Ich gehe

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Ich gehe

Das Klopfen an meiner Tür lässt mich einmal zusammenzucken. Ich löse meine Blicke von der letzten Seite des Buches und sehe in Richtung Tür.

„Ja?“, rufe ich.

Die Tür wird leise geöffnet und Louis steckt seinen Kopf durch den Schlitz. Nein, auf ihn habe ich jetzt gar keine Lust! Er kann sich sofort wieder umdrehen und gehen.

„Was willst du?“, frage ich genervt und rolle mit den Augen.

Kann er mich nicht in Ruhe lassen? Wenn er doch mit Eleanor zusammen ist, wieso hängt er denn dann bei mir? Er soll sich einfach von mir fern halten. Ich wette, Ethan wäre nicht so komisch wie er. Er macht im Gesamten einen netteren Eindruck und das schon von Anfang an.

Aber wir verlieben uns eben immer in die Falschen, damit wir ja Schmerzen davon tragen müssen. Wieso ist das Leben so anstrengend und schwer? Wieso muss die Liebe es noch schlimmer machen?

Das Geräusch seiner Socken, die über meinen Boden schlurfen macht mich total bekloppt. Als Louis sich endlich auf mein Bett fallen lässt, atme ich erleichtert auf, obwohl ich mich in seiner Nähe gerade nicht wohl fühle.

„Also ist Eleanor weg und jetzt hast du wieder Zeit für mich? Ich bin so der Lückenfüller oder sowas? Wenn du Langeweile hast…“

Bevor ich noch irgendetwas sagen kann, spüre ich seine Hand auf meiner Wange. Das Blut steigt auf und die rote Stelle pocht vor Schmerz. Womit habe ich die denn bitte verdient? Ich sage nur, was ich denke!

„Rede nicht so über mich und vor allem nicht in dem Ton!“, fährt er mich an.

Ich rutsche ein Stück von ihm Weg und sehe ihn wütend an. Was denkt er eigentlich, wer er ist? Es mag vielleicht sein, dass ich mich etwas nach ihm richten muss, aber er kann mir nicht mein Mundwerk verbieten! Ich mache, was ich will!

„Wo warst du heute Morgen?“, fragt er ernst.

Soll ich ihm sagen, dass ich jemanden kennengelernt habe? Dass ich mich entschieden habe, noch ein bisschen länger am Leben zu bleiben, für ihn? Soll ich ihm sagen, dass ich fast überfahren worden wäre? Dass ich nur wegen ihm zurück gekommen bin?

„Nicht hier.“

Schon wieder landet seine Hand in meinem Gesicht, doch diesmal tut es nicht mehr so sehr weh. Mein Herz hat eine Wand vor sich aufgebaut. Ein paar Male kann ich es einstecken, ohne verletzt zu werden, denke ich.

„Wo du heute Morgen warst, habe ich gefragt“

Seine Stimme ist lauter und aggressiver, doch es lässt mich kalt. Ich sehe ihn nur an, obwohl ich versuche durch ihn hindurch zu schauen.

Wieso halte ich mich eigentlich noch hier bei ihm auf? Ich hätte noch mit Ethan in der Stadt sein können, aber stattdessen verschwende ich meine Zeit mit einem Jungen, der anscheinend mit sich selbst nicht klar kommt.

Weiß er eigentlich, was Liebe bedeutet? Weiß er, aus welchem Grund man Leute küsst? Man küsst sie ganz sicher nicht nur aus Spaß. Das hier ist kein Freundschaft plus oder so. Das ist wirklich, das ist Liebe. Ich liebe ihn, auch wenn ich es nicht will.

„Interessiert dich das wirklich oder willst du nur deiner Mutter sagen können, dass du mit mir dort warst?“

Wieder bekomme ich einen Schlag ins Gesicht, doch diesmal stoße ich ihn an den Schultern zurück. Er liegt auf seinem Rücken auf dem Bett und ich hänge über ihm. Mein Atem geht schwerer und ich muss meine Wut zurückhalten, um ihn nicht in Stücke zu zerreißen.

How to save a life [l.s.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt