Einkaufstour und Verbannung

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"Auf Wiedersehen, Mutter", rief Lucius, als er die Villa verließ. Er hatte sich heute mit seinen Freunden verabredet, um durch die Stadt zu gehen, eventuell in den Läden auch etwas zu kaufen. Das Problem war nur, dass die schönen Sachen in Rom immer teuer waren. Nicht, dass das eine Schwierigkeit für den Sohn eines Feldherrn gewesen wäre, aber Lucius wollte nunmal für seinen ersten ganz persönlichen Sklaven sparen und die waren nicht günstig. Zumindest nicht die guten.

Er rannte über die Obstplantagen den Hügel in Richtung Einkaufsviertel hinunter. Die Villa der Familie stand auf einem der sieben Hügel Roms und man hatte von oben eine tolle Sicht über die Stadt, bis nach hinten zum Kaiserpalast. Lucius selbst war noch nie dort drinnen gewesen, aber sein Vater hatte ihm versprochen, ihn bei Gelegenheit mal mitzunehmen. Nur leider war der gerade auf Feldzug in Germanien. Aber bald kam er bestimmt zurück.

Lucius hatte die Einkaufsstraße erreicht, nun schlängelte er sich durch die Menschen hindurch zur Straßenecke, wo bereits Marcus und Claudia standen. Er begrüßte Claudia mit einer Umarmung, die natürlich sofort wieder rot wurde, und Marcus mit ein paar kumpelhaften Klapsen auf die Schulter. Nach etwa einer Minute Wartezeit kamen auch Tulius und seine jüngere Schwester Tulia dazu. Dann machten sich alle auf den Weg durch die Einkaufspassage zum Forum Romanum. In dem schönen Stoffladen fanden Claudia und Tulia einen schönen blauen Stoff aus Persien, den sie unbedingt mitnehmen wollten. Tulius und Lucius gönnten sich einige Pflaumen vom Obststand. Bis zum Forum Romanum brauchten sie dann fast eine ganze Stunde, weil die Mädchen gefühlt überall gucken wollten. Im Keramikgeschäft fand Marcus noch eine hübsche Vase, die er seiner Mutter zum Geburtstag schenken wollte.Am Forum selbst war sehr viel los, da heute großer Sklavenmarkt war. Allerdings waren mehr 'normalreiche' Bürger da, denn die Adeligen, die nobilitas, bekamen ihre Sklaven meistens von den Händlern angeboten und mussten nicht selbst suchen. Aber vielleicht fand Lucius ja auch mal etwas anständiges zu so einem Preis, den er sich leisten konnte. Marcus war so nett und hielt ebenfalls Ausschau.


Apollo stand in dem großen Thronsaal seines Vaters und fühlte sich sichtlich unwohl. Er war heute morgen hierher bestellt worden und Merkur hatte sich nicht gerade gut angehört. Bei der düsteren Miene seines Vaters war das wohl auch berechtigt gewesen. "Apollo", ertönte die Stimme Jupiters laut. "Ich habe dich heute hierher gerufen, weil ich mit dir über etwas sprechen möchte." Apollo nickte, er hatte verstanden, dass es etwas ernstes war. Das wusste er aber auch schon 6 Stunden früher. "Du bist in letzter Zeit nachlässig geworden. Ich höre viele Beschwerden, dass du die Gebete nicht mehr erhörst, stimmt das?" Apollo schluckte. "Nun, Vater... Das Problem ist, dass ich die Hälfte davon gar nicht mitbekomme und-" "Schweig!" Apollo zuckte zusammen. Heute war Jupiter aber schnell auf 180. "Wie kannst du, wie kann ein Gott seine Gebete nicht mitbekommen? Nein, sag nichts, ich weiß schon woran das liegt", unterbrach Jupiter Apollo schon, als er nur den Mund öffnete. "Es liegt an deinen verdammten Liebschaften. Andauernd bist du mit irgendwelchen menschlichen Frauen unterwegs, beschenkst sie großzügig mit Gotteskräften, kümmerst dich aber kein bisschen mehr um die Menschen, die dich anbeten." "Das stimmt doch gar nicht ich-" Apollos vergeblicher Protest ging in den lauten Worten seines Vaters unter. "Du bist es nicht würdig ein Gott zu sein. Hiermit verbanne ich dich aus dem Olymp, bis du wieder zur Vernunft gekommen bist." Das letzte, was Apollo sah, war ein blendender Blitz, der auf ihn zu kam, dann wurde alles schwarz.

Als Apollo erwachte, lag er auf einem weichen Untergrund. Es war kühl und alle seine Knochen schmerzten. Er blinzelte etwas und setzte sich langsam auf, um zu sehen, dass er sich in einem Wald befand. Er trug nur eine schlichte Hose aus Wolle, seine blonden Haare waren zu einem hohen Zopf zusammengebunden. "Also soll ich jetzt Germane spielen, oder was?", stöhnte er leise. Er stand langsam auf, wobei einige der schmerzenden Knochen knackten.Tatsächlich passte die Umgebung ganz gut auf Germanien, dichte Mischwälder, regnerisches Wetter und Kälte. Und passend angzogen war Apollo ja auch.Als er sich weiter umsah, entdeckte er einen Speer auf dem Boden liegen. Na wenigstens etwas hatte ihm Jupiter für den Aufenthalt auf der Erde mitgegeben. Er packte ihn und marschierte los, weiter in Richtung Süden, in der Hoffnung irgenwo wieder auf Zivilisation zu treffen. Ein germanisches Dorf würde schon reichen, aber eigentlich hätte er lieber etwas römische Provinz. Als der Wald sich langsam lichtete, stockte er und hechtete hinter einen Baum.

Was er hörte klang nämlich gar nicht gut. Menschliche Kampfschreie, das Klirren von Waffen, Hufgetrappel und Wiehern von Pferden. Ganz vorsichtig näherte sich Apollo der hellen Fläche, die sich als große Wiese und Ende des Waldes herausstellte. Dort lieferten sich römische Truppen mit Germanen einen erbitterten Kampf. Allerdings sah es aus, als ob die Römer gewinnen würden, denn obwohl die Germanen äußerst zäh waren; die Römer waren deutlich in der Überzahl und hatten die bessere Taktik. Apollo blieb erst einmal im Schatten der Bäume stehen, um sich einen Überblick über die Situation zu ermöglichen. Er stand vollständig still, den Rücken an die Rinde gepresst, nur seine Augen huschten über das Geschehen. Er war so konzentriert, dass er die Personen nicht merkte, die sich an ihn heranschlichen. So lange, bis einer von ihnen auf einen Ast trat. Apollo wirbelte herum und versuchte sich mit seinem Speer zu verteidigen, doch die sieben römischen Soldaten hatten die besseren Chancen. Schließlich wollte er seinen Bogen und die Pfeile heraufbeschwören, aber es funktionierte nicht. Er konnte überhaupt keine Magie mehr anwenden. Auch sein Versuch, die Gegner mit einem hellen Lichtstrahl zu blenden, scheiterte kläglich, er sah eher lächerlich dabei aus.

Geschockt sank er auf die Knie, das konnte doch nicht wahr sein. Dabei bekam er einen Speer schmerzhaft in seine Hüfte gestochen. Das Laub dämpfte Jupiter sei dank seinen Fall zu Boden etwas ab, aber seine Wunde brannte wie Feuer. Er war wie in Trance und bekam nur am Rande mit, wie die römischen Soldaten ihn fesselten und zu ihrem Lagen schleiften. Er konnte es immer noch nicht richtig begreifen, er war jetzt ein ganz gewöhnlicher Sterblicher. Apollo bekam erst wieder etwas mit, als er gewaltsam in einen Käfig geschmissen wurde. Dabei bemerkte er auch das Sklavenhalsband, das man ihm angelegt hatte. Aus seiner Wunde tropfte eifrig sein Blut, lief an seiner Seite hinunter und bildete eine Blutlache auf dem Holzboden. Er riss sich sofort ein Stück Stoff aus seiner Hose heraus und versuchte, die Blutung zu stoppen. Wobei er gerade sehr dankbar dafür war, der Gott der Heilkünste zu sein, Verzeihung, gewesen zu sein. Also legte er sich möglichst still auf den Boden, vermied Erschütterungen und presste weiter das Stoffstück auf die Wunde, damit sie aufhörte zu bluten. Langsam legte sich Ohnmacht über ihn. Er versuchte zwar noch, dagegen anzukämpfen, verlor aber nach etwa fünf Minuten und sank in die Dunkelheit.

Venimus, vidimus, amavimusWhere stories live. Discover now