~Eine zweite Chance~

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Catelyn saß vor dem kleinen Frisiertisch in ihrer Kammer und versuchte ihre Hände still zu halten, die vor Aufregung zitterten. Sansas geschickte Finger flochten ihr Winterrosen ins Haar, während Arya in ihrer Schmuckschatulle herumkramte und nach etwas Passendem zu dem Kleid suchte, dass sie gleich tragen würde. Götter, so nervös war sie noch nicht mal vor ihrer ersten Hochzeit gewesen! War sie nicht eigentlich zu alt, um hier so neben sich zu stehen? Wie eine schüchterne Jungfrau. Verdammt, sie war 34 und hatte fünf Kinder! Sie hatte schon so vieles gesehen und überstanden, also warum zeigte sie ausgerechnet jetzt Nerven?! Sie biss sich auf die Lippen und schloss die Augen, während Sansa weiter an ihr herum werkelte. Sie hatte die Mägde vor einer Weile aus dem Zimmer geschickt, weil sie sie mit ihrer hektischen Betriebsamkeit fast irre gemacht hatten. Andererseits war das kein Wunder, sie mussten so schnell wie möglich in die Küche zurück, wenn quasi von jetzt auf gleich ein Festmahl auf die Beine gestellt werden musste, wurde jede Hand gebraucht. Es waren sogar heute morgen nochmal Jäger aufgebrochen, um frisches Fleisch für ihre Hochzeit zu schießen. Es war doch verrückt, gestern um diese Zeit waren Sansa und Gregor in Winterfell eingetroffen, dann hatte sie ihnen nachgestellt und daraufhin eine der schlimmsten Nächte ihres Lebens verbracht. Und jetzt würde sie in nicht mal einer Stunde den Mann heiraten, den sie liebte, war das denn zu fassen? Wenn sie nur nicht so aufgeregt wäre!

Sie bewunderte für einen Moment den kunstvollen Zopf, in den Sansa ihr Haar gebändigt hatte, und ließ sich von ihren Töchtern in ihr Kleid helfen. Ihr Herz raste und sie atmete so schnell, dass es nahezu unmöglich war, ihr Korsett zu schnüren. „Mama, wovor hast du solche Angst?“, fragte Sansa schließlich, als sie gerade die Perlenkette schloss, die ihr vor über zwanzig Jahren ihre Großmutter geschenkt hatte. Cazelyn schluckte und entgegnete: „Ich habe keine Angst.“ Ja genau. Das glaubte sie sich nicht einmal selbst, so sehr wie ihre Stimme gezittert hatte. „Dass kannst du der alten Nan erzählen, aber nicht uns!“, kam es gewohnt direkt von Arya. Sie seufzte nur und schlüpfte dabei in ihre Schuhe. „Es ist sehr lange her, dass ich zuletzt bei einem Mann gelegen habe und ich möchte ihn nicht enttäuschen“, murmelte sie schließlich und legte sich geschäftig ihren Mantel um die Schultern, den der Schattenwolf der Starks zierte. Danach strich sie ihre tullyblaue Robe glatt und schüttelte die langen, mit Silberfaden bestickten Ärmel zurecht. Noch bevor eine der beiden etwas dazu sagen konnte, öffnete sie hastig die Tür und schlug den Weg zum Götterhain ein, wo Sandor auf sie wartete. Sie fürchtete sich wirklich mehr vor dem Vollzug ihrer Ehe als vor der eigentlichen Zeremonie. Was wenn ihr Verlobter genau so gut bestückt war wie sein Bruder? Würde er ihr damit nicht wehtun? Es war schon mit Ned manchmal unangenehm gewesen, da hatte sie wirklich Zweifel, dass ein so großer Schaft wie der, den sie gestern gesehen hatte, überhaupt in sie hinein passen würde.

An der Pforte zum Götterhain wartete Robb schon auf sie. Sie ergriff seinen Arm, während Arya und Sansa schnell durch die Tür schlüpften und sich zu den anderen Gästen gesellten. „Danke dass du mir erlaubst ihn zu heiraten, mein Großer“, flüsterte sie erstickt und atmete ein paar mal tief durch, um das Brennen in ihren Augen loszuwerden. „Willst du das wirklich?“, fragte ihr Ältester skeptisch nach und griff nach der Tür, die sie noch von der Festgesellschaft trennte. „Ich habe noch nie etwas so sehr gewollt“, antwortete sie leise und drückte seinen Arm. Er seufzte nur und meinte: „Dann will ich ihm mal lieber geraten haben, dass er es wert ist.“ Und damit stieß er die Tür auf und führte sie den langen Weg zum Herzbaum entlang. Die Gäste standen mit Fackeln links und rechts des Pfades in der Dunkelheit und hüllten den Platz in einen warmen, goldenen Schimmer. Sie hatten den ganzen Haushalt eingeladen, alle von den Stallknechten bis zu den Maestern. Es waren keine hochwohlgeborenen Gäste geladen, nur wer schon hier gewesen war, aber es tat der magischen Stimmung keinen Abbruch, im Gegenteil. Sie wusste, dass die meisten ihrer Leute Sandor respektierten und ihm dankbar waren, dass er ihre Herrschaften auf den Zwillingen gewarnt und sie und Arya gerettet hatte. So war sie sich sogar ziemlich sicher, dass sich ihre Gäste auch wirklich für sie freuten und nicht nur eine höfliche Maske aufsetzten, wie es der Großteil ihrer adligen Bekannten getan hätte. 

Jemand der tapfer ist, sanft und starkWhere stories live. Discover now