unangemessener, riskanter und aufregender, desto besser.

     An Matheas Mundwinkeln zupft ein begeistertes Grinsen, was auch Lovis nicht zu entgehen scheint, der kurzerhand einen Arm um sie legt und die Schönheit wissend anstupst: «Geht's morgen los?»

     Schmunzelnd streicht sich unsere Freundin eine schwarze Strähne aus dem schmalen Gesicht und blickt zu Ajax; ein bösen Grinsen auf den Lippen: «Aber vorher machen wir deinen Vater noch um ein paar Tausender leichter.»

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[author's note]

ich hoffe wirklich, dass ihr die vier genau so lieben werdet, wie ich hehe
ich kann's nicht oft genug sagen, deswegen noch einmal haha: ich bin so verdammt glücklich, dass ich dieses buch überarbeite / überarbeitet habe. die charaktere werden mehr tiefe und fehler bekommen und auch der ganze plot wird einfach besser sein als vorher haha
ich wünsche euch ein wundervolles wochenende <3
     - emma

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