13.1 Fóvos - Angst

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„Ich weiß es nicht", murmelte sie und richtete ihre Augen auf den Schnabel des Adlers.

„Aber", fing Taras leise an und ging einen Schritt auf das Mädchen zu, „du musst verstehen, dass es hier um Leben oder Sterben geht. Wenn du den Bären nicht erschießt, dann reißt er dich."

Aigis' Blick schwamm in Tränen. „Ich weiß das ja, aber..." Sie ließ ihren Satz unbeendet, ließ ihren Gedanken in der Luft hängen.

„Schon gut", murmelte Orion gedämpft. „Lasst uns weiterziehen. Wer weiß, wie lange es hier noch sicher ist."

Ohne viel Federlesen packte er seinen Beutel, den er bei dem Kampf mit der mechanischen Bestie verloren hatte, verstaute sein Schwert in der Scheide, die an seinem Gürtel hing und blickte grimmig, an dem zerstörten Adler vorbei nach vorn.

Taras schloss sich seinem Bruder an und nachdem er sich vergewissert hatte, dass Aigis nicht zurückbleiben würde, folgte er ihm in die Düsternis des freigelegten Weges. Die schwarze Dunkelheit, die zuvor den Gang eingenommen hatte, wurde zwar durch einen schwachen Lichtkegel verdrängt, konnte allerdings nicht komplett ausgelöscht werden, sodass sie nach wenigen Schritten bereits von der Schwärze verschlungen wurden.

„Nimm meine Hand", grunzte Orion und einen Augenblick später spürte Taras, wie sein Bruder nach ihm packte. „Aigis, halt dich an Taras fest. Und geht langsam."

Aigis' kleine Finger fühlten sich in seiner Hand so zerbrechlich an, dass Taras Angst hatte, er könnte sie mit einem zu festen Griff zerquetschen. Ihr Beben zuckte gegen seine Handinnenflächen und trotzdem hatte er das Gefühl, dass sie ihm entgleiten würde, wenn er sich nicht darauf konzentrierte, sie festzuhalten. Ihre Schritte hallten übernatürlich laut im ganzen Gang wieder.

„Ich kann gar nichts sehen", murmelte Taras in die Dunkelheit.

„Halt dich an mich", erwiderte sein Bruder, der sich weiterhin langsam auf das wortwörtliche Licht am Ende des Tunnels zubewegte.

„Du kannst aber auch nichts sehen", flüsterte er.

„Können wir nicht zurückgehen?", fragte Aigis leise und mit einer Kraft, die Taras ihr gar nicht zugetraut hatte, klammerte sie sich in seine Hand und grub ihre Fingernägel in seine Haut.

„Jetzt, wo wir diesen Kampf überstanden haben, sollten wir die Belohnung annehmen", sagte Orion mit durchdringendem Klang in der Stimme. „Der Adler, der diesen Gang bewacht hat, ist geschlagen."

„Aber vielleicht ist er vor etwas geflohen", wisperte Aigis.

„Glaube ich nicht", erwiderte der ältere der beiden Brüder, aber Taras war sich nicht ganz sicher, ob Orion es wirklich so meinte. Die Stimme war eben, aber seine Finger zuckten in Taras' Hand. „Warum sollte er uns dann angreifen? Er war ein Wächter und wir haben ihn bezwungen. Es wäre töricht, wenn wir den bewachten Schatz nicht ergründen würden."

„Der Schatz könnte der Ausgang sein", flüsterte Taras, der sich in dieser allumgebenden Schwärze nicht traute, seine Stimme zu erheben.

„Eben", erwiderte Orion und für ihn war dieses Gespräch beendet.

Für Aigis allerdings nicht. „Es wirkte aber nicht so, als würde der Adler – ", fing sie an, stockte aber.

„Dieser Bronzevogel hat uns angegriffen, nachdem du über die Mauer geguckt hast", sagte Orion aufgebracht. „Er war wütend, weil wir in sein Territorium eingedrungen sind, also hat er angegriffen. Ist doch logisch."

„So logisch finde ich das nicht", entgegnete Aigis leise. „Ich konnte ihm in die Augen sehen. Er sah nicht verärgert aus."

„Es war aber auch kein Lebewesen", rief Orion ihr ins Gedächtnis. „Es war ein mechanisches Ding, wahrscheinlich von Dädalus gebaut. Oder vielleicht hat Hephaistos ihn erschaffen. Egal, wer es war, es ist vernichtet und kann uns nicht mehr aufhalten, hier weiterzugehen."

LavýrinthosWhere stories live. Discover now