Voluptas Teil30

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„Sei gegrüßt künftiger Kamerad!"
Kamerad. Das klang eher nach Spott aus dem Mund des seltsamen Kauzes, der ihn dermaßen frohlockend von seinem roten Gaul anlächelte, dass einem das Frühstück wieder hochkam. Ach ja, Jarel hatte in den letzten Tagen und Nächten seinen Magen mit Wasser und Sand gefüllt. Und vielleicht etwas schwarze Grütze von den verwesenden Körpern, das immer noch an seinem ganzen Körper klebte. Da wäre dieser Sprung in den Wasserfall vielleicht nicht mehr ganz so schlimm. Aber nein, er musste diesen Beutel voller guter Laune ertragen. Warum genau sorgte seine Klinge nicht dafür, dass dieser Witzbold, in einem abartigen Rot gekleidet, den Kopf verlor?
Es juckte ihm in den Finger und ließ diese das kühle Heft seiner Schwerter spüren. Aber dann schob sich das Knochengerüst dazwischen.
„Giorit! Du solltest ihm eine Pause gönnen. Er hat einiges zu verdauen."
Jarel ersparte sich die Antwort darauf. Ihm war die Lust zum Reden vergangen. So ziemlich zu allen die Lust vergangen.
Diesem Giorit wohl nicht. „Dann wäre ein Besuch bei einem Freund von mir gerade recht. Kummer sollte mit einer süßen Traube vertrieben werden. Bitternis auf der Seele, lässt einen gar allzu schnell die Lebensfreude nehmen."
„Ich ab keine Zeit für mir die Birne wegzusaufen!" Platzte es dann doch aus Jarel heraus. Er hatte die Schnauze sowas von gestrichen voll. Sollen die Götter die beiden doch erschlagen und ihm den Weg zeigen. Diese Wut in seinen Gedärmen, brannte wie Säure auf der Haut. Wieso nur musste er seine wertvolle Zeit mit diesen beiden Narren verschwenden? Dem alten Knochensack ging es scheinbar nur um einen Nachfolger. An Kara verschwendete dieser garantiert keinen Gedanken mehr.
Vielleicht sollte Jarel auf diese Hilfsstellung ganz pfeifen und selber versuchen diese Kinder der Finsternis zu finden. Immerhin besaß er die passenden Waffen und Aris. Das reichte vollkommen.
Vor diesem ganzen Wahnsinn gelang ihm mit weiter weniger Bäuche und Kehlen aufzuschlitzen. Wozu also noch hier auf diesen schwachsinnigen Greis und einem Witz auf zwei Beinen eingehen? „Sucht euch einen anderen Trottel. Ich verschwinde."
Sein bissiger Ton sorgte nur für ein breites Lächeln auf diesem seltsamerweise vertrauten Gesicht von Giorit. Er konnte sich nicht entsinnen, je einen Kerl, mit unter dem Spitzhut hervorquellenden blonden Locken, als Freund oder Kamerad in seiner Nähe duldete. Geschweige denn mit diesen gruseligen himmelblauen Augen. Und trotzdem kam Jarel nicht von der Stelle. Es ging nicht. Er musste diesen Giorit anstarren, allein um zu kapieren, warum der ihm so bekannt vorkam. Beim alten Knochensack gabs nur die Angst vor dem Tod beim ersten Treffen. Aber dieser Kauz ließ ihn einfach nicht in Ruhe.
Mit der Ruhe eins alten Mütterchens, zog der rote Reiter eine Gitarre hinter seinem Rücken hervor. Galant, als könnte er nie einer Fliege etwas zu leide tun, ließ er seine Fingerkuppen über die Saiten gleiten.
Was bei den Göttern passierte hier? Jarels Blick klebte regelrecht an diesen Fingern fest und seine Ohren wollten diese Töne hören.
Die Wut in einen Inneren zog es vor sich zu verdünnisieren und ein Gefühl der Leere zurück zu lassen. Nicht ganz. Sonst hätte er nicht diese fette Gänsehaut. Seine Nackenhaare standen stramm und ließen ihn erschaudern. Ja, er kannte diesen Bastard! Nur woher?!
Sein Kopf schmerzte vor Anstrengung, um nur einen kleinen Anhaltspunkt hervorzukramen. Irgendetwas, dass ihm beim Erinnern half.
Das Geklimper ließ seinen Schädel noch mehr hämmern. Knurrend schüttelte Jarel den Kopf und fauchte seinen Unmut hinaus. „Hör auf mit dieser Folter. Meine Ohren bluten schon. Geh wem anders damit auf die Nerven"
Welche wohltat diese Stille. Die leider nicht lange anhielt. Giorits zuckersüße Stimme reizte ihn noch mehr als das Solo mit der Gitarre. „Aber, aber. Dein Antlitz sprach etwas anderes. Doch ich will nicht so sein. Dein Gemüt benötigt wahrlich eine Abkühlung. So komm. Es soll nicht deiner reuen. Vielleicht findest du noch das eine oder andere nützliche für deinen Krieg."
Bevor Jarel ihm sagen konnte, dass dieser seine Worte sonst wo hinstecken könne, trabte der schon voraus und verschwand in der Schwärze von der Schlucht vor ihnen.
„Kopflos in eine Schlacht zu reiten, ist tödlich. Das solltest längst besser wissen."
Zugern hätte er dem alten Sack widersprochen, aber irgendwie gingen ihm ständig die Argumente aus. Mit der Angst hatte sich seine bissige Zunge davon gemacht und einen Trottel zurückgelassen. Wunderprächtig. Wie schlimm konnte es noch werden?
Willst du da wirklich wissen?
Dieser fehlende Spott in Aris Worten nervte und gleichzeitig tat es irgendwie gut, nicht der einzige zu sein, der an allem zweifelte.
„Nein. Wir werden es sowieso erfahren. Folgen wir den Spinnern. Vielleicht hat dieser Giorit ja recht und wir finden was nützliches..."
Wenn du meinst. Ein Sattel wäre schon mal ein guter Anfang. Dein spitzer Arsch nervt langsam.

„Werd sehen was ich tun kann."
Damit zufrieden trappte Aris den beiden Gestalten hinterher und ließ ihm genug Zeit diesen ganzen Mist zu verdauen. Nach dem allen konnte nichts schlimmeres mehr daherkommen. Wobei er das wirklich nicht verschreien sollte. In der Welt von diesem alten Knacker gingen Überraschungen nie aus.
Wenigstens wurde ihm von dem Geschaukel nicht mehr schlecht. Stattdessen breitete sich diese verlockende träge Müdigkeit aus. Was sollte schon passieren, wenn Jarel ganz kurz die Augen schloss und diese Stille genoss. Kein Geschnatter, kein gegrollter Todeswunsch und keine Schreie die durch Mark und Bein gingen. Nur der leise regelmäßige Klick Klack von Hufen auf steinigen Untergrund.
Aris folgte den beiden. Verlaufen ging ja schlecht in dieser Schlucht. Und wenn jemand unbedingt seinen Kopf wollte...
„Schlafende Schönheit. Wir sind am Ziel unserer Reise." Die krächzende Stimme von dem alten Sack hätte ihm mehr gefallen als wieder diese ekelerregende zuckersüße.
Der Schlaf steckte immer noch in seinen Knochen und wollte nicht so recht von ihm weichen. Träge wischte Jarel mit einer Hand über sein Gesicht.
Wo auch immer dieser Giorit sie hingeschleppt hatte, hier schien das Leben gerade zu strotzen. Schlagartig verflog seine Trägheit. Um ihn herum tobten kleine Kinder. Völlig unbekümmert spielten sie Abfangen um Aris. Überraschenderweise motzte er nicht rum sondern stand brav still wie jedes andere Pferd.
Junge Mädchen scharrten sich um den roten Reiter. Eines davon mit rostig roten Haaren sah Giorit mit glühenden Backen an. Anhimmeln trafs wohl eher. „Kannst du uns wieder dieses eine Lied vorspielen?"
Jarel wurde schlecht. Soviel Anschmachten auf nüchternen Magen ging an seine Grenzen. Wo hatte dieser Spinner ihn hingeführt. In das Dorf der größten Glückseligkeit?
In jeder Ecke dieses Dorfes blickte er in zufriedene Gesichter. Selbst die Blockhäuser strahlten das aus. Blumen galten hier wohl als besonders schick.
Und überhaupt wo steckte der das Knochengerippe? Weder seinen Gaul noch ihn konnte er in der Ansammlung von Lebensfreude entdecken.
„Oh, der Gute musste einer Information nachgehen. Du wirst wohl oder übel meine Gesellschaft erdulden, wenn's beliebt."
Jarel hätte nie gedacht, dass es eine Steigerung zu Harim gab. Aber nein, jetzt durfte er sich das geschwollene Gesülze eines Barden reinziehen. Was kam als nächstes? Ein Kerl in Frauenkleider, der sich um seine Aufmerksamkeit bemühte.
Genervt, kniff Jarel seine Nasenwurzel. Der süße Duft von den pinken Blümchen kratzte in seiner Nase „Ich will nur ein Bier und was Warmes zum Essen, ist das verflucht nochmal echt zu viel verlangt?"
Plötzlich verstummten das Geplapper und auch die Kinder hörten auf fröhlich zu kreischen. Seine Ohren freuten sich, aber dieser böse Blick von den Einheimischen ließen böse Vorahnungen hervorkriechen.
Eine kleine Göre zeigte mit dem Finger auf ihn und folterte seine Ohren mit ihrer piepsigen hohen Stimme. „Er hat ein schmutziges Wort benutzt!"
Du bist am Arsch.

Darauf wäre er auch ohne Aris dahintergekommen. Um dem ganzen noch eine Krone aufzusetzen, stapfte eine Frau auf ihn zu, die lockerer mehrere Winter überstehen konnte, und baute sich mit verschränkten Armen vor ihm auf.
Stille. Keiner rührte sich oder gab einen Pieps von sich. Vage erinnerte er sich wie sich das hätte anfühlen sollen. Dieses ungute Gefühl genannt Angst.
Alle Augenpaare starrten Jarel an und gaben ihm das untrügliche Gefühl, gewaltig in Dreck zu stecken. Giorit zuckte nur mit den Schultern, bei dem stummen Versuch nach dem Grund zu fragen.
Bei den Göttern, der hatte ihn hierhergeschleppt und ließ nicht mal den leisesten Ton darüber aus, was hier vor sich ging. Wenn er wenigstens einen Geruch wahrnehmen könnte, der sie als verfluchte Dorfbewohner verriet. Stattdessen quälte ihn das blumige Aroma von den Stauden und ließ seine Augen brennen.
Was wollte diese Frau von ihm? Als Antwort auf seine stumme Frage hob sie ihre Faust und streckte den Zeigefinger drohend aus. Damit konnte er leben. Aber nicht mit dieser glockenhellen Stimme. „Auf der Straße darf nicht geflucht werden. Wir wollen keinen Unheilgeister den Weg in dieses Dorf zeigen. Trank und Speis findet ihr dort, mein Guter."
Wie sollte man da schon nein sagen können, bei dieser lieblichen Einladung. Am besten gleich soviel wie möglich Abstand zwischen ihm und diesem durchgeknallten Dorf gewinnen.
Garantiert griff der Wahnsinn hier um sich. Dummerweise juckte der Druck seiner Fersen in den Flanken Aris nicht im Geringsten. Der drehte stattdessen den Kopf zu ihm und schnaubte übertrieben laut. Nicht ohne einen Sattel.
Ernsthaft? Dann beschloss Giorit ihm ebenfalls in den Rücken zu fallen. „Du willst doch nicht die Gastgeberin beleidigen."
Aus jedem Wort trifte der Spott. Damit hatte sich ein weiterer auf der Todesliste eingereiht.
Andererseits knurrte sein Bauch wie ein Rudel Wölfe. Vielleicht sollte er es doch riskieren von den hiesigen Speisen zu kosten. Mehr als Durchfall konnte ihm ja nicht blühen.
Jarel schluckte den Fluch runter, der ihm auf der Zunge lag. Viel tiefer konnte es nicht mehr gehen. Immer noch den Blick aller auf sich spürend, glitt er mehr steif als galant von Aris runter. Zum Glück wurde sein Heiligtum von einer Hose bedeckt. Vermutlich hätten sie ihn dann mit Mistgabeln und Fackeln davongejagt. Wobei der Gedanke gerade zu verlockend in seinem Hinterstübchen klebte. Wenn nur nicht dieser elende Hunger in seinen Eingeweiden rumoren würde.
Stattdessen folgte er Giorit zu einem Gebäude, das eher nach einer Unterkunft für einen Fürsten aussah. Welcher Wirt stand schon auf dutzende Erker und diese grelle weiße Farbe. Und wo einem die nicht blendete, strahlten einem rote Blümchen entgegen. Als ob seine Nase nicht genug unter diesem Duft litt!
So wie der rote Reiter die Tür öffnete, betrat er nicht das erste Mal diese Hütte. „Die Zeit der Trauer ist vorbei. Euer werter Giorit ist wieder da."
Jarel bemühte sich nicht mit den Augen zu rollen oder seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Rein, Essen und dann wieder verschwinden. Ein Besuch beim Schmied stand auch an.
Garantiert luchste dieser ihm sein restliches Geld ab für einen Sattel. Sein Beutel enthielt genug für eine Mahlzeit und einmal nächtigen. Und dann? In Gedanken trat Jarel über die Schwelle und wurde prompt mit der Tatsache fast erschlagen, dass die Gaststube nichts mit der Außenwelt zu tun hatte. Abgestandener Rauch, ranziges Öl und der würzige beißende Geruch vom scharfen Essen trieben ihm Tränen in die Augen. Mehrmals blinzelnd versuchte er diese Täuschung verschwinden zu lassen. Aber die blieb so hartnäckig wie ein Pickel auf der Nase.
Vielleicht träumte er. Bestimmt. Dann konnte er sich diesen ganzen schrägen Kram erklären. Gerade wenn man froh darüber sein konnte, nicht doch in der Hölle gelandet zu sein, packte einem eine Pranke am Unterarm und zerrte Jarel mit einem Ruck von der Tür weg. Der derbe Ton riss ihn gänzlich aus der Illusion. „Holt kane Maulaffenfeil. De Planke schließt si net allan."
Bei den Göttern! Wohin hatte dieser elende Giorit ihn hingeschleppt? Statt von einer Dauergrinsebacke auf Augenhöhe, stand vor ihm ein Koloss, der das Glück besaß, dass die Decke nicht seinen Schädel streifte. Bei dem Knall, mit dem sich die Eingangstür schloss, war es ein Wunder, dass diese nicht aus den Angeln brach. Jarel konnte nicht anders als diese breite nackte Brust anzustarren. Auf der Schlacht lief ihm öfters so ein Koloss über die Klinge, nichts was einen aus der Ruhe bringen konnte. Aber bei diesen hier krochen einem kalten Finger über den Rücken und ließen die Kopfhaut prickeln. Genau auf dieses Gefühl wartete er Jarel. Nur ein bisschen. Eine kleine Regung.
Nichts.
Völlig entspannt blickte er auf die Pranke, die ihn immer noch am Unterarm festhielt. Es bestand kein Zweifel, dass diese lockeren Nüsse und Knochen brechen konnte.
Trotzdem fühlte Jarel keinen Grund sich aufzuregen. Gelassen sah er dem Koloss ins Gesicht. Das was eben sichtbar war, unter einem Urwald von zotteligen Haaren und Bart.
„Krieg ich meinen Arm wieder, Meister?"
Falls seine Frage eine Gefühlsregung zum Ausbruch brachte, verschwand diese unter dicken Augenbrauen. Ohne ein weiteres Wort nahm sein Gegenüber die Pfote weg und trat sogar ein Stück zurück und fing an seine Finger zu kneten.
Damit hatte Jarel nicht gerechnet. Verstört sah er dem Riesen hinterher wie er durch eine andere Tür verschwand.
Stank er so sehr zum Himmel, dass selbst ein Kerl wie der freiwillig abhaute? Nein, sein Arm roch zwar streng, aber nicht bestialisch.
„Junger Freund."
Ach verdammt. Giorit hatte er völlig vergessen. Der saß an einem der dutzenden Tische im Raum und winkte ihm eifrig zu. „Komm zu mir. Das Festmahl wird aufgetragen."
Ob Jarel gleich hier jemanden umbringen durfte? Wenn er sich so die Anwesenden ansah, bestand die zarte Hoffnung, dass es denen völlig egal sein dürfte. Es wurde gelacht, gebrüllt und seine Ohren vernahmen einen unflätigen Fluch nach den anderen.
Das konnte unmöglich im selben Dorf stattfinden. Von der Neugierde gepackt, ergriff Jarel den Türknauf und spähte durch einen Spalt nach draußen. Ja doch. Immer noch herrschte auf der Straße diese überfreundliche Stimmung. Höflich lüftete ein kleiner Mann vor einer älteren Frau mit krummen Rücken, den Hut.
Blickte er in den Raum, bekam ein Sitznachbar so eine geklatscht, dass es diesen mit dem Stuhl umwarf. Das Poltern ging im brüllenden Gelächter unter.
Viel verrückter konnte es nicht mehr werden. Da half nur noch es einfach hinzunehmen und abwarten was als nächstes durchgeknalltes um die Ecke gekrochen kam.
Und das ganze am besten in Alkohol ertränken. Wer würde es ihm schon verübeln, wenn er sich die Birne wegsoff. Der letzte Rausch lag so weit zurück, dass Jarel schon völlig vergessen hatte, wie es sich anfühlte.
Einem fliegenden Steinkrug ausweichend, schnappte er sich einen Stuhl und setzte sich rittlings neben Giorit. Der lächelte ihn so übertrieben breit an, dass einem erneut die Lust heimsuchte, diese perfekten Zähne auszuschlagen. Ein Krug direkt vor seiner Nase rette den Sänger und der blubbernde braune Eintopf mit undefinierbarem Inhalt.
Wählerisch sein gehörte nicht zu seinem Leben. Nimm was du kriegst. Hatte ihn bisher immer weitergebracht. Also warum daran was ändern?
Den Rummel um sich vergaß man am besten mit was Warmen im Bauch und jede Menge Gebrauten. Und das am besten in rauen Mengen.
Überraschenderweise verstand der Wirt was von gutem Gebräu. Der Met floss zügig seine Kehle runter und vertrieb die düsteren Gespinste der letzten Stunde. Es fühlte sich gut an, alles zu vergessen und sich ganz der guten Laune im Raum hinzugeben.
Komischerweise störte der Barde auch nicht mehr. Sein Gesang entlockte Jarel ein herzhaftes Lachen. Vielleicht lags auch am Text.
Irgendwann war der Koloss wiederaufgetaucht und saß an ihrem Tisch. Trank, dass einem vor Neid erblassen ließ. Wer einen Krug in einem Zug leerte, der konnte einem einfach nicht unsympathisch sein. Mit der Zunge schnalzend hob Jarel seinen Humpen und rief aus vollem Hals. „Ich wette um mein Pferd, dass ich am Ende dieses Abends noch stehen kann!"
Vielleicht hätte er den Mund nicht so voll nehmen sollen. Aber mit der guten Laune konnte man einfach nicht anders als es voll zu genießen.
Die Meute um ihn herum lachte. Nur nicht der Koloss. Der schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. „Ich halte mit einem Sattel dagegen. Du wirst fallen wie ein Baumstamm."
Wenn sein Verstand nicht so benebelt gewesen wäre, hätte dieser ihm von dieser Wette abgeraten. Stattdessen knallte er seine Hand neben die des Hünen.
„Finden wir es raus!"
Eine Zeitlang hielt sein Kopf das problemlos mit. Aber irgendwann verschwammen die Finger vor seinen Augen. Der Krug fing dann an sich zu zweiteilen. Der verfluchte Tisch stand auch nicht mehr still. Ständig musste er zweimal nach dem Humpen greifen, ehe er ihn mit einem Zug leeren konnte. Aber er stand noch und so schnell kriegte ihn keiner aus den Stiefeln.
Nicht bevor er diesen Sattel sein nennen konnte. Ohne den gabs kein Entkommen aus diesem Dorf.. Das hatte Aris mehr als deutlich klargestellt. Zu den Göttern mit diesem störrischen Pferd. Zu den Göttern mit dem alten Knochengestell und dem ganzen anderen Zeug.
Sollten diese beschließen ihn durch zu viel Met zu sich zu holen, dann sollen sie es ruhig versuchen.
Grunzend erfasste er seinen frisch nachgefüllten Met und hob ihn prostend hoch.
Spielten ihm seine Augen einen Streich oder sah der Hüne völlig anders aus? Das Lachen um ihn herum war auch verstummt. Und wo war der Barde abgeblieben?
Wankend um die eigene Achse drehend half nicht den roten Reiter zu finden. Dafür sahen die Dorfleute völlig daneben aus. Sie alle blickten nur noch den Hünen an. Dabei stand der nur da und starrte nach unten.
Was ihm eigentlich egal sein konnte. Den Krug an die Lippen setzend, wollte er erneut das Gesöff seine Kehle runterfließen lassen. Es ging nicht. Jarel ließ die Hand mit dem Krug sinken und starrte den bärtigen Koloss an. Der glühte ja!
Selbst nach dem Jarel über seine Augen rieb, verschwand dieser goldene Schimmer auf der braunen Haut nicht. Was ging den jetzt ab?
Seine Zunge folgte nur schwer den Worten in seinem Kopf. „Waschn lo..sch?"
Entweder verstand der ihn nicht oder hörte nicht zu. So oder so rührte der keinen Krug vor sich an. Dämlich grinsend genoss Jarel den Gedanken, vielleicht bereits im Besitz des Sattels zu sein. Er stand noch und der Große hatte wohl aufgeben.
Was ihm nicht ganz einleuchtete warum dann die Weiber reihenweise seufzend in die Knie gingen. Noch weniger weshalb alle Kerle um ihn herum eine fette Beule in ihren Hosen besaßen. Lags am Met? Aber dann müsste sich bei ihm ja auch was rühren.
Prüfend sah Jarel an sich runter. Nope. Da tat sich gar nichts.
Mit der Hand vor dem Gesicht wedelnd, versuchte er seinen Saufkumpanen auf sich aufmerksam zu machen. Und, oh ihr Götter, er hob tatsächlich den Kopf und sah ihn an.
Was für ein bezaubernder Anblick. Wer könnte das schon ignorieren, wenn man mit goldenen glühenden Augen angesehen wurde. Sicher, sowas konnte weit anziehender als eine Knollennase sein. Aber das wars dann auch schon.
Warum dann die Kerle um ihn herum allesamt sich zu den Frauen auf den Boden gesellte, wollte nicht so recht in seine Birne.
Vielleicht gehörte das zu Brauch von diesem Dorf. Der Ort hatte echt nicht mehr alle Latten im Oberstübchen.
„Wieso lässt es dich kalt?"
Überrascht zog Jarel seine Augenbraue hoch. Der Gute konnte in einer verständlichen Sprache reden. Aber trotzdem kapierte er es nicht.
„Wasch meinscht du?" Ach verdammt. Seine Zunge wollte nicht mehr so recht. Vielleicht half ja noch ein Schluck von dem Zeug sie wieder geschmeidiger zu machen. Oder am besten gleich den ganzen Krug.
„Wieso hast du dieses Verlangen nicht?"
Selbst nach diesem Krug verstand Jarel immer noch nicht, was der Große von ihm wollte. Dabei kannte er nicht mal seinen Namen. Einen Rülpser in der Faust verbergend, stützte sich Jarel am Tisch ab. Der Boden wackelte jetzt doch sehr beträchtlich.
Erst nach dem der Drehwurm in seinem Schädel aufhörte, reichte er dem zu groß geratenen Glühwürmchen die Hand. „Jarel. Und bischt?"
Was war an seiner Hand so komisch, dass man diese völlig entgeistert anstarren musste? Der tat gerade so, als ob da das Blut von dutzenden dran klebte. Tats ja im Grunde, aber das war im Augenblick sowas von egal. Endlich bekam er den festen Druck der Pranke seines Gegenübers zu spüren. Und das nicht gerade sanft. Bevor Jarel wusste was passierte, wurde er quer über den Tisch gezogen und durfte so richtig tief in diese glühenden Augen blicken. Bestimmt nützlich in der Dunkelheit.
„Voluptas. Und jetzt sag mir warum du es nicht willst. Jeder in diesen Raum tuts, nur du nicht."
Jarel hatte schon mühe damit sich den Namen zu merken. Da ging es noch weniger sich mit der Frage zu befassen. Was alle hier im Zimmer taten?
Was interessierte es ihm was die alle auf den Holzdielen trieben. Der eine oder blanke Arsch bewegte sich eben. Und? Er wollte nur die Wette gewinnen. Mit dem Sattel hatte Aris dann keinen Grund mehr zu meckern und sein eigener Hintern fühlte sich dann auch nicht mehr wie eine offene Wunde an.
„Isch mir egal... isch will den Sattel."
Dieser Voluptas sah ihn weiter so komisch an. Vielleicht war was in seinem Gesicht, das nicht dahin gehörte. Wenn nur nicht sein Schädel so dröhnen würde. dann wäre es leichter einen klaren Gedanken zu erfassen. Vielleicht war es an der Zeit für ein Schläfchen.
Knurrend schüttelte Jarel den Kopf. Nicht bevor dieser Sattel zu seinem Besitz gehörte.
Einen der drei Köpfe vor sich anstarrend, versuchte Jarel was Verständliches über seine Lippen zu schupsen. „Hab...ich... gewonnen? Oder machen wir weiter?"
Na bitte, es klappte noch. Aber Volu... was auch immer, lachte so herzhaft, dass alles zu wackeln anfing. Was daran lag, dass dieser immer noch seine Hand festhielt. Und das nicht gerade sanft.
Gerade als Jarel danach fragen wollte, ob er sie wiederkäme, beglubschte er kopfüber den Rücken von dem Großen an. Das Wieso wollte nicht so recht in seine Birne.
Noch weniger was seine Ohren aufnahmen. „Und wie du gewonnen hast. Hätte nicht gedacht, dass ich mal einen nicht flachlegen kann." Voluptas brabbelte was in seinen Bart, das nach ab ins Bett klang. Oder so ähnlich. Aber das ging in seinem umnebelten Geist unter.

Die vier ReiterWhere stories live. Discover now