"Ja, und dann bin ich halt über kurz oder lang hier gelandet. Und den Rest der Geschichte kennst du ja."
"Warte mal, und warum wurdest du dann nicht von deinen nächsten Verwandten aufgenommen? Du hast doch von deinen Großeltern und von deiner Tante Megan geredet."
Jack rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Er mochte solche Gespräche nicht. Außerdem hatte er ziemlich schnell gesprochen und Emily, eine neue Bekanntschaft, seine ganze Lebensgeschichte auf die Schnelle präsentiert. Er war unschlüssig, ob er sich deswegen schlecht fühlen sollte. Es war immerhin der Tod seiner Eltern den er ihr gerade so, einfach mal trocken erzählt hat. Aber er hatte es mit der Zeit leid, immer wieder dieselbe Geschichte zum Besten geben zu müssen.
Es wärmte alle Erinnerungen wieder auf.
Außerdem war er einfach kein sehr gefühlvoller Mensch. Er war keiner, der zu starken Gefühlsausbrüchen, oder ähnlichem neigte.
Die Tasache, dass er Emily zusehen musste, wie sie einen Kaffe trank, der einen längeren Titel hat, als die Queen von England, bereitete ihm zusätzlich dazu beinahe noch körperliche Schmerzen. Starbucks war ja nun wirklich das allerletzte!
Wenn man einen guten Kaffee will, warum geht man dann dorthin und nicht in ein richtiges Café, wo man auch richtigen Kaffee bekommt, und nicht dieses braune, mit Geschmacksverstärkern durchtränkte Wasser?
Jack nippte an seinem Espresso und dachte darüber nach was er als nächstes sagen sollte.
"Naja... Meine Großeltern waren beide Pflegefälle, die konnten mich nicht aufnehmen. Beryl war dement und George hat ALS. Er war also im Prinzip der Steven Hawking unserer Familie, so hat ihn zumindest meine Mutter immer genannt. Und Tante Megan... Die war dem Alkohol schon immer eher mehr zugetan als der Familie. Sie fiel also auch weg."
Emily schaute betreten zu Boden und murmelte etwas unverständliches vor sich hin.
"Wie bitte?"
"Ich sagte es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du so eine... schreckliche Geschichte hast."
Jack hob eine Augenbraue und schaute Emily verwundert an.
"Du hast jemanden aus einem Waisenheim getroffen und wunderst dich, wenn er dir eine Geschichte über den Tod seiner Eltern präsentiert?"
Diesel Aussage schien Emily zu verwirren und sie begann zu stottern.
"Was? Ach so.. Ähm, ja ich meine halt... Du weißt schon..."
"Ach so, ja klar. Natürlich. absolut verständlich."
Jack nippte erneut an seinem Espresso und schmunzelte vor sich hin.
Emily sagte nichts mehr sondern trank nur in Ruhe und mit geröteten Wangen ihr Teufelsgebräu, aber es war keine Stille die Jack störte. Er wusste es sehr zu schätzen wenn man bei jemanden sein konnte ohne die ganze Zeit über irgendetwas reden zu müssen, sei es auch etwas belangloses, nur um das Gespräch in Gang zu halten. Es machte die ganze Situation etwas ungezwungener.
Es war mittlerweile später Nachmittag geworden. Die meisten Touristen waren jetzt wieder auf dem Heimweg, und die Straßen waren allesamt etwas leerer geworden. Er beobachtete wie ein kleiner, bunter Vogel auf dem Rand des großen Brunnens in der Mitte der "Plaza" saß und trank. Die Sonne glitzerte hell auf dem Wasser des Brunnens, und die Wellen, die durch den Wasserstrahl entstanden, der aus einem Meter auf die Wasseroberfläche traf, sorgten dafür, dass die Sonne sich wie in einem schönen Tanz auf dem Wasser hin und her bewegte. Es war eine wundervolle Stadt, wenn man wusste wo man hingehen muss. Und leider wissen das nur sehr wenige. Er selbst hatte es auch nur durch Emily herausgefunden. Davor war er die meiste Zeit, die er außerhalb der St. Pedro Orphanage verbrachte, wie alle anderen Touristen mit ihren Kameras erhoben, durch die hässliche Innenstadt gelaufen und hatte die damals für ihn prächtigen Hochhäuser bewundert, wie sie hunderte von Metern hoch über die überbevölkerten Straßen der Stadt ragten.
Wenn er heute daran dachte, musste er unwillkürlich lächeln. Wie konnte man nur so etwas wie diese Welt aus Beton und Stahl bewundern wenn ganz in der Nähe eine schöne kleine Welt voller Farbenpracht und Altstadtfeeling lag?
