Vampire killen leicht gemacht

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Dunkelheit. Meine Sinne aufs Äusserste geschärft. Der Regen, welcher erbarmungslos auf den schwarzen Asphalt niederprasselt, nimmt mir die Sicht. Ich verlasse mich ganz auf mein Gehör; meine Intuition. Alle meine Muskeln sind angespannt; bereit, jede Sekunde zuzuschlagen. Da! Hinter mir! Blitzschnell fahre ich herum und schlage zu. Solarplexus, Niere, Schläfe. Er taumelt. Mein Pflock durchschlägt sein Herz, bevor er überhaupt realisieren kann, was gerade passiert ist.
Das war leicht. Zu leicht.
Wachsam starre ich in die Finsternis; versuche, weitere dieser elenden Kreaturen auszumachen. Doch ich kann nichts erkennen. Meine Augen schliessend, weite ich den Radius meiner Wahrnehmung aus. Eine der Gaben, die ich als Halb-Hexe in die Wiege gelegt bekommen habe. Aber nichts ist zu erfassen. Die Gegend ist sauber.
Langsam ziehe ich den Pflock aus der Brust des toten Vampirs und wische angewidert das Blut an seinen Kleidern ab. Als ich sehe, wie er langsam anfängt zu Staub zu werden, weiss ich, dass er einer der Wilden war.
Es gibt zwei Arten von Vampiren. Die einen, die jegliche Farbe verlieren und derer Körper sich mit schwarzen Adern bedeckte, und die Wilden. So nenne ich sie. Erkennbar an den roten Augen. Sie zerfallen zu Staub, was mir die äusserst nervige Arbeit erspart, die Leichen zu entsorgen. Sie töten alles, was ihnen in den Weg kommt. Einmal hatte ich sogar beobachtet, wie sie sich gegenseitig umbrachten, was für mich ziemlich praktisch war. Die „normalen“ Vampire waren schwerer zu erledigen. Tatsächlich hatte ich bisher gerade mal Einen getötet, auch wenn das dazumal mehr Glück gewesen war. Doch das ist jetzt schon zwei Jahre her. Seitdem habe ich viel Neues gelernt und bin stärker und ausdauernder geworden.
Ich verstaue den Pflock in meiner Handtasche und krame mein Handy heraus. Kamera, Selbstansicht. Ja, ich benutze mein Mobiltelefon als Spiegel.
Zwei haselnussbraune Augen blicken mir entgegen. Mein Gesicht ist von langen, schwarzen, leicht gewellten Haaren umgeben. Doch es interessiert mich nicht. Das Einzige, was ich will, ist, dass man nicht merkt, dass ich gerade mehrere Kilometer gerannt bin und drei wilde Vampire gekillt habe. Schnell richte ich meine Haare und trage neuen Lipgloss auf.
Das bin ich. Evelyn Loveless. Vampirjägerin.
Seit meine Eltern vor 16 Jahren von einem Vampir ermordet worden waren, ist es mein höchstes Ziel, diese Biester auszurotten. London ist ein hartes Pflaster. Nicht so hart wie New York, doch gerade gut für mich. Ich atme tief durch, ehe ich zurückgehe.
So, Evelyn! Lächeln!
Ich biege um die Ecke und befinde mich sofort wieder unter Menschen. Natürlich ist hier bei Nacht nicht so viel los wie am Tag, da die meisten Touristen schlafen, doch es herrscht trotzdem ein reger Betrieb.
„Hallo Püppchen, wohin des Weges?“, rufen ein paar betrunkene Jugendliche mir hinterher. Ich ignoriere sie und gehe weiter. Meine Sensoren sind noch immer eingeschaltet und ich warte nur darauf, dass der nächste Vampir auftaucht.
„Hey Schlampe! Wir reden mit dir!“
Ich drehe mich um und sehe, wie sie langsam auf mich zukommen. Fünf Halbstarke, die sich wichtig zu machen versuchen.
Plötzlich stellen sich mir die Nackenhaare auf. Ein Vampir. Nein, sogar vier! Hier ganz in der Nähe!
„Wir mögen es nicht, ignoriert zu werden“, spricht da der Grösste der Fünf und streckt seine Hand aus.
„Nimm deine dreckigen Pfoten von mir! Wage es nicht, mich zu berühren“, zische ich. Gott, ich habe Besseres zu tun, als hier mit Möchtegern-Machos zu spielen.
„Sonst was?“, grinst er und macht keinerlei Anstalten seine Finger zurückzuziehen.
„Sonst brech ich sie dir“, flüstere ich und packe sein Handgelenk. Überrascht keucht er auf. Das hatte er nicht kommen sehen.
„Geht nach Hause, Jungs!“
„Lass los, du Hure! Oder wir verprügeln dich“, stöhnt der Junge. Mein Griff wird fester.
„Du siehst, ehrlich gesagt, nicht gerade so aus, als wärst du in der Position, Befehle zu erteilen. Ihr geht jetzt sofort nach Hause, oder ich breche dir dein nettes, kleines Handgelenk. Hast du mich verstanden?“
Die Vampire kommen näher. Bald würden sie im Piccadilly Circus ankommen. Und dann haben wir ein Problem. Ich muss mich beeilen. Also Hypnose. Gott, waren diese Fähigkeiten praktisch.
„Lass los…“, er windet sich unter meinem Griff, der noch fester wird.
„Ich sagte, geht!“ Bei diesen Worten blicke ich ihm tief in die Augen und sofort lässt sein Widerstand nach. Kaum lasse ich ihn los, rennt er als wäre der Teufel hinter ihm her. Ob er nach Hause geht, oder nicht, interessiert mich nicht. Hauptsache, ich komme zu diesen dreckigen Vampiren, um sie abzumurksen. Das wären dann sieben. Sieben für eine Nacht war nicht schlecht.
Kaum haben die Jugendlichen sich abgewandt, fange ich auch an zu rennen. Vom Leicester Square zum Piccadilly brauche ich etwa 4 Minuten, wenn ich mich beeile. Dann mal los!

Drei Minuten später bin ich da. Wo die Vampire genau sind, spüre ich mit jedem Schritt, den ich näher komme, stärker. Meine Hand fährt in meine Handtasche und umfasst einen der hölzernen Pflöcke. Ich drehe in eine Seitengasse ein und da stehen sie. Vier hässliche Monster, die Zähne gefletscht und um die rot glühenden Augen ziehen sich schwarze Äderchen. Ebenfalls wilde Vampire. Die häufen sich in der letzten Zeit ziemlich. Nun, mir solls recht sein, sie sind einfacher zu töten, als diejenigen, die sich unter Kontrolle haben.
„Hello Sweeties. Ich weiss, was ihr in wenigen Minuten sein werdet. Doch… Spoilers“, sage ich und bleibe in der Mitte der Gasse stehen.
Hello Sweetie und Spoilers... Das habe ich aus meiner Lieblingsserie. Es ist mir egal, was andere darüber denken, ich finde es cool. Genauso wie Bow Ties. Fliegen.
Jetzt habe ich die Aufmerksamkeit der Vier. Zuerst schnallen sie gar nicht, dass ich mich über sie lustig mache. Zwei Sekunden später jedoch gehen sie auf mich los. Geschickt weiche ich aus und stosse dem Ersten noch in der Bewegung den Pflock in den Rücken. Diese Geschöpfe sind so vorhersehbar. Die drei Übriggebliebenen fauchen mich an. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand, doch was macht das schon. Ich ziele auf das Herz des Einen und schleudere den Pflock mit aller Kraft auf ihn zu und schicke einen Stoss Magie hinterher. So, dass er eine noch stärkere Wucht hat. Der Vampir jedoch weicht aus und mein Angriff geht ins Leere. Er schreit wütend auf und kommt auf mich zu.
Fehler!
Ich drehe meine Hand und der Pflock, der an ihm vorbeigesaust war, hält mitten in der Bewegung inne, um dann, wie ein Bumerang, zurückzuschnellen und ihn aufzuspiessen.
Da waren’s nur noch zwei.
Doch diese beiden sind mir mittlerweile gefährlich nahe gekommen. Während der eine Vampir versucht, mir die Zähne in den Hals zu schlagen, versucht der andere, sich in meinem Arm festzubeissen. Ich hole aus und schlage dem Ersten in die Magengegend. Er taumelt eine halbe Sekunde zurück, doch das reicht mir. Ich drehe mich um und stosse mich von der Wand ab. Im Flug schleudere ich dem Zweiten eine Ladung Verveine-Tinktur entgegen. Sofort keucht dieser auf und versucht, sich das Eisenkraut abzuwischen, doch es verfehlt seine Wirkung nicht. Schon fangen sich auf seiner Haut an Blasen zu bilden.
Plötzlich spüre ich einen stechenden Schmerz in meinem Oberarm und ich merke, wie warmes Blut über meinen Arm rinnt. Shit! Ich bin einen Moment lang unachtsam gewesen. Der Vampir leckt an meinem Blut, zuckt jedoch kurz darauf mit einem angewiderten Blick zurück.
„Was? Magst du keinen Verveine-Tee?“, grinse ich und nutze die Gunst der Stunde. Der Pflock durchdringt sein Körper wie ein Messer warme Butter.
Nur noch einer. Ich drehe mich um, doch hier ist niemand mehr. Alles was ich sehe, ist, dass der letzte Vampir, der den ich mit Verveine übergossen habe, um die Ecke verschwindet. Doch so leicht kommt er mir nicht davon. Sofort nehme ich die Verfolgung auf. Folge ihm durch die versteckten und verwinkelten Gassen Londons. Er ist schnell, doch die kleine Ladung Eisenkraut macht ihm zu schaffen. Nach wenigen Minuten habe ich ihn eingeholt. Er ist in eine Sackgasse gerannt.
„Was willst du?“, schreit er unter Schmerzen und kauert sich hin.
„Dein Leben, Sweetheart!“
Ich gehe auf ihn zu. Den Pflock in der Hand, bereit zuzustechen. Doch es kommt nicht dazu. Wenige Meter, bevor ich bei ihm angekommen bin, taucht plötzlich eine Gestalt aus der Dunkelheit auf. Dass er ein Vampir ist spüre ich sofort. Und zwar einer derjenigen, die sich unter Kontrolle haben. Doch es ist etwas anderes, das mich stocken lässt. Sein rabenschwarzes Haar ist wunderschön und seine stechend blauen Augen scheinen tief in mein Innerstes zu sehen. Ich bin wie erstarrt, als er sich plötzlich umdreht und dem Wilden einen Pflock ins Herz stösst. Dann kommt er auf mich zu und ich merke, wie sich meine Erstarrung löst. Sofort gehe ich in Kampfposition.
„Gern geschehen“, grinst er jedoch nur. Eine Sekunde später ist er verschwunden. So schnell und mysteriös wie er aufgetaucht ist, ist er wieder weg und ich stehe da und habe keine Ahnung, was gerade passiert ist.

In the Shadows of the Darkest Nights - Damon Salvatore FFWhere stories live. Discover now