11.2 Thermótita - Hitze

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„Schon gut", winkte er ab. „Damit abgefunden habe ich mich sowieso." Sein Blick schweifte für einen Moment durch den Gang, dann schloss er die Augen und lehnte seinen Kopf an die Steinmauer. „Mein Lebewohl habe ich ja gesagt", murmelte er leise, beinahe unverständlich, als würde er nur für sich selber sprechen wollen.

Und auf einmal saß dort kein arroganter Schönling mehr, sondern ein Junge, der sich mit seinem Tod abgefunden, die bittere Realität aber dennoch nicht an sich heranlassen wollte. Ein Junge, der für völlig Fremde den starken Helden spielen wollte und Medeia verspürte den unwirklichen Drang, ihn in die Arme zu schließen und ihm zu sagen, dass die Götter sicherlich nicht zuließen, dass er starb. Apollo hatte ihr das Elysium versprochen, sollte sie sterben. Was sprach dagegen, dass er ihre Mitgefangenen nicht ebenfalls als Helden ehrte?

„Wir sollten nicht zu lange rasten", sprach Aineas, wirbelte damit Medeias Gedanken durcheinander und erhob sich. „Hier sind wir zu ungeschützt. Und im Sitzen lassen sich Ausgänge nicht gut finden", fügte er schwach lächelnd hinzu. Ein Grübchen bildete sich seinem rechten Mundwinkel.

Überrumpelt folgte Medeia seinem Beispiel, griff nach ihrem Speer und stemmte sich hoch. Theia verweilte noch einen Moment auf ihrem Platz, dann erhob sie sich ebenfalls und folgte den beiden in den düsteren Horizont des Ganges. Der schummrige Schein, welcher von innen heraus zu strahlen schien, ließ ab und an ein paar helle Flecken über die Steine tanzen, wann immer ihre Waffen im richtigen Winkel zur Lichtquelle standen.

Aineas ging einige Schritte vor den Schwestern her, betrachtete mit mäßiger Begeisterung die gleichbleibenden Steinplatten der Wände. Das Licht ließ seine blonden Locken beinahe golden aussehen. Seine Arme hingen zwar locker an seiner Seite, aber Medeia konnte erkennen, dass er mit seinem Daumen und Zeigefinger den Stoff seines Gewands umklammerte, als würde er ihm Halt oder Trost spenden.

Es wäre übertrieben, wenn sie behaupten würde, dass sie ihn mittlerweile kennen würde, aber Medeia bildete sich ein, dass sie ihn etwas besser verstand und nachvollziehen konnte, warum er gehandelt hatte, wie er es getan hatte. Hinter seiner arroganten, überheblichen Fassade steckte sicherlich auch nur ein verängstigter Junge.

Vielleicht sollte sie –

Medeias Gedanke wurde durch ein lautes Krachen unterbrochen, dessen Echo die Wände zum Zittern brachte und in ihren Ohren klingelte.

„Was ist das?", schrie sie mit panischer Stimme und presste die Hände an ihre Ohren. Der Schaft des Speeres, den sie sich zwischen zwei Finger gepresst hatte, drohte ihr zu entgleiten.

Ein erneutes Krachen und Poltern ließ sie beinahe das Gleichgewicht verlieren. Sie löste die Hände von ihren Ohren und suchte an der Wand Halt, ihr Blick fiel auf den Boden und glitt dann hinüber zu den Füßen ihrer Schwester – Theias rechter Fuß hatte etwas in den Steinplatten aktiviert. Ein glühendroter Schein drang aus den Fugen um sie herum, eine unstete Hitze kroch über ihre Haut.

Und dieses Mal konnte Medeia auch etwas knistern hören.

Bevor sie sich überhaupt sammeln konnte, blendete ein gleißendes Licht ihre Augen und aus dem Boden hinter ihnen brach eine Wand aus lodernden, gleißenden Flammen hervor, die so intensiv brannten, dass ihr nach wenigen Augenblicken der Schweiß über die Stirn und den Rücken rann. Der heiße Brodem verstopfte ihr Nase und Rachen, ließ sie husten und den Schock über das Feuer vergessen. Beinahe.

„Rennt!", schrie Theia, die ihre Stimme als erste wiederfand. Sie packte ihre Schwester am Ärmel und zog sie mit sich, aber durch den plötzlichen Schub verlor sie den Halt um ihren Speer. Das Holz fiel mit einem klackernden Geräusch zu Boden.

„Nein!", rief sie und machte sich vom Griff ihrer Schwester los. Medeia stolperte mit Schweiß in den Augen auf die Feuerbrunst zu und spürte, wie die feinen Härchen an ihren Armen verbrannten. Ihre Hand packte den glühend heißen Speergriff und sie unterdrückte einen schmerzlichen Aufschrei, als die Hitze ihre ohnehin gereizte Haut aufplatzen ließ. Feuchtes Blut tropfte von ihren Fingerspitzen.

LavýrinthosWhere stories live. Discover now