i. welcome in december

Começar do início
                                    

Davor stand ein junger Mann, den ich zuvor nur flüchtig gesehen hatte. Am Morgen stürmte ich an ihm vorbei, wenn ich wieder einmal den Wecker nicht gehört hatte und mir nur fünf Minuten blieben. Die Dozenten an der Uni tolerierten keine Unpünktlichkeit und sorgten dafür, dass die Studenten bei gefühlten tausend km/h durch die Gegend fahren mussten.

Überrascht schaute ich meinen Nachbarn an, nachdem ich ihm dann auch schon die Tür geöffnet hatte und mit seinem Besuch überhaupt nicht gerechnet hatte. Ich glaubte auch nicht, dass wir jemals ein Wort miteinander gewechselt hatten.

»Um.. hi.«, begrüßte er mich und schaute mich mit einem unsicheren Blick an.

Vielleicht hatte er die dunklen Ringe unter meinen Augen entdeckt und dachte sich wohl, dass er es hier mit einer üblen Hexe zutun hatte. Es würde mich auch kein bisschen überraschen, wenn er sich langsam nach hinten bewegte und flüchtete.

»Hi. Kann ich dir helfen?«, fragte ich ihn und zwang mich zu einem Lächeln, was bei meiner Laune wohl echt komisch aussehen müsste.

»Tut mir leid. Ich hab total vergessen, dass wir es schon spät haben. I-Ich kann auch einfach morgen wieder vorbeikommen.«, entschuldigte er und wollte auch schon gehen, bevor ich dazu irgendwas erwidern konnte.

»Alles in Ordnung.« Gelogen. »Möchtest du reinkommen? Es muss dann wohl echt wichtig sein, wenn es nicht bis Morgen warten kann.«, trat ich einen Schritt zur Seite und wollte ihn nicht weiterhin an der Tür stehen lassen.

Er sah schon etwas durch den Wind aus und es machte mich nun echt neugierig, da es dafür einen wahrhaftigen Grund geben muss.

Hinter ihm schloss ich die Haustür und führte ihn in mein Wohnzimmer, wo ich die Katastrophe auf dem Esstisch hinterlassen und vergessen hatte. Die Blätter lagen verstreut auf dem Tisch und ich konnte schon gar nicht mehr erkennen, was ich da überhaupt versucht hatte zu lernen.

»Entschuldigung für die Unordnung. Die Uni macht mich zurzeit zum unordentlichsten Menschen überhaupt.«, entschuldigte ich mich bei und lächelte ihn weiterhin an. »Kann ich dir was zum Trinken anbieten?«

»Passt schon. Danke.«, erwiderte er und starrte auf seine Hände.

»Na dann. Ich komm gleich wieder.«, informierte ich ihn und lief dann auch schon in die Küche, um mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank holen zu können. Den kalten Tee hatte ich nicht einmal angerührt und nun trocknete meine Kehle schon fast aus, da ich in den letzten Stunden keine Flüssigkeit zu mich genommen hatte.

Selbst bei den kalten Temperaturen im Winter lagerte ich mein Wasser im Kühlschrank, da ich es anders sonst nicht trinken konnte. Es zählte als kleine Macke an mir, worüber meine Geschwister sich bis heute noch den Hintern ab lachten.

Es gab schon ziemlich viele Macken an mir, wofür ich mich auch nur zum Teil schämte.Aber ich schämte mich nicht, dass ich kühles Wasser bevorzugte.

»Und du bist dir auch sicher, dass du nichts willst?«, hakte ich nach, als ich mit einem Glas Wasser in meinen Händen wieder zurück ins Wohnzimmer kam und mich etwas weiter von ihm auf die Couch setzte.

Ich hatte ihn in meine Wohnung gelassen und kannte noch nicht einmal seinen Namen. Tolle Nachbarin.

»Ja. Bist du dir sicher, dass ich dich nicht störe?«, stellte er mir die Gegenfrage und warf einen kurzen Blick auf meinem Esstisch. »I-Ich kann auch—«

»Du störst nicht.«, unterbrach ich ihn und verdrängte meine Hausarbeiten, die im Hinterzimmer auf mich warteten. »Wie kann ich dir nun helfen, Nachbar?«

»Ich hab keinen blassen Schimmer, wie ich nun anfangen soll.«, fing er an und biss sich auf die Unterlippe. Sollten nun die Alarmglocken läuten? »Ich bin Shawn.«, stellte er sich dann plötzlich vor und streckte mir seine Hand hin.

»Ellie. Nett dich kennenzulernen.«, stellte auch ich mich bei ihm vor und schüttelte seine Hand kurz. »Du bist nicht aus Manhattan oder? Dafür klingst du viel zu.. kanadisch.«, fragte ich ihn und schmunzelte leicht, als er mich schon fast wie einen verlorenen Hundewelpen anschaute. Eine weitere Macke.

»Ich bin tatsächlich nicht aus Manhattan.«, bestätigte er und lächelte schwach. »Ich komme aus Ontario.«

»Cool.«, erwiderte ich und schien darüber echt beeindruckt zu sein. Legenden erzählten, dass Kanadier die liebsten Menschen auf Erden waren. »Gefällt dir Manhattan? Das muss doch eine totale Umstellung sein oder nicht?«, fragte ich ihn aus und interessierte mich wirklich für seine Antworten.

»Soweit gefällt mir Manhattan.«, nickte er mit dem Kopf. »Es ist schon ein bisschen umständlich, da Kanada schon anders ist.«

Natürlich. Hier wurden die unhöflichsten Menschen überhaupt geboren und wurden schlussendlich schlecht gelaunte Taxifahrer, die mehr Trinkgeld verlangten als die Fahrt überhaupt kostete.

»Verstehe. Die Manhattaner sind bösartige Kreaturen.«, lachte ich und nahm einen Schluck aus meinem Glas.

Er wiederum schnappte tief nach Luft.

»Du wirst mich wahrscheinlich für total dumm und dämlich erklären, aber ich muss es dir erzählen!«

Ich nickte einfach mit dem Kopf und wollte es mir anhören. Ich hatte nicht wirklich viel zu verlieren.

»Es kann sein, dass ich mit meiner kleinen Schwester über dich geredet hab und ihr noch erzählt, dass du echt süß bist. Ich hab meine Schwester zuletzt an ihrem Geburtstag im September gesehen und ich vermisse sie sehr. Seit Monaten zieht sie mich damit auf, dass ich noch keine Freundin habe und dann ist mir versehentlich herausgerutscht, dass ich mit dir zusammen bin. Bevor ich überhaupt alles wieder zurücknehmen konnte, hat sie es schon unseren Eltern erzählt und nun denken sie es auch. Sie kommen in wenigen Wochen und verbringen Weihnachten bei mir. Dann haben haben sie gefragt, ob sie dich nicht kennenlernen könnten.«, redete er ohne Punkt und Komma.

Ich musste erst einmal realisieren, was er überhaupt von sich gegeben hatte. Er hatte seiner Schwester erzählt, dass ich süß war.

»Hä?«

»Es tut mir unglaublich leid! Es ist alles auch total komisch, aber könntest du so tun als wärst du meine Freundin für die eine Woche? Ich gib dir als Gegenleistung auch alles was du willst!«, bot er mir an und in meiner jetzigen Lage brauchte ich überhaupt nicht darüber nachdenken.

Andere in meiner Position hätten ihn hochkant aus der Wohnung geworfen. Wenn nicht, ihm sogar eine Ohrfeige verpasst. Aber ich selbst konnte nachvollziehen, warum er die Lüge nicht einfach zurückziehen konnte.

»Ich tu's.«

»Bist du dir auch sicher?«, fragte er überrascht nach.

»Klar. Warum nicht?«, grinste ich und zuckte mit den Schultern. Es sollte nur eine Woche gehen und nicht mehr.

christmas lie ☃️ shawnmendes Onde histórias criam vida. Descubra agora