12.1 Skotádi - Dunkelheit

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„Ich habe nicht gesagt, dass ich aufgebe", erwiderte sie leise, aber ihre Stimme war fest und die Melancholie darin schickte einen kalten Schauer seinen Rücken herunter. „Aber ich würde euch aufhalten, deswegen wäre es sinnvoller, wenn ihr ohne mich weitergeht."

„Dafür, dass du sonst so schlau bist, bist du gerade ziemlich unvernünftig", brachte er mit einem schmerzhaften Grinsen zustande. „Als ob wir dich zurücklassen würden. Sind wir nicht eine Truppe?"

„Ja, schon, aber – "

„Dann steht es doch fest. Wir bleiben zusammen."

Vaia sah aus, als wollte sie erneut wiedersprechen, dann schloss sie allerdings ihren Mund und schenkte ihm ein kurz angebundenes Lächeln, auch wenn es keins war, welches ihr Gesicht vom Fieberschmerz befreien konnte.

„Zeig mir noch mal deine Wunde", befahl er mit knapper Stimme und robbte noch etwas näher an das Mädchen heran.

Widerwillig zog Vaia ihr Gewand hoch, sodass ihr verletzter Oberschenkel zur Sicht kam. Beim Anblick der aufgerissenen Wunde und des getrockneten Blutes darum musste Dias schlucken, um den widerlichen Kloß in seinem Hals loszuwerden, aber er wandte die Augen dennoch nicht ab. Vorsichtig berührte er die gereizte Haut und versuchte ihr keine Schmerzen zu bereiten, versagte dabei aber auf ganzer Linie.

„Sieht nicht so gut aus", kommentierte er das Offensichtliche.

„Dachte ich mir", presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Und ich will kein Wasser zum Säubern oder Stoff zum Verbinden verschwenden. Ich... ich halt das schon aus", fügte sie hinzu.

„Du musst nicht – ", fing er an, aber Vaia unterbrach ihn sogleich.

„Ich weiß, dass ich nicht muss. Aber ich denke an das große Ganze. Wenn wir jetzt etwas für so eine Kleinigkeit verschwenden, die aber dann an einem späteren Zeitpunkt gebrauchen könnten, dann würde ich mir eh nur Vorwürfe machen und du könntest nichts tun, um mich davon abzubringen. Also... also lass es mich durchstehen, okay? Ich habe es selbst zu verschulden, also muss ich es allein durchhalten." Hinter ihren Augen brannte, trotz ihrer glühenden Fieberhaut und ihres verschwitzten Gesichtes, das Feuer ihres Mutes und des Starrsinns. Egal, was er nun sagen würde, er würde Vaia nicht davon überzeugen können. Und er schien nicht ganz das Händchen wie Sotiris zu besitzen, sie kurzzeitig abzulenken.

Er knirschte mit den Zähnen und hatte sich seine Worte schon zurechtgelegt, was er ihr sagen wollte, womit er versuchen wollte, sie zu überzeugen, aber ehe er dazu kam, weiterzusprechen, erhob Vaia die Stimme.

„Du solltest dich noch mal hinlegen", verkündete sie burschikos, setzte sich unter schweren Atemzügen auf und streckte ihr verletztes Bein langsam aus. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann lächelte sie ihn mit zur Grimasse verzerrten Lippen an. „Ich pack das schon, Dias."

„Ich bleib mit dir wach", erwiderte er sofort und lehnte sich neben sie an die Wand. „Ich hab genug geschlafen." Er würde ihr ein wenig die Ruhe geben, die sie benötigte, dann hätte er noch immer genügend Zeit, sie von ihrem Starrsinn abzubringen.

Als Antwort schenkte sie ihm lediglich ein knappes Lächeln, dann legte sich die Stille wie ein durchsichtiger Schleier wieder über sie und kaum, dass ihre Stimmen im Echo des Ganges versiegt waren, wurde das Atmen ihrer beiden schlafenden Kameraden wieder lauter, gleichmäßiger, tiefer.

Dias versuchte ab und an einen Blick auf Vaia zu werfen, um sich zu vergewissern, dass es ihr nicht schlechter ging. Ihr Atem neben seinem Ohr war röchelnder als sein eigener und immer wieder wischte sie sich über die Stirn, um den Schweiß loszuwerden, der sich als dünner Film darauf gelegt hatte.

LavýrinthosWhere stories live. Discover now