25.1 Ktíni - Bestien

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„Wie ist das möglich?", fragte Calypso mit gesenkter Stimme, die auf lautlosen Sohlen neben Eos stehenblieb. Sie hatte die Augenbrauen zusammengezogen und ihre Stirn in Falten gelegt, während sie die beiden Mädchen vor ihnen beobachtete. „Ich erinnere mich nur, dass ich während meiner Wache gedacht hatte, jemanden gehört zu haben und als ich die Augen geöffnet habe, waren wir auf einmal hier. Keinen Moment später sind die beiden aufgetaucht."

„Vielleicht ein perfider Streich der Götter", murmelte Eos und verstaute sein Schwert wieder. Sein Blick fiel auf den anderen Neuankömmling. Der Junge mit den blonden Locken bemerkte sein Starren und drückte sich vorsichtig von der Wand weg. Mit leichten, aber vorsichtigen Schritten kam er auf sie zu, wobei er wortlos an Medeia und Lyra vorbeiging.

Medeias Kopf zuckte in seine Richtung, als er sie passierte.

„Ihr seid die anderen Kinder aus der Opferung", war seine Begrüßung. Seine Stimme war ruhig, aber Eos konnte die Anspannung dahinter deutlich vernehmen. „Aineas", fügte der Junge hinzu.

Eos brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es sich um seinen Namen handelte. „Eos", stellte er sich vor.

„Calypso", erwiderte das Mädchen neben ihm, wobei er – mit einem zufriedenen Gefühl im Magen – feststellte, dass sie etwas näher an ihn heranrückte. „Wie seid ihr hier hergekommen?"

„Frag mich etwas, worauf ich die Antwort kenne", erwiderte der andere und verschränkte die Arme. Er neigte den Kopf, damit er Lyra und Medeia im Blick hatte, dann sagte er: „Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist eine bleierne Müdigkeit, nachdem Nemesis verschwand."

„Nemesis?", fragte Calypso überrascht. Ihre Miene wurde wieder hart. „Mit ihr hatten wir ebenfalls das Vergnügen. Hat sie uns zusammengeführt?"

„Ich bezweifle es", antwortete Aineas mit dem Hauch von Arroganz in der Stimme, als würde er sich bereits nach diesen wenigen, gewechselten Worten für etwas Besseres halten.

„Warum? Hast du etwa Kenntnis über die wirren Pläne der Götter?", erwiderte Eos barsch. Er wusste nicht wieso, aber er konnte diesen Jungen nicht wirklich leiden. Im Hintergrund konnte er die beiden Schwestern sehen, die sich noch immer aneinanderdrückten.

Aineas' Blick wurde kühl, als er seinen Kopf gänzlich ihm zuwandte. „Im Gegenteil", sagte er ruhig. „Ich weiß genauso wenig wie ihr, was hier vor sich geht, aber die Dinge, die Nemesis zu mir – zu uns sagte, ergeben keinen Sinn."

„Das ergeben sie nie", meinte Calypso. Sie schnaubte leise. „Nemesis war drauf und dran unsere Freundin umzubringen und hat sich dann an ihrem Schmerz gelabt, als sie ihr erzählte, dass –", Calypso brach ab, die Lippen zu einer dünnen Linie verzogen.

„Dass?", fragte Aineas mit mäßigem Interesse.

„Sie sagte, es hätte einen Mord gegeben", endete sie langsam. Die Hitze ihres Körpers strahlte auf Eos' Haut und er erschauderte für einen Augenblick, als sie ihre Fingerspitzen über seinen Arm tanzen ließ.

Aineas erbleichte. „Ihr wisst es", flüsterte er. Seine arrogante Maske blätterte wie vom Winde verwehtes Laub von seinem Gesicht und in seine Augen kehrte ein von Panik angehauchtes Glänzen ein.

„Nemesis sagte, es würden lediglich zwei von Lyras Schwester leben", erwiderte Calypso. „Und zuvor hat Artemis Lyra in einem Traum davon erzählt, dass Medeia ihre Schwester Theia... dass sie sie getötet hätte", fügte sie leiser hinzu, unsicher, wie diese Geschichte ausgehen würde.

Als hätte Lyra die Anspannung bemerkt, die sich um Eos, Calypso und dem anderen Jungen gebildet hatte, warf sie ihnen einen fragenden Blick zu. Eos spürte, wie ihm eiskalt wurde, als Medeia dem Blick ihrer Schwester folgte. Die warmen Augen des anderen Mädchens konnten nicht über das Wissen hinweg helfen, welches seinen Kopf mit der immergleichen Geschichte füllte und ihm darüber hinaus schrecklich blutige Bilder servierte. Sie war gefährlich und hatte ihre Schwester ermordet. Und wenn er nicht etwas unternehmen würde, dann würde ihr vielleicht die zweite ebenfalls zum Opfer fallen.

LavýrinthosWhere stories live. Discover now