Prolog

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"Sie kommen!", schrie meine Schwiegermutter mit markerschüttender Stimme als sie die Tür unseres Apartments aufriss. Ich stockte in der Bewegung. Angst durchflutete meine Adern, meine Zähne knirschten und meine Beine waren kurz davor unter mir wegzubrechen. Sie kommen. Sie haben uns gefunden. Miguel, mich selbst und Rhea. Als dieser Name mein Bewusstsein erreichte, löste ich mich augenblicklich aus meiner Starre und hastete in das Zimmer meiner Tochter. Miguel stand schon mit Rhea in seinen Armen vor dem Kinderbett, als ich durch die Tür stürzte. "¡Carajo! Miguel, Camille, beeilt euch verdammt! Wir haben höchstens 7 Minuten bevor sie hierher gelangen.", versuchte Miguels Mutter die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber ich nahm kaum wahr, was sie versuchte uns zu erklären und als ich Miguel betrachtete, wurde mir sofort klar, dass auch er ihr nicht zuhörte. Wir beide haben unsere Sinne nur einer einzigen Person im Raum zugewandt und das war unsere Tochter. Ich trat näher an meinen Mann und Rhea heran und der Vater meines Kindes schien sich erst jetzt meiner Anwesenheit bewusstzuwerden.

"Corazón mío.", flüsterte ich und strich Rhea behutsam über den von dunklen Haaren bedeckten Kopf. Ich schaute zu meinem Ehemann auf , dessen Augen vor Tränen zu schimmern begannen und dessen Mund sich zu einer harten Linie zusammenpresste. Ich erkannte dass dieser Ausdruck eine Entschuldigung, wie auch einen Abschied symbolisierte. Mein Kopf neigte sich leicht nach unten und begann sich fast wie von selbst zu einem stoischen Nicken zu bewegen. Miguel drehte sich mit dem wertvollsten Menschen in unserem Leben zu seiner Mutter um, die inzwischen näher an uns herangetreten war und uns mit drängenden Augen beobachtete.

"Es ist alles vorbereitet.", sagte sie und bedachte uns mit ihrer undurchdringlichen Maske der Gleichgültigkeit. Die Liebe meines Lebens legte Rhea in die zierlichen Arme meiner Schwiegermutter, hielt jedoch die zerbrechliche Hand unseres Kindes bestimmt wie auch zärtlich umschlossen.

"Bist du bereit, Liebling?", richtete er das Wort an mich.

"Ja. So bereit wie man eben sein kann, schätze ich."

Er bedachte mich mit einem traurigen Blick und ich trat näher heran damit auch ich die andere Hand meiner Tochter umfassen konnte. Ich ging in mich, suchte nach der Quelle der Macht in mir und schrie durch die Stille meines Bewusstseins nach Aquila.

"Beschütze sie, alter Freund. Ich gebe aus freiem Willen, von ganzem Herzen, mit klarem Bewusstsein und aus aller Liebe zu der ich im Stande bin. Ich bitte dich!"

Ein ohrenbetäubend schriller Ruf schallte durch mich hindurch und ließ mich durchzuckt von todesgleichen Schmerzen in die Realität zurückstürzen, wo ich mich neben Miguel auf dem steinkalten Fliesenboden unserer Wohnung wiederfand. Ich stöhnte auf und bemerkte wie auch mein Mann keuchende Geräusche von sich gab. 

"Es hat funktioniert.", wisperte meine Stiefmutter mit Ehrfurcht in ihrer Stimme und betrachtete das Kind mit Staunen und Faszination. Miguel an meiner Seite tastete nach meiner Hand um mich nur Augenblicke später mit sich auf  die Beine zu ziehen. Wir betrachteten den zarten Körper Rheas, auf welchem nun drei Male statt nur einem prangten. Die Augen meiner Tochter leuchteten auf und ich erkannte Aquila in ihr, wie Miguel wohl Fenris in ihnen sah.

"Mutter, bring sie in Sicherheit."

"Claro que sí, hijo.", flüsterte sie und ich dachte in der immer so harten Stimme der Frau, ein kaum wahrnehmbares Brechen auszumachen. Fürsorglich umwickelte sie das zerbrechliche zwei Jahre alte Wesen und schloss es beschützend in ihre Arme bevor sie durch den Hinterausgang aus dem Apartment hastete. Mit ineinander verschränkten Fingern standen wir nun Seite an Seite und warteten auf unser Schicksal. Wir wussten, dass wir nur noch Augenblicke zu leben hatten und schenkten diese letzten Momente unserer Tochter. Trotz der Angst, der Hoffnungslosigkeit, der Ungewissheit und dem anhaltenden Schmerz, war ein Gefühl stärker als alle anderen. Liebe. Die Liebe zu meinem Kind und die Liebe zu meinem Mann. Meine Macht war fort aber noch nie in meinem Leben habe ich mich stärker gefühlt als in diesem Augenblick. Ich betrachtete die Apparatur in Miguels Händen auf welcher ein großer Knopf meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich hatte nicht einmal wahrgenommen, dass er sich den Auslöser angeeignet hatte und eigentlich war es auch egal. Ich strahlte eine innere Ruhe aus, von der ich annahm, dass es Frieden sei. In diesem Moment hörte ich die polternden Schritte vor der Haustür, kurz bevor ein muskelbepackter Mann sie auch schon aus den Angeln riss. Ich spürte wie Miguel neben mir die Muskeln anspannte und ein leises Klick ertönte, bevor sich eine tödliche Stille über den Raum senkte und eine markerschütternde Explosion unsere Angreifer und uns selbst mit Ihnen in tausend Stücke zerriss. 




Rhea, Born of AshesWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu