Kapitel 1 - Einzug

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Er hatte das letzte Mal mit jemandem richtig gesprochen als seine Mutter noch lebte, nach ihrem Tod vergingen ihm die Worte und es wurde immer schlimmer. Als er nach langem hin und her mit den Ämtern doch zu seinem Onkel ziehen musste, anstatt in eine eigene Wohnung so wie es ihm so oft versprochern wurde, fühlte er sich so einsam wie noch nie. Er hatte seinem Onkel das letzte Mal gesehen, als er noch Kontakt zu seinen Vater hatte, das war schon mindestens fünf Jahre her.

Jetzt war er ein Jahr vor seinem Abschluss und musste zu diesem Mann, der sich wie ein Fremder anfühlte.

Das war ihm augenscheinlich egal, denn er wollte mit niemandem etwas zu tun haben, am liebsten den ganze Tag ihn Ruhe gelassen werden und endlich keine geheuchelten oder aus anstandsgründen ausgesprochenen Beileidsbekundungen. Was das anging hatte er bei seinem Onkelt Glück, denn er war ein Mann der keinerlei Gefühle zeigte und auch kein Freund von großen Worten war.

Der erste Tag bei ihm war ziemlich Seltsam. Finn kam mit seinen wichtigsten Sachen in einem großen Rucksack und in einer Sporttasche, er hatte nie viel wert auf Materielles gelegt, und sein Onkel begrüßte ihn mit einem kurzen Kopfbewegung, woraufhin Finn sein neues Zimmer gezeigt wurde. Es war ein vollausgestattetes Kinderzimmer, ein Mädchenzimmer um genau zu sein. Auf kleinstem Raum stand ein Stockbett mit rosanen Laken, ein Schreibtisch und haufenweise Kuscheltiere stapelten sich unter der Dachschräge gegenüber des Bettes. Ein komisches Gefühl in den Dingen anderer zu stehen. Finn wusste natürlich, dass dies das Zimmer seiner zwei Nichten war, bevor die Frau seines Onkels ihn überraschend mit den gemeinsamen Kindern verlies. Das hatte er bei einem Telefonat seines Vaters mitbekommen. Sein Onkel, mit seinen verlaufenen Tattoos auf der Haut, stand immer noch im Türrahmen und es schien ihm nicht sonderlich zu gefallen, dieses Zimmer das dem anschein nach über Jahre hinweg unverändert gewesen war, Finn zu überlassen.

Dieses Zimmer war das einzige was ihm von seinen Töchtern geblieben war, nachdem er diese das letzte Mal vor Gericht zu sehen bekam, wo ihm kein Anrecht auf Sorgerecht ausgesprochen wurde und seine Frau sich kurzerhand mit den Kindern und einem neuen Liebhaber im Ausland absetzte .

Mit der bedrohlichen Silhuette hinter sich betratt Finn das Zimmer und stellte seine Sachen auf einem freien Platzt auf dem Boden ab.

„Nacht", murrmelte der Onkel schroff und lies die Tür hinter sich in die Angeln fallen.

Finn zuckte zusammen und lies sich erst einmal auf das untere Bett fallen, wobei er sich heftig den Kopf anschlug. Er kniff die Augen zusammen und beherschte sich still zu bleiben, er wollte den Onkel nicht am ersten Tag aufregen, er musste immerhin ein ganzes Jahr hier aushalten.

Mit schmerzendem Hinterkopf saß er nun im Dunkeln auf dem Bett und fühlte sich leer.

Aus dem kleinen Dachfenster konnte man in den Himmel sehen, der Mond war fast voll und beleuchtete den Kuschltierberg gespenstisch. Es war kein einziger Stern zu sehen, was auch nicht zu erwarten war in der Stadt. Finn zog seine Schuhe aus und beschloss sich hinzulegen, was gar nicht so einfach war, denn er war ein gutes Stück zu groß für das Bett, sodass sein Kopf am Kopfteil klebte und seine Füße bis über die Knöchel in der Luft hingen.

„Verdammt", fluchte er leise vor sich hin und zog die Beine zu sich heran.

An diesem Abend war ihm alles zu viel und er schaffte es nicht mal mehr leise und heimlich um seine Mutter zu weinen bevor er in einen tiefen Schlaf fiel.

Finn wachte mit schrecklichen Rückenschmerzen auf bis er sich schließlich entschloss noch ein Mal in die alte Wohnung zu gehen, um seine Iso Matte zu holen. Er war sich eigentlich ziemlich sicher gewesen nie wieder zurück zu kehren, aber er konnte sich doch dazu überwinden, weil er mit ziehenden Schmerzen und steifem Nacken einsah, dass er es einfach musste.

Der Todbringer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt