Dr. Julia Dorn braucht Hilfe

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CHARLOTTE
Es ist Mitte Dezember.

Frederik arbeitet seit Dezember wieder Vollzeit und in Schichten. Wir haben keine identische Schicht, aber dadurch, dass wir beide im Schichtdienst sind, haben wir eine Schicht zu Hause.
Damit er nicht mehr mit Bus und Bahn zu fahren braucht hat er jetzt wieder ein Auto. Seitdem ist er viel flexibler.

Einen Kitaplatz für Emma haben wir noch immer nicht.
Am Wochenende steht eine Anzeige für eine Kinderfrau in der Zeitung. Wir hoffen darüber jemanden zu finden.

4 Wochen sind seit der "explosiven" OP vergangen.
Ich habe nach der OP nur einen Tag ausgesetzt und das nur, weil Silas Geburtstag hatte.

Dr. Julia Dorn war zwei Wochen zu Hause.

Ich bin auf Station als mein Pieper geht und >>OP<< anzeigt. Ich laufe dort hin. Schwester Hanna ist da.
Hanna:"Gut, dass du da bist. Julia geht es nicht gut. Sie musste den OP verlassen."
Ich:"Wo ist Sie?"
Hanna:"Im Umkleideraum. Karin ist bei ihr."
Während wir dahin gehen frage ich:"Warum musste Sie raus?"
Hanna:"So genau weiß ich das nicht. Da musst du Karin fragen, die war mit drin."
Ich:"Ok. Wer ist jetzt drin?"
Hanna:"Für Julia Jannik und Karin soll wieder rein."

Wir kommen im Umkleidebereich an. Julia und Karin sitzen auf einer Bank. Julia hat ihre Ellenbogen auf den Oberschenkel und hält ihre Hände vors Gesicht.
Ich:"Hallo. Was ist passiert?"
Karin:"Sie hat plötzlich total schnell geatmet und überhaupt nicht mehr reagiert. Martin hat sie dann aus dem OP verwiesen."
Ich:"Ok. In welcher Situation war das?"
Karin:"Das kann ich dir nicht sagen."
Ich:"Was operiert ihr gerade?"
Karin:"Mann nach VU. Milzruptur."
Ich:"Danke dir. Ich hab gehört, du sollst wieder rein?"
Karin nickt.
Ich:"Fühlst du dich in der Lage dazu?"
Karin:"Ja."
Ich:"Wirklich? Wir können sonst auch jemanden anfordern."
Karin:"Das geht schon. Kümmerst du dich um Julia?"
Ich:"Ja."
Karin verlässt den Raum.

Ich hocke mich vor Julia hin.
Ich:"Julia."
Sie reagiert nicht.
Ich:"Julia. Hörst du mich?"
Sie nickt.
Ich:"Schau mich bitte mal an bitte."
Langsam nimmt sie die Hände vor ihrem Gesicht weg und hebt ihren Kopf und schaut mich an.
Ich:"Du bist nicht mehr im OP."
Julia:"Ich weiß. Martin hat mich rausgeschmissen."
Ich:"Weißt du warum?"
Julia schaut auf den Boden.
Ich lege eine Hand auf ihren Oberschenkel.
Ich:"Kannst du aufstehen?"
Julia schaut zu mir. "Warum?"
Ich:"Ich möchte mit dir in einen Behandlungsraum gehen. Kannst du laufen?"
Julia nickt.
Trotzdem stütze ich sie, als sie aufsteht.
Ich:"Wir lassen die OP Sachen hier."
Julia zieht sich den OP-Kittel aus. Danach gehen wir in einen Behandlungsraum.

Ich:"Setz dich." und zeige auf die Liege.
Ich nehme mir das Blutdruckmessgerät. "Machst du bitte einen Arm frei?"
Julia erschrickt. "Nein."
Ich:"Ich möchte deinen Blutdruck messen."
Julia:"Ich will das nicht. Bei mir ist alles ok."
Ich:"Wenn alles ok wäre, wärst du noch im OP."
Julia schaut zur Seite.
Ich nehme mir einen Hocker und setze mich vor der Liege darauf hin.
Ich:"Ok. Dann erzähl mir doch mal was im OP gewesen ist."
Sie schweigt.
Ich:"Martin verweist nicht grundlos jemanden aus den OP."
Julia:"Mir war nicht gut."
Ich:"In wiefern?"
Julia:"Mir war übel."
Ich:"Ok und deshalb wurdest du aus dem OP geschickt?"
Julia nickt.
Ich:"Irgendwie glaube ich das nicht ganz. Karin sagte, dass du nicht mehr reagiert hast und du total schnell geatmet hast."
Julia zuckt mit den Schultern.
Ich:"Julia, was ist wirklich im OP passiert?"
Ich sehe wie sie rot wird.
Ich:"Dir war nicht übel oder?"
Sie schüttelt den Kopf. Ich sehe wie Tränen fließen. Sie wischt sich die schnell weg.
Ich:"Was ist los?"
Julia:"Ich kann das nicht mehr."
Ich:"Was kannst du nicht mehr?"
Julia:"Das im OP. Er hatte einen Herzstillstand und Martin hat einen Schlag aufs Herz Herz gemacht. So wie du."
Ich:"Und das hat dich an unsere OP erinnert?"
Sie nickt. Langsam dreht sie ihren Kopf zu mir und schaut mich an. "Und dann kamen die Bilder, wie ich gegangen bin und dich zurück gelassen habe. Ich habe dich den Tot überlassen. Ich hätte bleiben müssen. Ich bin so eine schlechte Ärztin." Sie weint.
Ich nehme Julia in den Arm.

Das verlorene KindWhere stories live. Discover now