Sein Büro

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Ich ging gerade aus. Mein Blick lag auf dem alten zerfläzten Teppich der Eingangshalle. An meinen Fingerkuppen fühlte ich die Kälte der Steinmauer und sie glich meiner kühlen hellen Hand. Es sind diese Momente, wie ich sie schon oft in der Vergangenheit erlebt hatte. Ich war eben nicht selten hier. Klinke runter. Die Tür ging einen Spalt auf und mein von dunkler Kleidung bedeckter Körper schob sich dazwischen und ich betrat das beheizte grässlich helle Empfangszimmer. Die Brille auf der Nase der Rezeptionistin hob sich und sie nickte augenblicklich. Sie kannte mich. Sehr, sehr gut. Mein Kopf drehte sich langsam wieder weg und meine Füße trugen mich zu meinem Lieblingsplatz. Links neben dem Fenster. Was sollte es mir bringen, von dem Licht geblendet zu werden, würde ich den Platz am Fenster vorziehen? Meine Fußspitzen tippten leicht auf den Boden zum Rhythmus des leise laufenden Radios und ich wartete. Ungeschminkt? Maskara in den Augen schmerzt. Ein kleines Klirren ertönte und es folgte ein Quietschen, so trat jemand aus dem Behandlungszimmer hinaus und ging zurück zum Tresen. Ich seufzte und wusste, dass nun meine Stunde geschlagen hatte. Die Augenlider meiner selbst öffneten sich langsam und ich sah in sein Gesicht. Er lächelte nur leicht und winkte mich mit zwei Fingern seiner rechten Hand in den Raum. Ich drückte mich von dem Polster auf und schleppte mich hoffnungslos ausschauend auf Besserung in sein Zimmer. Er deutet wie jedes Mal auf die Ledercouch und ich setzte mich wie jedes Mal auf die rechte Seite, um mit der Lehne zu spielen. "Und.. wie haben wir denn geschlafen?", er sagte es ruhig und ohne jeglichen Unterton. Ich konnte demnach meine Gefühle in keine Richtung ausrichten und zuckte neutral mit den Schultern. Ich schlief dann gut, wenn mich nichts belastete. Wenn ich mich nicht sorgte. "Ganz in Ordnung.. keine Träume.. nur recht leichter Schlaf", meine Antwort drückte eine ebenso geringfügige Polstellung aus wie seine Frage zuvor. Er nickte und in seinen Fingern bewegte sich hektisch ein Kuli auf und ab. "Kannst.. du meine Frage von vor einer Weile schon beantworten?", jetzt trafen seine Augen auf meine und ich schüttelte nur langsam den Kopf. Diese Frage bedarf von viel Überlegung, vielleicht auch Ausprobieren, ich weiß es nicht. "In Ordnung.. ich hetze dich nicht..", seine Stimme hatte eine Ruhe in sich, die mein aufgeregt schlagendes Herz mit der Zeit wieder auf den Boden brachte. Eine Weile blieb es einfach still und keiner sagte ein Wort. Meine Gedanken tanzten mein Gehirn auf und ab, hinterließen unangenehme Erinnerungen und Erlebnisse. Doch ich habe mich bewusst für all das hier entschieden, ich brauchte Hilfe, ich wusste, ich bin selbst nicht fähig, mir auf diese Art und Weise zu helfen. Im Endeffekt kann er mich aber auch nur leiten, ich muss selbst für mich entscheiden, welches Gesicht ich annehmen will. Was meine Identität ist. "Es gibt etwas.. was ich sie fragen will..", ich meldete mich so selten zu Wort, nur ich habe von Menschen gelernt, offen zu reden, wenn es etwas Wichtiges gibt. Sein Kopf bewegte sich kurz auf und wieder nach oben, ein kleines Lächeln schlich sich für einen minimal andauernden Moment auf seine Lippen. Ich atmete tief durch und stellte nach erneutem Nachdenken meine Frage: "Müssen wir unterschiedlich sein.. oder gleich.. um mit jemandem klarzukommen?.. muss.. ich.. mich zurücknehmen.. was mu-", er hob seine Hand, geformt zu einer lockeren Faust, und er musterte mich. "Ruhig.. durchatmen..", er holte einmal tief Luft und ich folgte seinem Beispiel. "Erklär mir.. was du getan hast.. was dein Bewusstsein.. zu dieser Frage drängt.. unabhängig.. von allen zwischendurch passierten Dingen.. erzähl mir die Ursache", er sah weiter in mein Gesicht und ich versuchte seinem Blick standzuhalten, einfach allem standzuhalten. "Ich...", ich wusste, es würde mir schwer fallen, meinen eigenen Grundsätzen so stark zu widersprechen, "ich habe.. geurteilt.. über jemanden.. ich habe mich entfernt.. von jemand Essentiellem.. ich hasse.. mich dafür.. ich habe.. indirekt.. kritisiert..". Ich hatte es und es fraß mich auf. Er hörte mir stumm zu und schrieb sich nebenbei Stichworte auf einem kleinen linierten Notizblock mit. Das Ganze zog sich mehr und mehr in die Länge. Wir redeten. Bis rein in die Nacht. Ich irrte durch ein Labyrinth voller Herausforderungen und dunkler Gänge, doch mein Ziel war es, hinauszugelangen. Deshalb saß ich in seinem Büro. 2.57Uhr. Ich drehte mich noch einmal zu ihm um und hielt einen gelben Zettel in meine Fingern fest, mein Körper stand schon auf dem dunklen Gang und er sah ebenso zu mir. Ich nickte nach einigen Sekunden leicht und verließ mit etwas weniger Last das Therapiezimmer. Die Tür fiel zu und sein Name stand eingraviert auf der silbernen Plakette. Min Yoon Gi.

Yoongi × Readerحيث تعيش القصص. اكتشف الآن