Chapter 1

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,,Mama.. mama.. mama... mama..mama...mama...mama''.
Das war es wieder mit der Ruhe. Ich mag ja eigentlich Zugfahren. Man sitzt lange in einem abgeschlossenen Raum, der sich bewegt. Man guckt gelangweilt aus dem Fenster und bewundert die wunderschöne Natur, während man melancholische Musik aus der kitchigen ,,Thinking.'' - Spotifyplaylist hört.

Doch es gibt da eine Sache, die ich einfach nicht leiden kann. Vielleicht nachvollziehbar. Vielleicht auch nicht. Keine Ahnung. Eine dreiköpfige Familie mit zwei im, wohlgemerkt, Ruhebereich rumtölenden Kindern, die sich benehmen, als wären sie zwei herumschreiende Delfine. Ja, herumschreiend, denn anders konnte man das nichtmehr nennen. Übrigens, wusstet ihr, dass man die Kommunikation zwischen zwei Delfinen eigentlich ,,pfeifen'' nennt?. Und ja ich habe extra auf Wikipedia nachgeguckt.
,,Wann sind wir daaaaaaa!?!?!?'', riss es mich schon wieder aus meinen Gedanken. Was habe ich falsch gemacht? Ich bin nir ein unschuldiger Junge, der in Ruhe, ruhig im Ruhebereich sitzen will und ruhig aus dem Fenster melancholieren will.

Ich war auf dem Weg zum Hof meines Onkels an der Nordsee und es sollten die tollsten Ferien meines Lebens werden, denn nach Meinung meiner Mutter ist es das schönste, seinen Urlaub auf dem Land zu verbringen.

Ich blickte erneut aus dem Fenster, wo es eigentlich nichts Interessantes zu sehen gab. Aber um zu melancholieren braucht man ja nichts Interessantes.
Bremsenqietschen und ein lautes Zischen signalisierte mir dass ich angekommen war. Angekommen im Land der Träume. Angekommen im Land der endlosen Kühe und Wattflächen. Angekommen am obersten, kältesten und ungemütlichsten Punkt in Deutschland: Der Nordsee.

Die Bahntüren öffneten sich mit einem epischen ,,PFFFFSSTTTSCHHHHH" und ich  schlenderte auf den vollkommen unbesuchten Bahnhof. Der leergefegte Bahnhof kümmerte mich eigentlich nicht besonders, doch dass ich in der Bahnhofshalle nichtmal meinen Onkel erkennen konnte besorgte mich doch schon ein wenig - doch nach ungefähr fünf Minuten trat ein großer, schlanker Mann in das, im Verhältnis, viel zu große Bahnhofstor. Ich wusste zwar nicht, ob es wirklich mein Onkel war, da ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, als ich gerade mal fünf Jahre alt war, aber da sonst niemand zu sehen war und die unerträglich kalte Nordluft meine Zähne zu einem wackelnden Gebiss verwandelt hat, war ich bereit bei allen 50 jährigen heruntergekommenen Bauern ins Auto zu steigen. Mit meinem einzigen kleinen Koffer, der für seine Größe auffällig schwer war, watschelte ich auf den Mann, den ich für meinen Onkel hielt, zu. Mit jedem Schritt den ich tat wurde ich immer unsicherer in der Annahme der Typ, dessen Gesicht für mich immer deutlicher alt wurde, sei mein Onkel. Schließlich nahm ich meinen Mut zusammen und sagte: ,,Hiiiii?!?!?". Keine Antwort. Ich erkannte die Ohrstöpsel in seinen Ohren. Nicht diese mit denen man Musik hört, sondern diese, die man sich Abends vor dem Schlafen gehen in die Ohren steckt, weil man keine Lust hat die dröhnenden Geräusche der Bahn zu hören, die direkt neben deinem Haus 24/7 am Tag vorbeifährt. Mit wilder ungeschickter Rumfuchtelei signalisierte ich ihm, die Ohrstöpsel aus seinen Ohren zu nehmen. Wie ein erleuchteter Apostel Jesu wurden seine Augen groß und auf eine ebenso ungeschickte Art und Weise, wie mein Herumgefuchtel eben zog er seine Stöpsel heraus. Liegt in der Familie denke ich... ,,Ahh tut mir leid. Du musst doch Timo sein. Mensch hab ich dich lange nicht gesehen!". Erleichtert, dass es wirklich mein Onkel war mit dem ich sprach, zwang ich mir ein peinliches Lächeln auf's Gesicht. Ich sah meinen Onkel an und betrachtete ihn genauer. Ich bemerkte etwas in seinem Gesicht, das sich wohl durch meine ganze Familie gezogen hat, das ihn endgültig als meinen wahrhaftigen Onkel identifizieren lässt. Ein Merkmal, welches alle Besitzer abends vor dem Badezimmerspiegel erschaudern lässt: der Zinken. Falls jemand da draußen nicht genau weiß, was mit Zinken gemeint ist, hier mal ein paar ausschlaggebene Merkmale: Unübersehbar, groß, direkt in der Mitte OF YOUR FACE. Mein Onkel machte insgesammt einen sehr edlen Eindruck, was für einen gewöhnlichen Bauern ziemlich seltsam war. Er hatte schulterlange Haare, die an seinem Hinterkopf zu einem perfekten Pferdeschwanz zusammengebunden waren und einen Kaschmirpullover, der in den unterschiedlichsten Farben erstrahlte. Der Hauch eines Duftes wehte mir entgegen, dessen Geruch ich nur aus dem Parfürmregal der teuren ,,A toi"-Parfümerie an der Ecke unseres Häuserblocks kannte. Ich kann zwar kein französisch, aber ich glaube das heißt so etwas wie ,,zu dir", oder ,,für dich". Mit einer pfiffigen Handbewegung symbolisierte er mir den Weg zum Frauenparkplatz auf dem sein weißes Auto.. nein seine weiße Limousine geparkt hatte. War ich doch mit dem falschen Typ mitgegangen? Noch ein prüfender Blick auf die Nase. Jep ich bin mit dem Richtigen mitgegangen. Ok. Andere Möglichkeit. Vielleicht steht ja hinter der Limousine noch ein anderes Auto. Vielleicht ein Käfer, oder ein Opel. Wir kamen dem Auto immer näher, doch es schien so, als hätte wohl kein anderes Fahrzeug auf dem Parkplatz geparkt. Jetzt war ich verwirrt. Mein Onkel öffnete mir die verspiegelte Limousinentür, als wäre er die berühmteste Person im Land. ,,Ist was?" fragte er besorgt. Berechtigt besorgt, denn während dem ganzen Weg zum Auto hatte ich meinen nachdenklichen psycho Blick drauf. Und der mag wohl für außenstehende Personen  so aussehen, als wäre ich gerade aus einer Anstalt für Geisteskranke ausgebrochen. ,,Nene alles gut" antwortete ich hektisch. Die Sitze der Limousine waren aus Leder und der Boden war beheizt. In der Mitte war ein riesiger Smart-TV platziert, unter dem ein beleuchteter Schrank mit alkoholischen Getränken trohnte. ,,Du bist doch bestimmt oft hier mit Freunden unterwegs, oder?", fragte ich fasziniert von der ganzen Innenausstattung, die das Auto eher als Freizeitpark aussehen ließ. ,,Ich? Neiin.. ich mag es eigentlich immer ganz gern alleine. Dann kommt man erst in den richtigen Genuss. Nur du und das Auto. Außerdem muss ich sagen, dass ich wohl nicht besonders meine sozialen Kontakte pflege.", mit einem Schmunzeln auf den Lippen kehrte er wieder an sein Steuer zurück. Eine weitere halbe Stunde Limofreizeitparklichtspielorgienfahrt kommentarlosen Schweigens vergingen, bis das Fahrzeug schließlich halt machte.

THE STORY CONTINUES AT Chapter 2

STORYS - Beyond the worldsWhere stories live. Discover now