Prolog: 1. April 2011

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Es fiel Clay nicht leicht sich auf das Fahren zu konzentrieren. Das rege Gespräch, in das ihn seine Frau verwickelt hatte und das ständige Piepen seines Mobiltelefons erleichterten es ihm nicht gerade seine Konzentration auf die Straße zu richten.
Clay wusste was die Polizei davon hielt während dem Autofahren zu telefonieren. Da er jedoch keine sehr hohe Meinung von den "Bürokratischen Dumpfbacken" von der Polizei hatte, machte er sich nicht wirklich etwas daraus.
Es gab schließlich noch genug Mörder die sie fangen mussten, da war ein telefonierender Autofahrer doch wohl eher zweitrangig!
Seine Frau, Jasmine andererseits, machte ihm immer Vorwürfe deswegen. Clay pflegte ihr zwar immer zu versichern, dass er deswegen noch nie angehalten wurde, aber sonderlich beruhigend wirkte es selten.

Auch dieses mal wieder redete Jasmine angeregt auf Clay ein, er solle doch bitte so gütig sein und wenigsten warten bis er aus den Serpentinen der Rocky Mountains heraus gefahren war.
Clay redete ebenso angeregt zurück, was schließlich nur dazu führte, dass Jasmine sich entschloss im Beifahrersitz zu schmollen, während Clay mit seinem Freund Kyle über die kürzliche Niederlage der Red Sox diskutierte.

Clay und Jasmine führten eine glückliche Ehe, auch wenn solche gelegentliche Auseinandersetzungen zu kurzzeitigen Spannungen führen konnten.
Da es sich bei Jasmine aber immer schnell ausgeschmollt hatte, und die Red Sox eine relativ gute Saison hingelegt hatten, kam es bisher nie zu etwas größerem als das.
Nachdem gehäßige Worte über die Yankees gewechselt worden waren, legte Clay wieder auf und widmete sich voll und ganz der Landstraße.
Ein kurzer Seitenblick nach rechts verriet ihm, dass Jasmine fertiggeschmollt hatte und schmunzelte stumm in sich hinein.
Keiner der beiden konnte besonders lange böse auf den anderen sein. Dazu waren sie beide nicht die Typen.

Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen, und die dicken Regentropfen die aus großer Höhe auf die Winschutzscheibe des BMW's klatschten, bewegten Clay schlussendlich dazu die Scheibenwischer einzuschalten.
Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet, Jasmine, dass sie bereits beinahe eine halbe Stunde hinter der Zeit waren. Ein vielsagender Seufzer ihreseits genügte, um das auch ihrem Ehemann klar zu machen.

"Ich weiß Schatz, aber schau doch mal die Straße an. Ich kann wirklich nicht schneller fahren."

Der Asphalt war seit der kurzen Zeit, in der der Regen begonnen hatte, bereits großzügig bewässert worden, was es nicht unbedingt leichter machte, die kurvigen Bergstraßen zu bewältigen.
Der BMW hatte selbst unter Clay's herausragenden Fahrkünsten mit der Straßensituation zu kämpfen.
Jasmine ließ sich davon nicht beschwichtigen.

"Clay, wir sind schon das letzte Mal zu spät gekommen und das Mal davor auch."

"Na und, dann kommen wir dieses Mal eben auch zu spät. Sie scheinen es ja gewohnt zu sein."

Clay mochte nicht verstehen, was soll schlimm daran war zu spät zu kommen wenn es die anderen ohnehin bereits erwarteten.

"Ich will aber nicht wieder nach Tante Megan aufkreuzen, du weißt wie das aussieht. Sie ist eigentlich immer diejenige, die sich verspätet. Und außerdem verpassen wir dann vielleicht den ersten Akt des Stückes!"

Clay murmelte etwas vor sich hin, was sich schwerstens nach "Wäre das wirklich so schlimm..." anhörte.

"Clay..." Jasmine klang mmittlerweile etwas gereizt.
"Ich weiß du magst das Theater nicht, aber tue es doch bitte für Jack."

Ein leises Grunzen war das einzige, das Clay noch von sich hören ließ. Er wusste ganz genau, dass er da hin musste, um sich diese Stunden voll schmerzhaften Gelaberes und das amateurhafte Gedudel irgendwelcher Möchtegern-Pianisten anzuhören. Aber er wusste eben auch genau, dass Jack seine Großeltern liebte und sich schon seit langem einen Besuch bei ihnen wünschte. Und da war ein Besuch des dortigen Theaters eben ein Muss. Das war schon seit Jahren so, doch Clay hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt.
Er schaute kurz in den Rückspiegel.
Dort sah er ihn, Jack, sein einziges Kind. Er war mittlerweile 7 Jahre alt und "gedieh prächtig" wie Tante Megan immer zu sagen pflegte, während sie ihren Neffen mit ihren fetten Wurstfingern in die Wangen kniff. Das war für keinen der Umstehenden je ein schönes Erlebnis gewesen, außer vielleicht für Jack, der danach immer auf magische Weise eine zerknitterte fünf-Dollar Note in der Faust hielt.

Clay seufzte. Es waren noch etwa 90 Kilometer bis nach San Diego. Er würde es nie schaffen sie alle in zwanzig Minuten da hin zu bringen. Schon gar nicht in dem Regen.
Er war mittlerweile kontinuierlich stärker geworden. Mittlerweile liefen die Scheibenwischer auf Hochtouren und Clay hatte sich auf das Lenkrad gestützt nach vorne gelehnt, um zumindest irgendetwas durch den mit seinem Fernlicht bestrahlten Regen zu sehen.
Es half nicht wirklich viel, die Sicht hatte sich kein Stück verbessert seit er   praktisch auf dem Lenkrad hockte wie ein Huhn auf der Stange.
Er fuhr mittlerweile nur noch mit 30, statt den erlaubten 60 mph durch die Hügelige Landschaft, und das, obwohl er ein strenger Verfechter der "Ich-fahre-neunzig-wenn-neunzig-erlaubt-sind-und-nicht-89,9"-Regel war, aber der Regen machte es schier unmöglich schneller zu fahren, ohne  unbeabsichtigt dem Asphalt mit dem Gesicht einen Besuch abzustatten.
Also fuhr er weiter 30 mph. Jasmine schaute, den Kopf an das Fenster gelehnt, auf die Landschaft um die Vororte von San Diego, die zweifellos atemberaubend schön wäre, wenn man sie denn durch den Regen und den Nebel der sich mittlerweile dazugesellt hatte, sehen könnte.
Jack schlief immer noch. Lange Autofahrten hatten ihm nie wirklich gut bekommen.

Urplötzlich, musste Clay das Lenkrad seines Wagens herumreißen, um dem grauen Land Rover auszuweichen, der mit gut und gerne 70 mph auf ihn zu fuhr.
Das Heck seines Fords brach aus, und es kostete Clay alle Mühe, seinen Wagen auf der Straße zu halten. Von Kontrolle über sein Auto war jedoch nicht viel zu erkennen. 
Die Tatsache, dass er direkt auf eine Kurve zuhielt, machte die Sache nicht gerade einfacher.
Jack war aufgewacht und erschrak bei dem angespannten Gesichtsausdruck seines Vaters. Er bemerkte ebenfalls ziemlich schnell, dass sie viel zu schnell auf der Straße herumglitten, um so die Kurve noch richtig zu bekommen. Die Bremsen griffen zwar, aber durch das vieleWasser auf dem Asphalt rutschten die Reifen weiter auf der Straße entlang, jetzt nur noch unkontrollierbarer.
In einem letzten verzweifelten Versuch, den Wagen auf der Straße zu halten, riss Clay das Lenkrad erneut herum, diesmal in die andere Richtung, in der Hoffnung den Wagen dadurch wieder auf die richtige Spur zu bekommen.
Es nützte nichts.
Als der Wagen die Leitplanke der Kurve rammte, setzte bei Clay der Instinkt ein und er hob seine Arme um seinen Kopf zu schützen.
Sie schlugen einen Salto über sie Leitplanke, und in die Schlucht dahinter. Es konnte zwar niemand sehen wie tief die Schlucht war, der Nebel verwandelte alles, was weiter als 10 Meter von ihnen entfernt war, in einen weißen Dunst-Brei, aber als sie bereits 3 Sekunden gefallen waren, ohne etwas zu berühren, wurde allen beteiligten klar, dass das hier mehr als ein kleines Loch war. Schließlich, als mehr als 4 Sekunden ohne Kollision vergangen waren, rammten sie das erste Objekt.
Die Tanne stoppte den Fall zwar nicht komplett, reichte aber aus um die Fallgescheindigkeit enorm zu reduzieren. Durch den plötzlichen Geschwindigkeitsabfall, wurden alle Körper nach vorne gedrückt.
Der Baum löste die Airbags aus, diese nützen allerdings nicht viel, wenn dir der Motor deines eigenen Wagens die Beine zertrümmert. So dachte zumindest Clay.
Als sie den Baum hinter sich gelassen hatten, überschlug sich der Wagen noch einige Male, bevor er schließlich, auf dem Dach liegend, und vor einem kleinen Sturzbach zum stehen kam.

Das ganze hatte kaum zehn Sekunden gedauert, aber jedem der drei Passagiere im Ford, kam es wie eine Ewigkeit vor. Bis auf Jasmine vielleicht.
Sie starb sofort bei dem Aufprall auf dem Baum. Die Wucht des Schlages, hatte ihr sodort das Genick gebrochen.
Bei Clay ging es etwas länger. Er versuchte seinen Kopf nach rechts, zu seiner Frau, umzudrehen. Er bemerkte jedoch recht schnell, dass eine Metallstrebe im eigenen Hals, das alles doch sehr erschwerte.
Wie lästig.
Er konnte in das leblose Gesicht seiner Frau sehen, und begann selbst zu spüren, wie sein Körper langsam, ein Organ nach dem anderen, aufhörte zu arbeiten. Enttäuscht darüber, dass im Augenblick seines Todes, nicht sein ganzes Leben noch einmal an ihm vorbeiziehen würde, (darauf hatte er sich immer gefreut, wenn er denn einmal sterben sollte. Auch wenn er sich seinen Tod etwas anders vorgestellt hatte.) versuchte er irgendetwas von seinem Sohn zu entdecken.
Die Metallstrebe, die seine Luftröhre durchstochen hatte, und die dich immer weiter ausbreitende Blutlache unter ihm, lies das aber nicht zu.
Clay merkte, wie seine Augen ihren Dienst einstellten, aber hören konnte er immer noch. Umso größer war die Freude als er seinen Sohn schreien hörte.
"Wenigsten lebt er.", dachte Clay.
So stahl sich ein leises Lächeln auf seine Lippen, denn sein Sohn lebte.
Schließlich starb auch Clay, denn mit nur einem Liter Blut im Körper lebte es sich nicht sehr gut. Er war zwar nie besondern darauf aus gewesen es jemals am eigenen Leib zu erfahren, doch nun konnte er ja wohl schlecht noch etwas daran ändern.
Der einzige der noch Leben in sich hatte war der kleine, sieben Jahre alte Jack.
Wäre jemand in der Nähe gewesen, so hätte er zweifellos die schmerzerfüllten Schreie dieses Jungen gehört, die durch die pechschwarze Nacht hallten, und den Nebel zerreißen zu schienen.

Geschwister(liebe)?!Where stories live. Discover now