12.1 Skotádi - Dunkelheit

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Er rüttelte sie noch energischer am Arm, aber Vaia schien im Fiebertraum gefangen zu sein. Sie hob kraftlos den Arm an und schlug um sich, aber ihre Finger streiften lediglich seine Haut. Nicht einmal ihre Fingernägel hinterließen Spuren.

„Vaia, wach auf!" Mit der einen Hand hielt er sie an der Schulter und mit der anderen verpasste er ihr eine kurze aber zwiebelnde Ohrfeige, deren Echo im Gang widerhallte.

Vaia riss die Augen auf und setzte sich abrupt auf. Ihre Hände krallten sich panisch in ihre Oberschenkel, aber einen Moment später zischte sie erneut vor Schmerz und zog sie wieder zurück.

„Was ist – ", fragte sie mit krächzender Stimme, verschluckte sich direkt und fing an keuchend zu husten. Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln. Das Weiß ihrer Augen war gerötet und ihre Pupillen wirkten in ihrem schmalen Gesicht riesenhaft.

„Du hast Fieber", flüsterte er und legte ihr beruhigend eine Hand auf den Rücken. Mit der anderen fühlte er ihre Temperatur an der Stirn. „Ziemlich starkes. Du verglühst ja fast!"

„Aber wie – ", fing sie erneut an, brach aber durch einen weiteren Hustenreiz ab.

„Das Wasser", schloss Dias leise. „Du warst zu lange unterkühlt."

„Es ist eine Strafe der Götter", erwiderte sie und rieb sich den Hals. „Für meine Torheit. Und meine Ungeduld."

„Die Götter haben damit nichts zu tun", versuchte er ihr klarzumachen. „Es war die Falle von Dädalus."

„Aber ich bin, dumm wie ich war, hineingelaufen", murrte sie und schniefte. Ihre geröteten Augen senkten sich zu ihren Händen und sie verkrampfte ihre Finger. „Ich halte euch alle auf."

„Tust du nicht", konterte Dias mit Nachdruck in der Stimme. „Du hast uns vor den stymphalischen Vögeln gerettet. Du hast die Frage der Sphinx beantwortet. Wenn es einer hier herausschaffen kann, dann du." Natürlich wollte Dias die traurige Vaia aufmuntern, aber es steckte ein Funken Wahrheit in seinen Worten. Mit ihrem Geschick und ihrem Wissen hatte Vaia von ihnen die beste Möglichkeit es bis ans Ende der sieben Tage zu schaffen. Was ihr an Kampfkraft fehlte, machten er und Sotiris wieder wett.

„Wir sollten – wir sollten die anderen wecken", sagte sie schließlich und brach die unangenehme Stille, die sich zwischen ihnen im Gang gebildet hatte. Sie wollte sich erheben, doch die Kraft ihrer Beine verließ sie und mit einem Schwanken krachte sie mit den Knien wieder auf den Boden auf.

„Geht's dir gut?", fragte er überflüssigerweise und wollte ihr die Hand reichen, zog sie aber wieder zurück, als er ihren schmerzerfüllten Gesichtsausdruck sah.

Vaia hatte die Augen zusammengekniffen und eine Hand über ihren Oberschenkel gelegt, aber ihre Finger konnten den Anblick nicht verbergen, der sich dort langsam im Stoff verdunkelte.

„Deine Wunde", flüsterte er mit schreckgeweiteten Augen und schluckte den Kloß in seinem Hals wieder herunter. „Wir müssen sie wieder verbinden."

„Das geht nicht", brachte sie mit einem Schluchzen hervor. „Wir haben nichts dafür."

„Es muss aber sein", sagte Dias mit fester Stimme. „Du kannst so nicht laufen."

„Ihr könnt mich zurücklassen", murmelte Vaia so leise, dass er, hätte er ihre sich bewegenden Lippen nicht gesehen, vermutet hätte, dass er sich diese Worte eingebildet hatte. „Ich halte euch auf. Ich bin krank und verletzt und – "

„Bist du irre?", unterbrach er sie erbost und packte das Mädchen an der Schulter. Erschrocken blickte sie auf. „Wir haben es doch jetzt schon soweit geschafft. Denk doch daran, was wir alles schon überstanden haben! Du kannst nicht aufgeben!"

LavýrinthosWhere stories live. Discover now