Etwas Chaos zum Tee?

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Es passierte an einem grauen, bewölkten Tag. Einem, an dem man einfach nur mit einer heißen Tasse Tee vor dem Kamin sitzen wollte. Mit dem leisen Knistern und Knacken in den Ohren fällt man in den Schlaf, friedlich, als gäbe es nur Glück und Zufriedenheit. Doch diese Genüsslichkeit sollte Ralf verwehrt bleiben. Als jener Tag sich langsam dem Ende näherte und er ans Fenster trat bemerkte er eine Verwüstung apokalyptischen Ausmaßes.

„Oh verdammt."

Ralf rannte zum Küchentisch, griff nach dem Hörgerät und friemelte es in sein Ohr. Nun hörte er nur zu deutlich die Sirenen und das andauernde Krachen. Kurz überlegte er, es wieder auszuschalten und einfach ins Bett zu gehen, doch sein schlechtes Gewissen beschimpfte ihn wie üblich aufs Übelste. Fluchend drehte er sein Hörgerät etwas leiser und rannte in das Schlafzimmer um seinen Anzug aus der Kommode zu kramen. Er hätte es wissen müssen. Das Böse schläft nie. Und doch war er davon ausgegangen, dass endlich Frieden herrschen könnte. Ein lautes Wummern riss ihn aus seinen Gedanken. Der Boden vibrierte. Ralf rannte Richtung Haustür und versuchte sich währenddessen den Anzug anzuziehen. Der grün - schwarze Stoff schmiegte sich eng um seinen Körper und er war froh dass er, selbst in seinem voranschreitendem Alter, noch trainiert genug war, um nicht total lächerlich in ihm zu wirken. An der Tür angekommen schlüpfte er in schwarze Boots, merkte, dass er mit ihnen niemals einen schmerzfreien Schritt tun könnte und entschied sich dann doch für ein Paar Wanderschuhe. Aus dem Spiegel an der Wand blickte ihm ein grimmiger, alter Mann entgegen. Ralf versuchte es mit einer entschlosseneren Miene und strich sich seine grauen Haare zurück. „Auf dass mein Haus nach diesem Abend noch stehen mag", grummelte er, riss die Haustür auf und stolperte hinaus. Der Anblick der sich ihm bot ließ diese Hoffnung zerplatzen wie einen Ballon. Der Himmel war erfüllt von Dunst und dunklen Wolken. Dichter Rauch hing über den Straßen und ein paar Meter weiter brannte ein Haus. Ralfs Augen tränten und er räusperte sich ein paar Mal, um seine Lunge frei zu bekommen. Noch einmal, weil es nicht geklappt hatte, danach gab er auf. Eine Explosion erschütterte erneut den Boden und er klammerte sich an einen Zaun, um nicht zu stürzen. Sein Blick ging hektisch umher und er sah, gerade noch so, wie eine Silhouette im Dunst verschwand. Ralf wandte sich nach links und trabte los. Wieso konnte dieser ganze Weltuntergangsmist nicht ein einziges Mal woanders statt finden? Hatte er nicht schon genug gekämpft? Nicht genug Schnitte und Brüche davon getragen? Durfte nicht auch er in seinem Ruhestand mit einem verdammten Tee vor einem verdammten Kamin sitzen? Nach der momentanen Situation zu urteilen bräuchte er später eher einen Tee mit Schuss... mit viel Schuss. Mürrisch flitze er der rätselhaften Person hinterher. Je weiter er in die Stadt kam, desto weniger konnte er sehen. Ralf konnte sich nur vorstellen, wie sich die Zerstörung durch Häuser und Läden fraß, wie ein halb verhungertes Tier auf der Jagd nach seiner Beute. Was war wohl diesmal der Grund für das Chaos? Der Wille nach Reichtum? Eine Verschwörung gegen das System? Zwar konnte er sich letzterem Punkt anschließen, sah aber keinen Grund dafür die halbe Stadt auszulöschen. Er joggte an eingeschlagenen Fensterscheiben und brennenden Autos vorbei, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt.

„Hallo?" Keine Antwort. Ralf seufzte.

„Was auch immer du, Schrägstrich, ihr wollt, diese Stadt zu zerstören ist es nicht wert. Ich meine, kommt schon. Warum ausgerechnet diese? Es gibt so viele andere zerstörungswürdige Städte." Er blieb stehen und kratze sich am Kopf. Ein heftiger Stoß gegen seinen Rücken ließ ihn durch die Scheibe eines Supermarktes segeln. Obwohl sein Anzug ihn größtenteils vor Verletzungen bewahrte, durfte er wohl mit einigen blauen Flecken rechnen. Naja, damals hätte er mit blauen Flecken rechnen können. Heute würden es wohl einige Blutergüsse und Prellungen werden. Ächzend stand er auf, klopfte sich Staub und Müsli von der Kleidung und schritt erwartungsvoll wieder auf die Straße.

„Da ist ja unser Superheld", höhnte eine tiefe Stimme. Aus dem Dunst trat ein hochgewachsener Mann. Wie Ralf es hasste, wenn sie größer und breiter waren als er. Über sein kantiges Gesicht zog sich eine wulstige Narbe und sein Körper steckte in einer verschrammten, alten Rüstung.

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