Rotkäppchen ist fort! Teil2

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Am nächsten Tag war Freitag. Ich konnte es kaum erwarten bis es Feierabend wurde, damit ich Claire mein super Date mit Simon unter die Nase reiben kann. Und noch weniger konnte ich den Samstag erwarten. Ich glaube, ich werde diese Nacht kein Auge zutun... Bei Jedem klingeln der Eingangstüre schnappte ich nach Luft, ich wartete ständig darauf das Simon reinkommt. Aber bis jetzt ist er nicht aufgetaucht. Wenn das so weiter geht, muss ich noch Hyperventilieren! Herr Yann hat meinen Zustand auch bemerkt." Philippa, ist alles in Ordnung? Du bist ja ganz nervös." „Oh, ja Herr Yann, ich freue mich nur aufs Wochenende." „Ach so. Du hast Herzklopfen wegen diesem Jungen Burschen aus der Bäckerei. Estelle hat mir erzählt das ihr zusammen ausgeht. Soll ich ihn herholen? Ich sage ihm er müsse dich sofort ausführen, sonst wirst du mir noch ohnmächtig." „Nein! Bitte, bloss nicht", ich war viel zu nervös um über diesen Witz zu lachen. Oh Mann, Estelle musste wieder die Gerüchteküche anheizen...Genervt räumte ich ein Paar Getrocknete Früchte ins Regal. „Ich muss noch eben eine Lieferung machen. In 20 Minuten bin ich aber wieder da. Bitte dreh nicht durch solange ich weg bin." „Ja, ist gut, tschüss." Ich räumte weiter, und merkte nicht, wie jemand, während Herr Yann rausging, reinkam. Plötzlich stand jemand am Tresen. „Hallo Philippa." Ich drehte mich erschrocken um. „Oh, hallo Simon." Ich wurde Feuerrot im Gesicht. Ich dachte der Moment dieser Unbehaglichkeit würde nicht mehr Enden. „Ich brauche dieses Spezielle Mehl das ihr habt. Bei uns ist heute eine Lieferung nicht gekommen, deswegen hat mich Jean zu euch geschickt. So als Notlösung." Ich war ein wenig enttäuscht. „Ah, ach so. Ja, ich geh gleich mal schauen." Ich brachte ihm zwei Tüten. Er bezahlte, und sagte tschüss. Seine ganze Art hat mich verunsichert. Was soll das jetzt? In der Türe blieb er noch stehen „Und übrigens, ich freue mich schon auf morgen. Bis dann." Und somit verschwand er mit seinem einzigartigen Lächeln. Ich war total durcheinander. Was sollte DAS denn? Ich hatte nicht einmal Gelegenheit zu antworten. Mag er mich jetzt oder nicht? Spielt er irgendein Spiel? Ist es am Ende eine Wette? Oder tut er Estelle nur einen Gefallen? Als ich ihn zum ersten Mal bei einem unserer Dorffeste sah, dachte ich, er sei jemand der gerne auf Partys abhängt, viele Frauengeschichten hat, erfolgreich ist und auch sonst verwöhnt ist. Einer, dem das Leben einfach fällt. Ich bin ja der totale Gegensatz. Als ich aber sah, dass er in der Bäckerei arbeitet, wurde er mir gleich sympathischer. Doch nicht so versnobt. Und als ich dann mit ihm sprach, war er einfach nur ein Traum. Wir haben ja nicht viele Worte gewechselt. Trotzdem war das damals der Anfang meiner Schwärmerei. Vielleicht war er ja vorhin nur locker drauf. Vielleicht ist es wirklich nur eine Art Tourismusaktion und gar kein Date? Ich will auf jeden Fall Positiv bleiben, deswegen rechne ich mit einem Date.

Als ich nach Hause lief, war Estelle gerade am Fensterputzen. Es war schliesslich Freitag. „Philippa, hallo!" „Hallo Estelle", sagte ich und wollte schnell weiter laufen, denn ihr Anblick machte mich wütend. Wieso musste sie nur so rumtratschen? „Ich wünsch dir für morgen viel Spa-ass", rief sie hinterher. „Danke", sagte ich halblaut und eilte nach Hause. Ich habe Grossmutter versprochen mit ihr den Dachboden auszumisten bevor ich mich mit Claire treffe. So lief ich eilig, mit dem kühlen Aprilwind im Gesicht, durch das kleine Wäldchen, das zwischen dem Dorf und Grossmutters Haus lag. Lustiger weise hatte ich noch einen Korb dabei, Grossmutters Korb, mit Suppe drin und Brot. Na gut, es waren Tütchen Suppen, solche die man nur mit heissem Wasser übergiessen musste und dann aus einer Tasse trinken konnte. Manchmal machte ich für uns beide eine Tasse und wir kuckten dann irgendeine Sendung zusammen. Grossmutter liebte Telenovelas, und seit ich bei ihr Wohne, kucke ich auch gelegentlich mit. Aber heute nicht, heute bin ich mit Claire zum Abendessen verabredet. Mit dem roten Mantel, der Kapuze nach oben gezogen, da es ein bisschen regnete, den Korb im Arm mit Suppe für Grossmama...wie sah ich da wohl aus? Irgendwie war heute der Wald so gruselig. Der Wind blies durch die Äste, und wie das so ist mit dem Wind, klang es wie ein leises jammern. Ich überlegte mir ob ich unter diesen Umständen nicht doch zuhause bleiben sollte. Aber mein Drang, Claire die Sache mit Simon zu erzählen, und dabei ihren Gesichtsausdruck zu verfolgen überwog.

Auf dem Dachboden stöberte ich in Kisten und half Grossmama Ordnung zu machen. „Die Bücher in diesen zwei Kisten kommen alle fort. Die drei Kisten dort müssen wir noch durch sehen. Und hinter dir hat es noch zwei Grosse Kisten, da kommen die übrigen Sachen rein." Ich kümmerte mich zuerst um die Haushaltsgeräte, die zwar noch funktionierten, aber rausmussten. Da war ein Ventilator, eine Lampe, eine Brotbackmaschine, eine alte Kaffeekanne, Bilderrahmen und Porzellan und anderes Geschirrzubehör. In einer der Kisten fand ich Briefe und Fotos, alte Fotos. Ah, eine richtige Schatztruhe für mich! Da waren Bilder von Grossmama als sie so jung war wie ich, ein paar schon mit Grosspapa. Wie glücklich sie da aussahen. Auf einem Bild sehen sie sich an. Er total zärtlich, und sie mit Hingabe und Achtung. Sie sieht stolz aus, stolz, ihren einen Partner gefunden zu haben! Ich seufze, und zeige die Fotos Grossmama. Grossmama schaut sie nachdenklich an, aber dann wird es ihr zu viel, sie schluchzt, und vergräbt ihre Hände in ihrem Gesicht. „Grossmama, es tut mir Leid. Ich hätte dir die Fotos nicht zeigen sollen. Aber sie sind so wunderschön." Sie lächelte dankbar. „Nein, es ist gut wenn ich weinen kann. Es fühlt sich an als würde etwas gesäubert werden in mir. Diese Zeit mit Grosspapa Paul war sehr schön, und ich bin dankbar dafür. Es ist nur schade dass es vorbei ist. Ich möchte sie trotzdem nicht vergessen. Ja, ich wünsche, das du auch mal so glücklich wirst, wie ich damals." Ich musste Grossmama umarmen bei diesen Worten. Dann ging Grossmama schnell runter, und ich sah die Kiste mit den Büchern zu Ende durch. Die meisten waren Krimis und Sachbücher, ein Paar Romane und dann eins mit einem Leidenschaftlichen Paar drauf. „Hendrik der Wildhüter" stand da. Aha, Grossmama liest auch erotische Sachen. Ich musste schmunzeln. Und fing an, heimlich darin zu lesen. „Philippa, kommst du auch bald runter?", ich zuckte zusammen. „Ja, Grossmama. Bin gleich fertig!" Ich legte das Buch in die Kiste zurück. Was bewog Menschen dazu, solche Romane zu lesen? Oder noch mehr, sie zu schreiben? Als ich aufstand und die Treppe hinunter ging, hielt ich inne, eilte zur Kiste zurück und nahm das Buch an mich. Ich versuchte es unter meinem Pullover zu verstecken. Ohne zu wissen, was ich eigentlich gerade tat, schlich ich die doch sehr knarrende Holztreppe herunter und huschte schnell in mein Zimmer. Ich versteckte das Buch unter meinem Bett. Ich legte es in eine Kiste mit Stoffresten, die Grossmama mal hier platziert hatte. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich atmete tief durch. Denn jetzt muss ich mich wirklich für heute Abend bereit machen. Ich sprang unter die Dusche, frisierte und kleidete mich, dann sagte ich Grossmama gute Nacht und eilte nach Draussen.

Ich traf mich mit Claire im einzigen chinesischen Restaurant der Gegend. Es war ein nettes kleines Restaurant im Nachbarsdorf. Obwohl das Restaurant eine Attraktion gewesen wäre, waren die Besucher rar. Offensichtlich stehen die Leute hier nicht so sehr auf ausländisches Essen. Wenn ich bedenke, wie die Menschen am Dorffest für Apfelringe Schlange stehen...das sprach ja für sich. Claire war schon da. Sie winkte mir fröhlich zu. Ich hatte nicht so viele Freunde hier in der Gegend. Eine Handvoll Leute mit denen ich hin und wieder abmache gibt es schon. Aber Claire mag ich am liebsten. Ich kann ihr alles erzählen. Und obwohl sie ein wenig verrückt ist, hat sie ein grosses Herz. Oder vielleicht gerade deswegen? Das eine muss ja das andere nicht ausschliessen. Claire weiss genauso wie ich nicht genau was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Zurzeit arbeitet sie in der Dorfkneipe und Kellnert dort. Sie mag Fotografie und Comics, sie ist eine beliebte Nanny bei den Eltern und auch Kindern, und sie malt zauberhafte Bilder von Elfen und Märchenfiguren. Von den Männern wird oft ihre Naive Art ausgenutzt, sie hat die eine oder andere kurze Beziehung hinter sich. „Hallo Claire!", ich umarmte sie innig und stürmisch. „Wow, du bist ja gut drauf", sagte sie erstaunt. „Ja, lass uns zuerst bestellen, dann erzähl ich dir was mir passiert ist." Sie schaute mich prüfend an, gab ein „okeeeeyyy" von sich und wir bestellten.

„Nun sag schon! Was hast du denn für super Neuigkeiten?" Ich räusperte mich und erzählte ausführlich von der peinlichen Begegnung am Morgen, vom unerwarteten zusammentreffen und von dem noch viel unerwarteten Date. Claire wurde ganz hibbelig. „Das ist unglaublich! Wow, Philippa! Simon ist der Hammer! Siehst du, ich wusste dass früher oder später jemandem deine natürliche Schönheit ins Auge fallen wird. Oh Mann, ich freu mich so für dich! Obwohl, ein bisschen neidisch bin ich schon. Du musst mir unbedingt morgen Abend alles erzählen. Hast du ihn heute nochmal gesehen?" „Ja, das ist es gerade. Er war heute irgendwie komisch. Als würde er unser Date schon bereuen. Aber zum Abschied sagte er, dass er sich freut auf morgen. Ich weiss nicht..." „Ach, er ist wahrscheinlich nur nervös deswegen, deshalb war er so zurückhaltend." Der Abend wurde noch richtig lustig, das Essen war super und ich freute mich mit Claire zusammen zu sein. Ich bin froh, dass ich so eine gute Freundin habe. Alles war perfekt.


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