17.1 Ékstasi - Trance

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Zwar hatte er das in gewisser Weise auch, aber er sich nicht sicher, ob Phobos sich bei ihm nicht geirrt hatte. Es fühlte sich nicht danach an, als hätte er seine Ängste als einen Teil von sich akzeptiert. Er hatte eine unglaubliche Furcht vor dem Ertrinken. Und dem Tod.

Die Brüder schwiegen eine Zeit lang, bis Orion sich schließlich erhob, um wortlos seine Blase zu leeren. Das leise Plätschern löste in Taras wieder das Gefühl von Panik aus. Er schloss die Augen, als die Fluten ihn umschlossen und er den Atem reflexartig anhielt, um kein Wasser zu schlucken.

Nachdem sie Aigis geweckt und eilig ein wenig ihres Proviants heruntergewürgt hatten, schulterten sie Beutel, Schilde und Waffen und machten sich auf den Weg, dem Gang weiter zu folgen, in dem sie die Nacht – wenn es denn Nacht gewesen war – kampiert hatten. Taras' Füße protestierten bereits nach kurzer Zeit. Besonders jetzt merkte er deutlich, dass er es einfach nicht gewohnt war, viel zu laufen. Mal einen Tag war das vollkommen auszuhalten, aber so lange, wie sie nun schon am Stück unterwegs waren, fühlte es sich an, als hätte er die Strecke von Athen nach Kreta zu Fuß hinter sich gelegt – zwei Mal.

Da half es nicht, dass seine Gedanken in der Stille der Reise immer wieder zu der Begegnung, wenn man es denn so nennen konnte, mit Phobos und der Überlegung von Orion zurückkehrten. Diese beiden Dinge waren miteinander verwoben, das erkannte er. Und irgendwie hatte die Angst es ihm bestätigt, was sein Bruder vermutet hatte: Die Götter nutzten das Labyrinth, um ihre zukünftigen Helden zu testen.

Aber Taras war kein Herakles. Er besaß nicht die Stärke, einen Löwen mit den bloßen Händen zu besiegen. Und schon lange besaß er nicht den Mut, sich einem Löwen von Angesicht zu Angesicht entgegen zu stellen. Er war froh, dass die einzig furchteinflößende Begegnung, die er bis jetzt hatte erleben müssen, der bronzene Adler und die Angst selbst gewesen war. Sogar vor den Würgeranken, die ihn, seinen Bruder und Aigis überfallen hatten, fürchtete er sich nicht so sehr. In seinem Hinterkopf waren sie nur Pflanzen. Sie konnten keinen eigenen Willen aufzeigen und ihn und seine Begleiter verfolgen. Wenn ihnen jemand nachstellen konnte, dann wäre das Phobos.

Auch ohne die Anwesenheit der Angst hatte er Angst.

Je länger sie liefen, desto mehr glaubte Taras daran, dass es immer wärmer wurde. Er war kein sonderlich sportliches Kind oder hatte viel Spaß an diesen Aktivitäten gefunden, aber nicht einmal er fing durchs Gehen so stark zu schwitzen an. Nach einer kleinen Ewigkeit lief ihm der Schweiß in etlichen Bahnen den Rücken entlang und ließ seine Haut unangenehm jucken. Er fühlte sich langsam wirklich schmutzig.

„Spürt ihr das auch?", fragte er nach einer Weile, als er sich wirklich sicher sein konnte, dass es keine bloße Einbildung war. Seine Haut war heiß, seine Hände klebten unangenehm vom Schweiß und der bittere Geruch hatte sich bereits in seiner Nase festgesetzt, sodass er konstant das Gesicht zu einer Grimasse verzog.

„Es ist heiß", murmelte Aigis leise und atemlos.

„Oh, gut, ich bin nicht der einzige", keuchte Orion und wischte sich übers Gesicht. „Ich hatte schon befürchtet, das wäre eine Nebenwirkung von – ich meine, gut, dass ihr das auch spürt."

Taras konnte nicht sagen, ob sein Gesicht aufgrund der Hitze oder der Peinlichkeit eines fast ausgeplauderten Erlebnisses so rot war. Auf jeden Fall hatte er das Gefühl, dass seinem Bruder knapp herausgerutscht wäre, was Phobos ihn hatte erleben lassen und mittlerweile zermarterte sich der Junge den Kopf, was es sein könnte, dass seinem Bruder solch eine Angst einjagte, dass er nicht einmal darüber sprechen wollte, denn Orion hatte vor nichts Angst. Zumindest wüsste Taras nicht davon. Er hatte seinen älteren Bruder noch nie ängstlich erlebt. Selbst im Kampf gegen den Adler war er furchtlos gewesen.

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