Leseprobe - I

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„So ein verdammter Mist!"

Clio zuckte zusammen, wobei ihr die Sonnenbrille von der Nase rutschte und sie ein wenig Sand ins Auge bekam. Hektisch fing sie an, ihr Auge zu reiben, vergaß dabei jedoch, dass sie sich vor ein paar Minuten noch die Arme mit Sonnencreme eingeschmiert hatte und sich nun also den Rest der Creme an ihren Fingern ins Auge schmierte.

„Was ist denn?", fragte sie jammernd ihre beste Freundin Veronique, die nicht mehr friedlich auf ihrem Handtuch schlief, wie sie es noch vor wenigen Sekunden getan hatte, sondern aufrecht dasaß und ihre Haut alarmiert untersuchte.

„Ich habe mich schon ewig nicht mehr eingecremt!", klagte Vero und betrachtete verzweifelt die roten Flecken auf ihrem trainierten Bauch. Das war der Ansatz eines Sonnenbrands, den sie heute Abend sicher schon bewundern konnte.

„Ich habe dich vor ein paar Minuten geweckt", sagte Clio verteidigend und kippte sich kurzerhand ein wenig aus ihrer Wasserflasche übers Auge. Aah, das tat gut. Endlich konnte sie wieder aufblicken und sah ihre rothaarige, blasshäutige – naja, nun eher rothäutige – Freundin an. „Du hast mir sogar geantwortet, dass du dich gleich eincremst."

„Verdammt, dann habe ich wohl wieder im Schlaf geredet...", seufzte Veronique und band sich ihre ewig langen Haare zu einem Dutt mitten auf ihrem Kopf zusammen. Mit hängenden Schultern sah sie Clio an. „Und dabei bin ich doch bisher so gut ohne Sonnenbrand davongekommen!"

Clio blickte sie mitfühlend an. Sie würde Vero zu gerne irgendwie helfen. Jedes Jahr war es wieder von Frühling bis Herbst das Problem mit Veroniques Haut. Sie war einfach ein typischer Rotschopf – blass wie ein Vampir, wurde nicht braun, sondern nur krebsrot. Und das schon, wenn sie nur das Wort „Sonne" sagte.

Clio hingegen konnte sich ewig in die Sonne legen, ohne zu verbrennen. Sie benutzte natürlich trotzdem Sonnencreme, schließlich musste man sich nicht absichtlich Hautkrebs zuziehen. Darauf konnte sie getrost verzichten. Besonders mit einer besten Freundin als Krankenschwester, die auch noch einen Arzt als Vater hatte, musste sie vorsichtig sein und das in jederlei Hinsicht, wenn es um Krankheiten, körperliche Gefahren oder sonstiges ging. So sehr sie Vero auch liebte, manchmal machte sie ihr mit ihrer Panik schon das Leben schwer. – Du willst dir ein Ohrloch stechen? Ohhh, das ist aber nicht gut! – Du willst joggen gehen? Ohhh, aber hast du auch die richtigen Schuhe dafür, die extra für dich getestet und angefertigt wurden? – Du willst dich in die Sonne legen? Ohhh, schmier dich unbedingt mit Alpina-Wandfarbe oder so ein, damit du auch ja keinen Sonnenbrand kriegst!

Tja, nun hatte sie selbst den Sonnenbrand gekriegt, und Clio war Gott sei Dank nicht schuld.

„Tja, das war's dann wohl für mich mit dem Sonnenbaden für die restliche Woche", seufzte der Rotschopf und ließ sich wieder rückwärts aufs Handtuch sinken. Vero zählte an den Fingern ab, wie viele Tage ihnen noch am italienischen Strand blieben.

„Heute ist Freitag, und Donnerstag werden wir wieder heimfahren ..."

Sie richtete sich wieder auf und meinte: „Naja, dann organisiere ich mir eben mal einen Sonnenschirm. Hilft wohl nichts, das muss ich jetzt wohl zahlen."

„Naja, so schlimm ist das ja nicht, finanziell gesehen meine ich", versuchte Clio sie ein wenig aufzumuntern. Sie erntete dafür nur eine schiefe Grimasse, dann sah sie nur noch Veroniques schmalen Körper davonhüpfen, um sich ganz hinten einen Sonnenschirm zu leihen.

Seufzend rollte Clio sich auf den Bauch und schob ihre Sonnenbrille wieder ihre Nase hoch. Sie liebte ja die Sonne und den Strand und das italienische Wetter – aber dieser Strand hier war ihr persönlicher Albtraum. Sie befanden sich am nördlichen Ufer der Adria, also eigentlich wunderschön hier – aber hunderte Leute, ach was, weit über tausend, die sich an diesem öffentlichen Strand herumtummelten, waren auf die gleiche Idee wie Vero und sie gekommen und machten hier Urlaub. Schreiende Kinder, fluchende Eltern, lachende Leute, die Wasserball spielten, Sandburgen bauten oder sonst was taten. Alles war vertreten.

Clio hatte zwar Ohrstöpsel drin und ließ sich ein wenig von Musik berieseln, doch damit konnte sie nicht alles um sich herum ausschalten.

Aber wenn sie ehrlich war, wollte sie das auch gar nicht. Es war viel interessanter, die Leute zu beobachten. Bei manchen hatte sie inzwischen das Gefühl, dass sie sie kannte. Es wimmelte hier nur so von Deutschen, weswegen sie die meisten verstand. Links von ihnen lag immer ein Pärchen, das irgendwo aus dem Ruhrpott kommen musste – erkennbar an ihrem Dialekt –, das Mädel war total anstrengend und nörgelte nur herum, während der Typ eigentlich ganz sympathisch wirkte. Dann gab es da noch die bayrische Familie rechts, eine italienische Großfamilie, das russische Paar, zwei Jungs irgendwo aus Osteuropa, das Rentner-Ehepaar aus Berlin, und so weiter und so weiter, die Liste konnte ewig weitergehen.

Manchmal war Leute schauen einfach interessanter als Clios Buch, in dem es um Vampire ging, die nicht einmal durch einen Pfahl ins Herz sterben konnte. Clios Schwester Lara hatte ihr das empfohlen. Lara war 13 und gerade in ihrer Vampir-Werwolf-Elfen-Engel-Phase. Clio lächelte, als sie an ihre Schwester dachte. Manchmal hatte die Kleine schon einen Vogel. Aber –

„Mann, das Ding ist ganz schön teuer!", riss sie jetzt Veroniques schimpfende Stimme aus ihren Gedanken.

Clio sah auf und schloss im richtigen Moment die Augen, da sie sonst die nächste Ladung Sand in den Augen gehabt hätte.

„Oh. Sorry. Habe ich dich getroffen?", fragte Veronique, während sie den Stab des Schirms in den Boden bohrte. „Das war keine Absicht, tut mir echt leid. Das Ding kostet echt viel, wir hätten doch unseren eigenen mitnehmen sollen!"

„Man darf hier keine eigenen aufstellen", sagte Clio mit ruhiger Stimme und rollte sich auf die Seite. Sie betrachtete ihre Freundin eingehend und verzog leicht das Gesicht. „Dein Sonnenbrand sieht echt nicht so gut aus. Meinst du nicht, du solltest ihn mal abkühlen gehen?"

„Ne."

„Ich habe im Hotelzimmer eine After-Sun-Lotion, vielleicht solltest du dir die besser draufschmieren."

„Ne."

Clio lachte. „Jetzt sei nicht so miesepetrig, das macht den Sonnenbrand auch nicht besser!" Sie rappelte sich auf. „Hier, du kannst mein Vampir-Buch, empfohlen von Miss von und zu Lara, weiterlesen. Ist echt toll. Gefällt dir bestimmt."

„Du bist blöd!", rief Vero ihr lachend nach, während Clio schon Richtung Wasser lief.

„Ich weiß!", gab sie über die Schulter zurück und schickte ihrer besten Freundin ein Kusshändchen, bevor sie in die kühlen Wellen des Meeres versank.

Clio ließ sich ein wenig abtreiben, behielt aber ihren Platz, an dem Vero jetzt tatsächlich ihre Nase in Clios E-Book-Reader vergraben hatte und in die Welt der komischsten Vampire überhaupt abtauchte, im Blick.

Immer, wenn sie ins Meer ging, abseits von allen anderen Menschen war, fühlte sie eine innere Ruhe, die sie nur hier verspürte. Es war, als würde das Meer sie verstehen. Als würde es sie trösten, sie umarmen, für sie da sein.

Sie wusste, dass das total dämlich klang, doch so fühlte sie sich. Sie tauchte noch einmal unter und löste das Haargummi – so ein schickes Telefonkabel, wie alle Mädels sie trugen – aus ihren nassen Locken. Sie tauchte noch einmal ab und versuchte, unter Wasser die Knoten zu entwirren. An Land würde sie sie wieder kämmen und zu einem Dutt zusammenbinden müssen, da ihre Haare sonst wie immer explodieren würden. Tja, das hatte man davon, wenn man einen Lockenkopf hatte, der wie elektrisiert aussah.

Langsam schwamm sie wieder Richtung Ufer, sie konnte Veronique ja nicht so lange allein bei den Vampiren lassen.

Sie wich einem Wasserball aus, während sie durch das Wasser watete, ließ ein kleines Mädchen auf einer Krokodil-Luftmatratze passieren, und erst dann konnte sie zu Veronique zurücklaufen. 

Hello Sunshine! [LESEPROBE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt