Kapitel 15

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Countdown

Erstaunlicherweise war ich an diesem Morgen früher wach als Alex. Doch anstatt ihn schlafen zu lassen, so wie er mich gestern, rüttelte ich ihn wach. "Aufstehen du Schlafmütze", rief ich fröhlich. Was war los mit mir? So motiviert wie heute, war ich ja schon lange nicht mehr gewesen. Er stöhnte und öffnete langsam seine Augen. Als Dankeschön für meine wirklich nette Weise ihn zu wecken, bekam ich ein Kissen ins Gesicht. Um sicher zu gehen, dass er nicht mehr einschlief, drehte ich die Musik laut auf und ging ins Bad. Ich versperrte die Tür und nahm dann eine heiße Dusche. Meine Haare wusch ich mit meinem Lieblingsshampoo mit Apfelgeruch, rasierte meine Beine und benutzte irgendein Duschgel, das gerade herumstand. Im Gegensatz zu vielen anderen Leuten, sang ich nicht unter der Dusche, sondern dachte über vieles nach. Heute würde Sams Party steigen und ich hatte keine Lust ihr ins Gesicht zu sehen und die Enttäuschung, das es doch keinen Nachmittag zu dritt geben würde, daraus ablesen zu können. 15 Minuten später stand ich mit einem Turban und einem Handtuch um meinen Körper gewickelt vor dem Spiegel und cremte mein Gesicht ein. Währendessen überlegte ich schon, welches Outfit ich für den heutigen Tag wählen werde, denn ich wollte nicht wieder einen halbe Ewigkeit vor meinem Schrank stehen. Meine Haare band ich zu einem Dutt zusammen und zog nochmal etwas Bequemes an, bis ich etwas gefunden hatte. "Badezimmer ist frei", verkünderte ich, öffnete meine Schranktür, überflog meine Klamotten und ging verschiedene Kombinationen in meinem Kopf durch. Sam hatte ohne Zweifel den besten Sinn für Mode von uns allen (und ich den miserabelsten), aber ich wollte mich zumindest heute an einer guten Kombi probieren. Als ich Alex hinter mir hörte, wurde mir klar, dass ich schon wieder eine Ewigkeit für mein Outfit brauchte. Er hatte sich schon geduscht und suchte selbst nach einem Oberteil und einer Hose. "Hast du wenigstens die leiseste Ahnung, was du anziehen willst?", fragte ich verzweifelt. Er nickte und befahl mir mit einer Handbewegung mich wegzudrehen. Ich gehorchte und wandte mich wieder meinem Schrank zu. Plötzlich stach mir ein Kleid ins Auge, an das ich mich nicht erinnern konnte, dass ich es hatte. Obenrum schwarz-rosa Blumenmuster und unternrum war es nur schwarz und bauschig. Es ging mir bis zur Hälfte meines Oberschenkels, war also nicht zu kurz. Gehörte das Ding wirklich mir oder hatte es Sam einmal bei mir liegen lassen und ich hatte es, ohne darauf zu achten, ob es mir gehörte oder nicht, in meinen Schrank geräumt? "Dreh dich um", sagte er und ich konnte schon sein Grinsen spüren. Wieder drehte ich mich um und erblickte einen gutaussehenden Briten mit Turnschuhen, einer hellen Jeans und einem schwarzem Hemd. Ich schluckte. Mir hatte es regelrecht die Sprache verschlagen, so gut wie er aussah. "Ddas steht dir echt super", war das Einzige, das ich herausbrachte. Ihm fiel das Kleid, dass ich in der Hand hatte, ins Auge und betrachtete es ganz genau. "Das musst du unbedingt anziehen", sagte er begeistert. Er wandte sich um und forderte mich somit auf, mich umzuziehen. Mir war es unangenehm meine Klamotten zu wechseln, wenn er im selben Raum war, also bittete ich ihn vor die Tür zu gehen und sperrte diese zu. Schnell zog ich mir das Kleid an, zupfte es zurecht und ließ Alex wieder in mein Zimmer. Mit großen Augen musterte er mich von Kopf bis Fuß. Gefiel es ihm doch nicht mehr, jetzt da ich es trug? "Wow", sagte er - mehr nicht.

Mein Handy meldete sich und ich starrte auf das Display. Finn war darauf zu lesen und ich spürte die Wut in mir aufsteigen. Ohne zu Zögern schmiss ich es auf mein Bett. Ich wollte auf keinen Fall mit ihm reden. Zu meiner Überraschung nahm mein Mitbewohner das Smartphone und hob ab. Weil mich das Gespräch nicht interessierte, ging ich auf meinen Balkon. Ich stütze mich mit meinen Händen auf dem weißen Geländer ab und genoss die Sonne, die mir ins Gesicht schien. In unserem Garten standen ein paar Korbmöbel, auf denen meine Mum mit ihren Freundinnen gerne Kaffee trank. Außerdem gab es einen  Baum, dessen Äste bis herauf reichten. Es war also perfekt, um sich abends wegzuschleichen. "Hey", kam Alex nach einer Weile zu mir nach draußen, "Finn sagt, dass du um 4:00pm bei Sam sein sollst und dass er alles andere schon geregelt hätte." Ich schnaubte. Wieder musste ich mich auf ihn verlassen. Und nein, er hatte nicht alles geregelt, denn Carlos sollte sich bei MIR melden und hatte es bis jetzt nicht getan. Langsam gab ich die Hoffnung auf, dass er sich überhaupt noch meldete. Wenn nicht, hatte ich ein Problem, denn ich hatte keinen Plan B für die Musik - One Republic produzierte nicht wirklich Partyhits.

Um 15:45 Uhr verließ ich mit gemachten Haare, Make Up, meinem Kleid, zu dem ich noch passende Schuhe und Schmuck kombiniert hatte, und natürlich ihrem Geschenk, das Haus. Zum Abschied gab ich Alex noch einen Kuss auf die Wange und murmelte Bis später. Der "Abschiedskuss" war mittlerweile zu Gewohnheit geworden und es fühlte sich kein Bisschen komisch an. Natürlich kribbelte es in meinem Bauch oft, wenn es um ihn ging, aber diese Küsse waren für mich irgenwie anders - wie so ein Küsschen, das du deiner besten Freundin zur Begrüßung gibst, nur eben zum Abschied. Ich erreichte Sams Haus zur Abwechslung einmal pünktlich, denn ich war ansonsten berühmt, berüchtigt für meine Verspätungen. Egal, um welche Uhrzeit wir uns trafen, ich kam grundsätzlich fünf Minuten zu spät. Sam öffnete in Jogginghose und einem viel zu weitem Oberteil. "Du bist ja schick angezogen, gibt's hier was zu feiern?", fragte sie und grinste breit. "Alles Gute zum Geburtstag!", kreischte ich und fiel ihr um den Hals. Zugegeben, ein bisschen gekünstelt, aber heute war ihr Tag, ich durfte heute nicht schlecht drauf sein. "Oh dankeschön", quiekte meine beste Freundin und drückte mich fest an sich. Als wir uns von einander lösen konnten, eilten wir sofort hinauf in ihr Zimmer. Ich erwartete drei verschiedene Outfits, zwischen denen ich für sie wählen sollte, doch stattdessen fand ich ihr Zimmer, aufgeräumt wie immer, vor. "Willst du nicht raus aus deinen bequemen Klamotten und dir etwas Schönes, glamouröses anziehen?" Hätte mich das jemand gefragt, hätte ich ihn sofort aus meinem Freundeskreis verbandt und auch Sam sah mich etwas verdutzt an. "Warum das denn? Wir sind doch nur bei Finn und gucken Filme, ich borge mir einfach wieder einen Hoodie von ihm aus." Das hatte er ihr also eingeredet. Wenn sie nur wüsste... "Aber da du auch nicht gerade assi angezogen bist, sollte ich mich vielleicht auch ein bisschen in Schale werfen", beschloss sie und ich war heilfroh, dass ich sie nicht weiter davon überzeugen musste.

Eineinhalb Stunden hatte es gedauert, bis sie sich für eine helle Jeans und einen Blumenoberteil (so vorhersehbar...) entschieden hatte. Geschminkt war sie schon, als ich angekommen war und mehr als ihr Alltagsmakeup wollte sie nicht auftragen. Wir quatschten noch ein wenig und machten uns dann auf den Weg. Sie erzählte mir von ihrem bisherigen Tag, der anscheinend nicht so aufregend gewesen war, als sie plötzlich aprupt stehen blieb. "Hätten wir nicht voher links gehen sollen?", fragte sie. Ich hatte gehofft, dass ich sie so in das Gespräch vertiefen konnte, dass es ihr nicht auffiel, aber anscheinend war mir das nicht gelungen. "Ja, du hast vollkommen recht", stotterte ich und kratze mich am Kopf, "aber..." Ich suchte fieberhaft nach einer Ausrede. "Finn hat mir vorher eine SMS geschrieben, wir treffen uns doch nicht bei ihm Zuhause, sondern gehen erst nachher hin." Und somit ließ ich mich auf sein Niveau herab. Ich war genauso ein mieser Lügner wie er. Mein schlechtes Gewissen durchfuhr meinen ganzen Körper. Nach einem unbeeindruckten Oh, okay... redete sie weiter wie ein Wasserfall und ich ließ sie einfach labern und versuchte mein Schuldbewusstsein auszublenden.

Wir erreichten das Ferienhaus um 18:10 Uhr und ich hoffte, dass schon alle in den Startlöchern standen. "Bist du sicher, dass wir uns hier treffen, was sollte FInn in dieser tollen Bude wollen?, fragte Sam. "Ja, ich bin mir sicher", antwortete ich und führte sie über die Veranda. "Wow, er hat sogar hier dekoriert", lachte sie, als sie die Ballons und Luftschlangen entdeckte. Dann erreichten wir die Tür. Ich blieb stehen und hielt kurz inne. Was ich hier machte, war ein großer Fehler.

Neuer Schüler , Mitbewohner und große Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt